Der Bullshit über den Dschihad in Dänemark und Deutschland

Autor: Andre Wolf

Vorsicht! Verschiedene Blogs beschreiben derzeit (auch optisch) bürgerkriegsähnliche Zustände in Dänemark. Auch Deutschland soll angeblich davon betroffen sein. Das ist natürlich Unsinn.

So liest man: „Die als „Low-Tech-Dschihad“ bezeichneten Übergriffe von Migranten-Gangs auf öffentliche Straßen ist in Dänemark wie auch in Deutschland ausgebrochen.”. Diese Darstellung, welche bereits mehrfach von anderen Blogs kopiert wurde, findet sich seit dem 19. September 2017 auf dem „Anna Schuster Blog für eine neue Welt” [1].

Drei Menschen sind bereits erschossen worden, was eine barbarische Form der Zielübung mit einer Waffe zu sein scheint.

Dort wird berichtet, dass vor wenigen Tagen der dänische Dschihad ausgebrochen sei, in dessen Verlauf bereits 3 Männer erschossen wurden und dass die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei. Optisch wird dieser Inhalt von einem Bürgerkriegsszenario untermalt, welches nicht als Symbolbild gekennzeichnet ist, sondern seiner textlichen Quelle zugeordnet wird.
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Der Teaser vermeldet noch dramatischer, dass dieser Dschihad „seit heute morgen in Deutschland ausgebrochen” sei.

Herkunft

Als Vorlage für diesen Blogeintrag, welcher mittlerweile auf mindestens 5 weiteren Blogs 1:1 übernommen wurde, diente ein Artikel der englischsprachigen Webseite „10news.one”. Dieser Artikel erschien bereits am 16. September 2017 unter dem Titel „Danish Government on Escalating Malicious Migrant Crime: “Worst Situation Since 2nd World War”” [2].
Vergleicht man diese beiden Artikel, bemerkt man schon direkt erste Unterschiede: in der Vorlage steht rein gar nichts von Deutschland. Hier zeigt sich schnell, dass die übersetzte Version des oben genannten Blogs den ohnehin schon überspitzten Inhalt weiter aufbläst. Auch die in der deutschen Version erschossenen Männer sind in der englischen Vorlage auf einmal drei Männer, die durch Schüsse verletzt wurden.

Three people already have been shot in what appears to be a savage form of target practice. Since all of the injured were young men […]

Man merkt also deutlich, dass die deutsche Übersetzung mutwillig den Inhalt verändert und zuspitzt.
Doch wie vertrauenswürdig ist überhaupt die Vorlage? Hier kann man ebenso recht deutlich sagen, dass es sich bei „10news.one” um einen kleinen, anonym betriebenen Blog handelt, der redaktionell eher tendenziell schreibt und dessen Inhalte über weite Strecken stark konstruiert sind.
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Der Inhalt

Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in ganz Dänemark sind natürlich so nicht korrekt dargestellt, sondern in übertriebener Weise aufgebauscht. So wurden beispielsweise die oben angeführten angeschossenen Männer, welche als Opfer einer „barbarischen Form der Zielübung mit einer Waffe” angeführt werden, aus dänischen Medienmeldungen von Anfang August 2017 entnommen. Hier berichtete beispielsweise der dänische TV-Sender TV2 tatsächlich von einer Schießerei [3], auch deutschsprachige Medien haben über Schießereien in Kopenhagen berichtet.
Der Unterschied ist jedoch, dass seriöse Medien hier von Bandenkriminalität sprechen. Insgesamt dürften sich die Blogartikel auf den Bandenkrieg in Kopenhagen, speziell im Stadteil Nørrebro, beziehen. Über den Kopenhagener Stadtteil Nørrebro schrieb Spiegel online am 28.08.2017 [4]:

Dieses urbane Idyll wird allerdings seit Monaten von einer Welle der Gewalt bedroht: Verfeindete Banden tragen ihre bewaffneten Konflikte in der dänischen Hauptstadt seit wenigen Monaten wieder auf der Straße aus.

Gleiches berichtete auch DiePresse.com am 09. August 2017 [5]. Bei den verfeindeten Banden handle es sich um die Mitglieder der Loyal to Familia (LTF) und Brothas. Laut Lübecker Nachrichten handelt es sich bei den Mitgliedern der Banden nach Erkenntnissen der Polizei um überwiegend sozial schlecht gestellte jüngere Dänen mit und ohne Migrationshintergrund [6]. Spiegel Online erwähnt zusätzlich, dass die Mitglieder der Gruppe „Loyal to familia“ (LTF) laut Polizei mit einer verfeindeten Gang aus den Vierteln Mjølnerparken und Nordwest-Kopenhagen rivalisieren und ihre Reviere hier nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen [4].
Laut der dänischen „Politiken” gab es bis Mitte August bereits 55 registrierte Schießereien im öffentlichen Raum, also wesentlich mehr als in den Vorjahren [7]. Die Polizei will daher mit einem 12-Punkte-Plan dagegenhalten [8].

Zurück zu den aktuellen Blogberichten

Die aktuellen Blogberichte klammern den Bandenkrieg völlig aus ihren Darstellungen aus und schreiben stattdessen von einem dänischen Dschihad, der „vor wenigen Tagen startete”. Das ist in diesem Zusammenhang natürlich völlig falsch. Ebenso wie die Suggestion, Deutschland sei betroffen und dürfte nun auch handeln, was aus dem letzten Satz des Blogartikels hervorgeht.

Wie sich die deutsche Regierung nach dem jüngsten Dschihad entscheiden wird, ist noch unklar.

Ferner ist die Bebilderung des Blogartikels in der deutschen Übersetzung, aber auch in der englischen Vorlage, völlig irreführend. Die genutzten Bilder sind weder als Symbolbilder gekennzeichnet, noch haben sie etwas mit Dänemark zu tun. Im Gegenteil: beide Bilder tragen eine irreführende Unterschrift, eines der beiden sogar eine völlig falsche Beschreibung.
So wird als Quelle für das Teaserbild, bzw. die optische Darstellung im Artikel die Angabe „Foto: 10news.one” gemacht. Das ist natürlich so nicht richtig, auch wenn 10news.one dieses Foto ebenso nutzt. Korrekterweise muss zu diesem Foto gesagt werden, dass es ein Stockfoto von Shutterstock ist und in Kiev (Ukraine) am 22. Januar 2014 aufgenommen wurde.  Es ist ein Bild aus dem Ukraine-Konflikt [9].
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Ebenso unsinnig und dazu noch falsch ist die Bildunterschrift zu einem umgestürzten Fahrzeug. Hier wird behauptet, es handele sich um einen Brandanschlag auf ein Auto in Kopenhagen. Das ist jedoch völliger Unsinn, da es sich auch hier um ein Stockfoto von Shutterstock handelt. Dieses Foto entstammt der Fotoserie eines irischen Fotografen und hat rein gar nichts mit Kopenhagen, Unruhen oder Anschlägen zu tun. Es findet sich mit der Beschreibung „car turned upside-down after road collision and reflection in the water” auf Shutterstock [10].
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Abschließend muss man zu der Schlagzeile sagen, welche einen Dschihadausbruch in Deutschland beschreibt, dass hier eine völlig haltlose Falschinformation verbreitet wird.

Textnachweise:

  • „Anna Schuster Blog für eine neue Welt” [1]
  • 10news.one [2]
  • TV2 [3]
  • Spiegel online [4]
  • DiePresse.com [5]
  • Lübecker Nachrichten [6]
  • Politiken [7]
  • Justizministerium Dänemark [8]

Bildquellen:

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