Über einen schwulen, russischen Deserteur, der Asyl sucht. Und über Fake News.

„Es waren Fake News, und das aus meiner Feder. Extrem ärgerlich.“ schreibt der Journalist & Autor Matthias Meisner. Ich bin der Ansicht, er geht damit mit sich zu hart ins Gericht.

Autor: Andre Wolf

„Deserteur will Asyl in Deutschland“. So lautete die ursprüngliche Überschrift eines Artikels in der taz. Mittlerweile existiert dieser Artikel nicht mehr. Er wurde nicht einfach sang- und klanglos gelöscht, sondern im Sinne einer begrüßenswerten positiven Fehlerkultur werden die Leser auf die Korrektur aufmerksam gemacht. Der Autor Matthias Meisner spricht bei seinem Artikel von „Fake News“. Doch ich will das differenzierter betrachten.

Zusammengefasst (so wie die taz ihre Korrektur beschreibt) berichtete der Artikel über einen russischen Deserteur, der Asyl in Deutschland suchen soll. Die Veröffentlichung des Artikels wurde jedoch zurückgezogen, da es Hinweise gab, dass es sich bei dem Asylsuchenden um eine Erfindung eines Betrügers handelte. Über dies hinaus hat der Autor Matthias Meisner eine selbstkritische Aufarbeitung des Falls in seinem Artikel „Vorsicht, Liebesbetrüger!“ veröffentlicht.

Im Jahr 2020 hatte eine Person namens Sergej K. über eine Dating-Plattform Kontakt zu einem homosexuellen Verleger aus Niedersachsen aufgenommen und eine traurige Geschichte über das schwierige Leben als Homosexueller in Russland erzählt. Die Geschichte entwickelte sich weiter, am Ende wurde ein Unterstützungsnetzwerk gebildet und Geld gesammelt, um Sergej K. zu evakuieren. Später stellte sich heraus, dass Sergej K. ein Love Scammer war und dass das Unterstützungsnetzwerk einem Liebesbetrüger aufgesessen war.

Love Scamming

Love Scamming ist eine Form des Liebesbetrugs, bei dem Betrüger ihre Opfer dazu bringen, Geld zu geben, indem sie sich als jemand ausgeben, in den sie sich verlieben. Die Betrügerinnen und Betrüger gehen angeblich einer beruflichen Tätigkeit im Ausland nach, meistens handelt es sich so um Armee-Angehörige, Ärzte, Models, Arbeiter auf einer Ölplattform oder Ingenieure.

Über Wochen und Monate hinweg bauen die Kriminellen eine Beziehung zu ihren Opfern auf, versprechen eine gemeinsame Zukunft und reden von der großen Liebe. Irgendwann berichten sie von einem Unglücksfall oder einer Unpässlichkeit, die es notwendig macht, Geld vom Partner oder von der Partnerin zu erhalten. Kommt die Person aus Deutschland der Forderung nach, folgen meistens weitere Geschichten, mit weiteren Geldnöten.

Waren das nun Fake News?

Autor und Journalist Meisner geht mit sich hart ins Gericht. Er sagt, dass dieser Artikel nun ungewollt Fake News aus seiner Feder gewesen wären. Ich hingegen sehe in der Veröffentlichung keine Fake News, sondern eine wichtige positive Fehlerkultur und eine sehr große Portion gute Transparenz. Warum? Das ist einfach erklärt.

Fake News beginnen immer genau dann, wenn jemand bewusst und mit der Absicht, andere zu desinformieren, Inhalte veröffentlicht, wenn jemand absichtlich Inhalte falsch oder gegenteilig interpretiert, obwohl eine Aussage völlig klar ist. Fake News entstehen auch, wenn jemand Bilder und Videos bewusst in einen falschen Kontext stellt oder Geschichten frei erfindet. Fake News erfordern also immer das volle Bewusstsein, eine Falschmeldung zu verbreiten.

Meisner hat nie im Sinn gehabt, jemanden zu täuschen. Im Gegenteil. Er zeigt in seinem Artikel „Vorsicht, Liebesbetrüger!“ sehr deutlich, wie eine Aufarbeitung von Fehlern aussehen kann und darf. Eigentlich ist die Geschichte durch die Aufarbeitung um einen wichtigen Spin (speziell für mich) umso spannender geworden:

Meisners Beschreibungen zeigen, wie clever, wie eiskalt, wie konsequent Scammer vorgehen. Wir lernen aus diesem Artikel, dass in Wirklichkeit niemand hundertprozentig sicher vor Betrug sein kann, sobald die richtigen Auslöser wirken, kann es jeden von uns treffen. Hier spielt auch ein wenig der sogenannte „Confirmation Bias“ mit hinein, also der Bestätigungsfehler. Immer dann, wenn ich eine Situation für plausibel, für glaubwürdig halte oder von vornherein davon überzeugt bin, dass diese Situation richtig sein könnte, dann begehe ich auch den Fehler, Falschmeldungen in diese Richtung zu glauben.

Ich bin im Sinne des Confirmation Bias einfach davon überzeugt, dass etwas stimmt. Und damit spielen Betrüger natürlich. Sie bauen Szenarien auf, die glaubwürdig erscheinen. Und letztlich betreiben sie natürlich eine Form von Social Engineering. Sie wissen genau, wie sie mit bestimmten Leuten reden und welche Argumente sie ihnen präsentieren müssen.

Wichtige Aufarbeitung

Insofern finde ich die Aufarbeitung durch die taz und vor allem durch Meisner in zweierlei Hinsicht sehr wichtig. Zum einen sehen wir hier sehr deutlich die positive Fehlerkultur, wie sie im Journalismus wichtig ist, wenn tatsächlich einmal ein Fehler in der Berichterstattung passiert. Es ist unglaublich wichtig, dann die Hände zu heben und auf die Korrektur hinzuweisen. Das ist hier in vorzeigbarer Weise geschehen.

Das Zweite, was die Geschichte jetzt auch für Mimikama sehr interessant macht, ist der Hintergrund des Love Scammers. Niemand von uns kann sich jemals wirklich sicher sein! Niemand, auch ich nicht. Betrüger wissen genau, was sie tun. Sie nutzen aktuelle Tagesereignisse, Weltgeschehen, Gefühlslagen eiskalt aus, um Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das sollten wir als Lehre aus dieser Geschichte mitnehmen.

Hier noch einmal der Hinweis auf den Artikel von Matthias Meisner: „Vorsicht, Liebesbetrüger!

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