Facebooks Lauschangriff? – Wie man Patente richtig liest

Autor: Ralf Nowotny

Facebooks Lauschangriff?
Facebooks Lauschangriff?

Facebook möchte möglichst viele Daten, das ist jedem klar. Für Aufruhr sorgt nun ein neues Patent, welches von Facebook registriert wurde.

Wird Facebook künftig sämtlichen Gesprächen lauschen, um noch individuellere Werbung zu platzieren?

Screenshot: Mimikama.at
Screenshot: Mimikama.at

Im Dezember 2016 beantragte Facebook ein Patent, welches im Juni 2018 veröffentlicht wurde. So heißt es im Abschnitt „Abstract“ des Patents:

„An online system analyzes broadcast content viewed by individuals in a household. Each individual in the household is associated with a client device on which a software application module is executed. When the software application module detects one or more broadcasting signals of a content item broadcasted to the household, the software application module records the ambient audio, inclusing audio from the broadcasting device.“

Zusammengefasst auf Deutsch: Ein Online-System analysiert Werbung, die von bestimmten Personen gesehen wird. Die Personen sind ihren Geräten zugeordnet, die Software nimmt die Audiosignale sowohl der Werbung als auch den Gesprächen der Personen auf.

International wurde das Patent sofort als Beweis genommen, dass Facebook unseren Gesprächen lauscht, unter anderem in der Metro, auf Gizomodo und Esquire, aber auch Radio fm4 des ORF: ein nicht hörbares Signal soll das Mikrofon des Smartphones anschalten, um unseren Gesprächen zu lauschen.

Wie man Patente liest

Die Beschreibungen von Patenten wirken oftmals wissenschaftlich, und das von Facebook beantragte Patent ist ein gutes Beispiel, wie man sie falsch lesen kann. Beachtet wird nämlich oftmals nur der lange Text, der im „Abstract“-Abschnitt steht, während ein kleiner Abschnitts des Patents namens „Claim“ (Inanspruchnahme) oftmals unbeachtet bleibt.

Screenshot: Mimikama.at
Screenshot: Mimikama.at

„The name of the game is the claim“

…so lernen es künftige Anwälte in den USA. Grob bedeutet es, dass der essentielle Inhalt eines Patents in der Inanspruchnahme liegt. Der Abstract-Abschnitt beschreibt nur, wie die Inanspruchnahmen zur Anwendung kommen könnten. Werfen wir also einen Blick auf die Hauptinanspruchnahme H04N 21/442, welche von Facebook eingereicht wurde. Warum nur diese eine? Weil die anderen Claims alle auf dem ersten Claim beruhen und genauer beschreiben.

Wir haben euch den Claim im obigen Absatz verlinkt. Da steht sehr viel englischer Text, der auch nicht sonderlich einfach zu verstehen ist, deswegen fassen wir ihn hier auch mal zusammen:

Es ist ein System, welches eine Benutzer-ID und einen Audio-Fingerabdruck enthält, diesen Audio-Fingerabdruck mit einem bestimmten Inhalt vergleicht, sieht, ob dieser Inhalt für eine bestimmte Dauer abgespielt wurde und überprüft dann einen Zähler, um zu sehen, ob dieser Inhalt eine bestimmte Anzahl von Malen abgespielt wurde.
Noch einfacher ausgedrückt: Es funktioniert quasi wie die populäre App zur Musikerkennung „Shazam„.

Durchsucht man nun mal diese ellenlangen Claims nach „Microphone“, findet man: Nichts. Allerdings beschreiben einige Spezifikationen die Aktivierung von Geräten wie Smartphones oder Smartwatches durch nicht-hörbare Signale, dies aber nur in der genaueren Beschreibung einer möglichen Methode, nicht im Claim selbst. Und, wie schon geschrieben, ist das der wichtige Teil des Patents: „The name of the game is the claim“.

Warum sichert sich Facebook dieses Patent?

Aus diversen Gründen, der offensichtlichste ist aber Jener: Facebook arbeitet an einem sogenannten „Smart Speaker“-System, wie Bloomberg im August 2017 berichtete. Ähnliche Systeme kennt ihr alle: Amazon Echo und Google Home funktionieren nach dem selben Prinzip. Facebook möchte das Prinzip erweitern, indem es Video-Chats und Werbung hinzufügt.

Das klingt aber trotzdem nach Überwachung!

Es ist kein Geheimnis, dass Facebook immer ein wenig am Rande der Legalität schrammt (und diese auch manchmal tatsächlich überschritten hat). Gerade nach dem Cambridge Analytica-Skandal (wir berichteten) muss Facebook sehr aufpassen, und das Schlechteste, was sie jetzt machen könnten, wäre es, die Gespräche von Nutzern ohne deren Wissen zu belauschen, da dies auf jeden Fall illegal wäre.

Die Sache mit Patenten

Patente zu besitzen, ist ein wichtiger Faktor auf dem Markt. Wer ein Patent auf eine vorhandene oder zukünftige Technologie besitzt, kann eines Tages eine Menge Geld damit verdienen. Die bloße Existenz eines Patens ist aber noch lange kein Beweis, dass dieses auch existiert oder gar funktioniert. Ein klassisches Beispiel dafür ist das tatsächlich existierende Patent auf eine Zeitmaschine. Manchmal Einzelpersonen, oftmals aber große Konzerne wie Facebook sichern sich Patente, die irgendwann in naher oder ferner Zukunft zum Einsatz kommen könnten, um die Konkurrenz davon abzuhalten, die gleichen Produkte vor ihnen zu entwickeln… oder zumindest abkassieren zu können, wenn das der Fall sein sollte.

Facebook lauscht also (noch) nicht, aber…

…ein fader Nachgeschmack bleibt. Viele Nutzer hatten schon einmal zumindest das Gefühl, dass Facebook ihnen plötzlich Werbung für Produkte anzeigt, über die sie vor kurzen mit Freunden oder Bekannten nur gesprochen, aber nicht im Internet gesucht haben. Facebook selbst dementiert, dass sie mitlauschen. Die Seite „t3n“ machten dazu ein aufwändiges Selbstexperiment, indem sie mehrere Journalisten neue Smartphones und komplett neue Facebook-Profile zulegten und sich dann im Beisein der Handys über diverse Produkte unterhielten.
Das Ergebnis war kein durchschlagender Beweis, dass Facebook mitlauscht, jedoch gibt es zumindest Anhaltspunkte, die die Vermutung unterstreichen.

Fazit

Im Endeffekt handelt es sich nur um ein Patent, welches Facebook sich aus markttechnischen Gründen sicherte. Einen konkreten Beweis, dass diese Technik bereits Anwendung findet, gibt es nicht, allenfalls Vermutungen.

 

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