Die Schauergeschichten vom Einschlag des Asteroiden „Apophis“ – eine Analyse.

Autor: Rüdiger | ZDDK | MIMIKAMA

Zur Zeit machen sie wieder mal die Runde: Die reißerischen Schlagzeilen über einen wahrscheinlich bevorstehenden Weltuntergang im Jahr 2036. Der Asteroid „Apophis“ soll laut verschiedenen Meldungen am 13. April 2036 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Erde treffen.

Die Welt Kompakt schreibt:

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2036 könnte ein Asteroid auf die Erde einschlagen

N24 fragt:

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Zerstört ein Asteroid im Jahr 2036 die Erde?

Und auf wetter.at, das zu OE24 gehört, weiß man es ganz sicher:

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Asteroid soll 2036 die Erde auslöschen

Zu allen Artikeln gibt es dann noch jeweils ein bis mehrere Bilder, die entweder eindrucksvoll zeigen, wie sich ein Grafiker den Einschlag auf der Erde vorstellt oder den Asteroiden in fast greifbarer Nähe zur Erde zeigen. Die Welt Kompakt fügt gar noch ein Bild einer Atombombenexplosion ein und untertitelt es damit, dass ein Einschlag eine Energie von 900 Megatonnen freisetzen würde.

Aber Halt! Was ist denn nun wirklich da dran?

Vorweg: Verschwindend wenig bis gar nichts. Wir können uns alle wieder beruhigen. Der Weltuntergang ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Der Asteroid wird 2036 NICHT auf der Erde einschlagen.

Diese Artikel sind alles nur Panikmache. Der Astronom Florian Freistetter hat in seinem Blog „Astrodicticum Simplex“ sogar eine eigene Rubrik namens „Schlechte Schlagzeilen“ für solche Artikel. Und Apophis ist dort auch kein Unbekannter – schon oft hat dieser Asteroid für angebliche Weltuntergangs-Szenarien herhalten müssen.


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Sehen wir uns das mal genauer an

Zunächst ganz grob ein wenig Hintergrund zu Asteroiden und ihren Bahnen. Asteroiden sind kleine Objekte, die sich auf Umlaufbahnen um die Sonne bewegen. Dabei sind sie größer als Meteoriden, aber kleiner als Zwergplaneten (Pluto, Ceres, etc.). Sie stammen aus dem Asteroidengürtel, einer Region zwischen Mars und Jupiter. Manche dieser Asteroiden verlassen im Laufe ihres Lebens diesen Gürtel und umkreisen auf anderen Bahnen die Sonne, wobei sie mitunter die Bahnen der Planeten kreuzen. Der Begriff „Asteroid“ wird oft gleichbedeutend mit „Kleinplanet“ verwendet, bezieht sich aber hauptsächlich auf Objekte innerhalb der Neptun­bahn. Jenseits der Neptunbahn werden solche Körper transneptunische Objekte (TNO) genannt. Dort befindet sich auch der Kuiper-Gürtel, aus dem zum Beispiel die Kometen stammen.

Wer mehr die Geschichte der Asteroiden erfahren will, findet hier einen kleinen Vortrag von Prof. Harald Lesch aus der Sendereihe „alpha Centauri“.

Manche dieser Asteroiden schlagen dabei auch auf Planeten ein. Auch die Erde wurde im Laufe ihrer Geschichte von Asteroiden getroffen. Ein Einschlag ist aller Wahrscheinlichkeit nach zum Beispiel für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich. Und theoretisch besteht auch die Möglichkeit, dass irgendwann einmal ein weiterer Einschlag eine globale Katastrophe auslöst.

Aber: Die Frage ist, wie wahrscheinlich ein solcher Fall ist. Und um darüber genauere Aussagen treffen zu können, müssen wir

  1. die potenziellen „Kandidaten“ kennen, die uns nahe genug kommen können, um ein Risiko darzustellen und
  2. deren Bahnen genau berechnen können, um zu sagen, wann es eventuell wirklich kritisch wird.

Beides ist ein Thema, mit dem sich weltweit sehr viele Astronomen beschäftigen. Es gibt Datenbanken über alle bisher bekannten Asteroiden und zwei Skalen, anhand der die Gefahr solcher Einschläge gemessen wird: Die Palermo-Skala und die Turiner Skala. Beide berücksichtigen nicht nur, wie wahrscheinlich ein Einschlag ist, sondern auch wie groß die freigesetzte Energie sein würde, sprich: wie verheerend die Folgen wären.

Wie gefährlich ist Apophis für uns?

Auch hier möchte ich zunächst etwas ausholen, um auch deutlich zeigen zu können, warum Apophis immer wieder derart in den Medien auftaucht und warum aber aktuell wirklich kein Anlass zur Sorge besteht.

Apophis (Bild: UH/IA)
Der Asteroid Apophis auf einer Teleskop-Aufnahme (Bild: UH/IA)

Apophis, oder genauer „99942 Apophis“, benannt nach dem ägyptischen Chaosgott „Apep“, wurde am 19. Juni 2004 von Roy A. Tucker, David J. Tholen und Fabrizio Bernardi am Kitt Peak National Observatory entdeckt und hat einen Durchmesser von ca. 300-400 Metern. Der Asteroid ist in der JPL Small-Body Database hier zu finden.

Auch ohne genau zu verstehen, was diese ganzen Daten in dieser Datenbank bedeuten, wird auf den ersten Blick klar, dass wirklich eine ganze Menge Daten über diesen Himmelskörper gesammelt werden. Es wird immer wieder versucht, ihn zu beobachten, um mehr über ihn herauszufinden und seine Bahn immer genauer zu berechnen. Das ist auch wichtig und wird mit allen bekannten Asteroiden so gemacht.

Was Apophis jedoch so besonders macht, ist die Tatsache, dass zum Zeitpunkt seiner Entdeckung alles darauf hindeutete, dass er uns tatsächlich gefährlich werden könnte. Anfangs sprach man von einer Wahrscheinlichkeit von ca. 1:60 für einen Einschlag im Jahr 2029. Das war in der Tat eine große Überraschung für alle Astronomen – bislang war noch kein anderer Asteroid als so gefährlich eingestuft worden. Folgerichtig wurde er auf der Turiner Risikoskala mit einer 4 (von 10) bewertet.

Dabei bedeutet eine 0, dass die Wahrscheinlichkeit effektiv null ist, oder das Objekt so klein ist, dass nicht mit Schäden zu rechnen wäre. Eine 10 wäre eine absolut sicher eintretende Kollision, die eine globale Katastrophe verursacht, die die Zivilisation, wie wir sie kennen, bedroht. Man sieht also, dass eine 4 immer noch keine globale Katastrophe darstellt. Trotzdem war das für die Wissenschaft in der Tat eine Sensation und ging auch gehörig durch die Presse – mal mehr und mal weniger seriös.

Jetzt muss man aber bedenken, dass über Apophis zum Zeitpunkt seiner Entdeckung noch kaum Daten vorlagen, und die Vorhersagen über seine Bahn daher entsprechend ungenau waren. Man hatte ihn ja gerade erst entdeckt. Daher begannen Astronomen sofort, diesen Asteroiden auf älteren Fotos zu suchen, um mehr über seine Position und Bahn herauszufinden. Man hat ihn dann auch tatsächlich auf anderen Aufnahmen identifizieren können und konnte bald darauf das Risiko auf 1 zurückstufen. Weitere Beobachtungen führten dann zu einer Zurückstufung auf 0 für 2029. Für 2036 ist die Stufe weiterhin 1. Dabei bedeutet das aber nicht, dass es gefährlicher als 0 ist, sondern quasi nur, dass man ihn weiter beobachtet.

Der Flug durch das Schlüsselloch

Wenn ein Himmelskörper an einem anderen vorbeifliegt, beeinflussen diese sich gegenseitig. Wenn also ein Asteroid nahe genug die Erde passiert, wird seine Bahn abgelenkt. Tatsächlich wird Apophis am 13. April 2029 in einem Abstand von ca. 38.000 km an uns vorbeifliegen, was seine Bahn auch entsprechend verändert. Der Bereich, quasi das Fenster, auch „Gravitational Keyhole“ genannt, das Apophis aber bei seinem Vorbeiflug treffen müsste, damit er so abgelenkt wird, um bei seinem nächsten Vorbeiflug im Jahr 2036 mit der Erde zu kollidieren, ist sehr, sehr klein und das wird, wie man seit 2013 definitiv weiß, nicht geschehen.

Die aktuellen Wahrscheinlichkeiten von sogenannten Near Earth Objects (erdnahen Objekten), die Erde zu treffen, findet man in der NEO-Datenbank der NASA. Für Apophis liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision im Jahr 2036 bei absolut null. Erst nach ein paar weiteren Umläufen, im Jahre 2060, besteht überhaupt wieder eine Chance, dass er uns treffen könnte, und selbst da liegt die Wahrscheinlichkeit bei ca. 1:10 Millionen. Apophis wird also selbst dann zu 99,99999% an der Erde vorbeifliegen. Und im weiteren Verlauf seiner Reise nimmt diese sogar noch ab. Die dort aufgeführten Berechnungen reichen aktuell bis ins Jahr 2105, wo die Wahrscheinlichkeit dann sogar geringer als 1:45 Millionen ist.

Verantwortungslose Panikmache

Ein paar Worte in eigener Sache:

Ein Weltuntergang oder eine globale Katastrophe wie ein Asteroideneinschlag ist ein beängstigendes Szenario, um es mal sanft auszudrücken. Hollywood hat so etwas ja auch schon mehrfach in Szene gesetzt. Filme wie Armageddon oder Deep Impact zeigen sehr dramatisch, was passieren könnte – oder auch nicht.

Eine Warnung in den Medien über einen wirklichen Einschlag hat daher eine entsprechende Wirkung. Besonders in der heutigen Zeit, wo sich dank Facebook, Twitter & Co Meldungen wie Lauffeuer verbreiten, ohne auch nur ansatzweise geprüft zu werden, kann so etwas durchaus eine Panik oder aber zumindest vollkommen unnötige Besorgnis auslösen, wenn es überhaupt nicht stimmt.

Wenn also Journalisten über etwas berichten, geht man davon aus, dass diese recherchiert haben. Nun traut man zwar den Medien mehr oder weniger, je nachdem um welches Medium sich handelt, aber dennoch steht erst einmal die Meldung so da.

Und besonders Apophis war da immer für Schlagzeilen gut – vermutlich, weil es sich gut verkauft. Aber in meinen Augen ist es unverantwortlich, wenn die BILD-Zeitung zum Beispiel so etwas schreibt (und natürlich so groß!):

MIMIKAMA
BILD-Zeitung vom August 2005

Mit dieser Schlagzeile titelte die BILD-Zeitung im Jahr 2005, und das zu einem Zeitpunkt, als längst klar war, dass der Asteroid uns ganz sicher nicht treffen wird. Das war damals auch überall nachlesbar und mit nur minimalem Aufwand zu recherchieren.

Alle paar Jahre äußert sich irgendwo ein Astronom über Apophis und alle drehen durch und verzapfen so einen Unsinn. Und (gefühlt) alle Welt teilt dies.

Oder man findet einen anderen Asteroiden und erfindet ein paar Schauergeschichten dazu. Bereits letztes Jahr haben wir über den Asteroiden 2001 TC4 berichtet, der auch für Weltuntergangs-Geschichten gesorgt hatte.

Wenn wir wirklich Gefahr laufen würden, von einem Asteroiden getroffen zu werden, dann würden wir das alle rechtzeitig erfahren. Und zwar aus allen Medien und vor allem von offiziellen Stellen. Das sähe ganz anders aus, als ein paar vereinzelte Schlagzeilen in Boulevard-Blättern, Blogs und Facebook-Posts. In der oben erwähnten Turiner Skala werden zum Beispiel auch Empfehlungen ausgesprochen, wann die Öffentlichkeit informiert werden sollte.

Anscheinend gibt es aber Presseorgane, denen die Auflage bzw. die Zugriffszahlen wichtiger sind als qualitativer Journalismus. Das war schon immer so und wird wohl leider auch immer so bleiben.

Besonders im Bereich der Wissenschaft oder hier der Astronomie liest man immer wieder Artikel, die so wie sie geschrieben sind einfach nicht stimmen. Wenn – wie gerade jetzt zum Beispiel – die Nachricht die Runde macht, dass angeblich ein neuer Planet in unserem Sonnensystem gefunden wurde, dann ist das zwar falsch, aber noch nicht tragisch. Höchstens ärgerlich. Wenn es aber um eine Nachricht geht, die dazu geeignet ist, Leute in Angst und Schrecken zu versetzen, dann ist das einfach nicht tragbar.

Bewusst Panik über Ereignisse verbreiten

Anstatt also bewusst Panik über Ereignisse zu verbreiten, die so nicht eintreffen werden, sollte man doch vielleicht einfach mal in einem anderen Licht über Asteroiden berichten:

Als interessante Objekte, die man erforschen kann, und die uns viel über unser Sonnensystem verraten können. Und ein solcher erdnaher Vorbeiflug, wie Apophis ihn uns bietet (und diverse andere Asteroiden das übrigens auch regelmäßig tun), ist eine grandiose Chance für Astronomen, diese genauer zu studieren. Wir haben also quasi Logenplätze für eine großartige Show, aus der wir viel lernen können.

Autor: Rüdiger, mimikama.org

Quellen:

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