Die Fragen des Robert I. an die Klimaschützer.

Autor: Andre Wolf

Herkunft und Analyse: Was ist dran?
Herkunft und Analyse: Was ist dran?

Ein Faktencheck zu einem langen Text, der derzeit auf Facebook geteilt wird. Es handelt sich bei diesem Text um ein paar Fragen eines Mannes, der (nach Aussagen des Textes) ein Studium der Reaktorphysik und Thermohydraulik an der TU Aachen absolviert hat.

Dieser Text steht in dem Kontext, dass Klimaschützer ihre eigenen Klimaziele nicht kennen und ebenso mit den vorhandenen Erkenntnissen falsch liegen.

Der gesamte Dialog erinnert sehr an die sokratische Methode, in der durch gekonnte Fragestellungen der Dialoggegner über seine eigene (vermeintliche) Unwissenheit in Kenntnis gesetzt wird und am Ende entsprechend einlenken MUSS, da es keinen anderen Ausweg mehr gibt.

DIESER Dialog hat am Ende jedoch ein Problem: Er mag sich zwar der sokratischen Methode bedienen, er unterliegt jedoch der Mimikama´schen Methode: Dem Faktencheck!

Der Dialog wird derzeit recht häufig auf Facebook geteilt, das Posting selbst bildet zudem Greta Thunberg ab. Hier der Anfang des Dialogs zu Identifikationszwecken:

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Lesens- und teilenswerte Realität!

Robert I. [Name durch Redaktion gekürzt]
Studium der Reaktorphysik und Thermohydraulik an der TU Aachen:

Letzten Sonntag war ich auf einem örtlichen Wochenmarkt. Dort gab es einen Stand zum Thema „Klimaschutz“. Ich wurde als „Vorbeilaufender“ auf die CO2-Problematik auf unserer Welt angesprochen.
Ich dachte so bei mir… da bist Du gerade an den Richtigen gekommen.
Meine Frage an den Klima-Vertreter (ca. 28.-30J):

„Wie hoch ist denn der CO2-Anteil in der Luft?“
Seine Antwort: „Hoch! Sehr hoch! Viel zu hoch!“

Ich: „Wie hoch denn?“ – „Wie viel Prozent?“
Er: „Weiß ich nicht!“?…

Screenshot Mimikama.at
Screenshot Mimikama.at

Der Kettenbrief in voller Länge am Ende diesen Artikels!

Der Faktencheck

In dem Text lautet es, der Dialog fand „am letzten Sonntag“ auf einem Wochenmarkt zwischen Robert I. (Studium der Reaktorphysik und Thermohydraulik an der TU Aachen) und einem Klimaschützer statt. Dadurch entsteht der Eindruck, dieses Gespräch habe recht aktuell stattgefunden, was durch die Abbildung Thunbergs in diesem Kontext weiter verstärkt wird.

Hier findet sich direkt der erste Stolperstein: Es gibt keine TU Aachen. Der exakte Titel lautet „RWTH Aachen University“. Bei einer Suchmaschinensuche fällt zudem auf, dass dieser Text nicht neu ist und bereits im Dezember 2018 häufig geteilt wurde. Seinerzeit fand dieses Gespräch jedoch nicht auf einem Wochenmarkt, sondern einem Weihnachtsmarkt statt. Ebenso studierte laut der älteren Version Robert I. nicht an TU Aachen, sondern an der FH Ulm.

MIMIKAMA
Screenshot Mimikama.at

Hier zeigt sich bereits, dass dieser Dialog einen sehr starken Kettenbrief-Charakter hat. Bestimmte Elemente sind dynamisch und werden an temporäre Einflüsse angepasst. Eben noch im Winter auf dem Weihnachtsmarkt, jetzt im Sommer auf dem Wochenmarkt.

Überdies stellt sich die Frage nach Robert I.. Tatsächlich gibt es auf Facebook ein Profil mit dem Namen Robert I., der auch in den Kommentaren zu dem Posting vom 16. Dezember 2018 („Seegespräche“) zu Wort kommt und die Echtheit seiner Person bestätigt.

Screenshot Mimikama.at
Screenshot Mimikama.at

In diesem Text behauptet er, dass sein Posting aus dem Jahr 2015 stamme. Ob die Person Robert I. an dieser Stelle eine weitere Rolle spielt, bleibt außen vor, denn weitere Suchmaschinenfunde zeigen, dass es diesen Text bereits im Jahr 2010 gab, seinerzeit jedoch mit einem anderen Namen als Dialogführer.

In dieser älteren Version taucht der Dialog auf der Webseite von EIKE e.V. auf. Dort lautet der Name des Gesprächsführers Dr. Ing. Urban Cleve, der Gesprächspartner war nun ein Mitarbeiter des BUND. Thunberg hat an dieser Stelle (logischerweise) keinen Platz. Es handle sich nach Aussagen der Webseite (siehe hier) um einen Leserbrief, welcher in der FAZ am 14. Januar 2010 abgedruckt gewesen sein soll:

Der Leser Dr. Ing. Urban Cleve aus Dortmund beschreibt darin eine Begegnung mit einem Mitarbeiter des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wie folgt:

„Ich wurde kürzlich auf dem Westenhellweg an einem Stand des „BUND“ von einem Mitarbeiter auf CO2 angesprochen.

Danach folgte folgendes Gespräch:

‚Wie hoch ist denn der Anteil des CO2 in der Luft?’

Bei dem Verein EIKE e.V. handelt es sich um einen Verein, der den menschengemachten Klimawandel verneint. Urban Cleve (geboren 24. November 1930) wird als ein Autor dieses Webseitenartikels genannt und hat auch mehrere Artikel auf der Webseite des Vereins veröffentlicht. In diesen Publikationen erkennt man deutlich seine kritische Haltung zum Klimaschutz.

Kettenbriefcharakter

Aufgrund der Dynamik und aktuellen Verbreitungsart hat der Text einen Kettenbriefcharakter angenommen. Inwiefern dieser Dialog wirklich stattgefunden hat oder ob dieser sokratische Dialog – ganz nach Platons Vorbild – ein frei erschaffener Musterdialog ist, bleibt offen.

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Der Trick mit den Zahlen

Cleve und die Aussagen des Kettenbriefs stehen in Kontrast zu verschiedenen anderen Publikationen. Das Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ hat 2017 beispielsweise in dem Artikel „Der globale CO2-Anstieg: die Fakten und die Bauernfängertricks“ (hier) mehrere Vorwürfe von Klimaschutzgegnern untersucht. Dabei kommen unter anderem auch Zahlenspiele vor, die der Artikel heftigst kritisiert und den CO2 Anstieg mit Zyankali vergleicht:

Ein Mann bietet Ihnen auf einer Party einen Cocktail mit etwas Zyankali an. Sie lehnen entrüstet ab, doch der Mann versichert, es sei ganz harmlos: schließlich läge der Zyankali-Anteil in ihrem Körper nach diesem Drink nur bei 0,001 Prozent! Das könne wohl kaum schädlich sein! Den Wissenschaftlern, die behaupten, schon 3 mg/kg Körpergewicht (also 0,0003 Prozent) Zyankali seien tödlich, sei nicht zu trauen.

[…]

Können 0,0125 Prozent CO2 so schlimm sein? Natürlich könnte man die CO2-Menge in der Luft auch in Kilogramm angeben: es sind 3200 Milliarden Tonnen bzw. 3.200.000.000.000.000 Kilogramm.

[…]

Damit sind wir schon bei der Wirkung. Wie beim Zyankali kommt es natürlich auf die Wirkung an – und nicht darauf, ob der Anteil an irgendeiner großen Vergleichsmasse nun 10 Prozent oder 0,01 Prozent beträgt.

Schon kleine Erhöhungen, die mittels winzig erscheinender Prozentzahlen dargestellt werden, können verheerende Wirkungen haben, so das Fazit aus dem Vergleich auf Spektrum. Das ist auch der Trick, der in Cleves Text angewendet wurde: Die Prozentzahlen scheinen winzig und entsprechend wenig Einfluss zu haben.

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Problematisch ist zudem, dass die Zahlen nicht korrekt angewendet werden, da die menschengemachten CO2 Emissionen jährlich addiert und entsprechend über einen längeren Zeitraum angeschaut werden müssen. Das Bundesumweltamt spricht deutlich von einem wesentlich erhöhtem CO2 Anstieg. Die Erkenntnis: Gegenüber den 1950er-Jahren wurde der globale Kohlendioxid-Anstieg annähernd vervierfacht (Quelle hier).

Auch der vorher genannte Spektrum-Artikel (hier) spricht ganz davon, dass der komplette CO2-Anstieg um 45% von Menschen verursacht worden ist, was entsprechend wissenschaftlicher Konsens ist. Die im Kettenbrief genannten 4% stehen komplett außerhalb dieser Konsensdarstellung.

In dem UN-Klimabericht aus dem Jahr 2014 finden sich sogar noch deutlichere Worte. Hier lautet es gleich zu Beginn (vergleiche):

Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem ist klar und die jüngsten anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen sind die höchsten in der Geschichte. Die jüngsten Klimaänderungen hatten weitverbreitete Folgen für natürliche Systeme und solche des Menschen.

Wie viel Einfluss hat denn nun Deutschland?

Das ist die abschließende Frage des Kettenbriefs, denn hier lautet es:

Somit beeinflusst Deutschland mit 0,0004712% das CO2 in der Luft.

Damit wollen wir die Führungsrolle in der Welt übernehmen, was uns jährlich an Steuern und Belastungen etwa 50 Milliarden Euro kostet.?

Deutschland gehörte zwar 2014 noch in die Top 10 der CO2 Emissionen (siehe hier), jedoch sinken seit dem Referenzjahr 1990 die CO2 Emissionen Deutschlands stetig, was aus einem aktuellen Bericht des Umweltbundesamts hervorgeht (hier). Damit dürfte deutlich werden: Obschon Deutschland seine Zahlen senkt, steigt die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre weiterhin (auch Bundesumweltamt). Daraus kann man durchaus den Schluss ziehen, dass die Reduktion von Treibhausgasen nicht allein auf nationaler Ebene, sondern global koordiniert werden muss.

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Fazit

Am Ende erscheint der Kettenbrief sogar extrem stark angelehnt an die sokratische Methode, da er auch wie eine Apologie wirkt: Mithilfe der (konstruierten?) Fragestellungen wird eine zielgerichtete Gesprächslinie erschaffen, die am Ende nur eine Lösung übrig lässt und beim Dialoggegner eine Erkenntnis schaffen soll. Gleichzeitig wird die eigene Position verteidigt. Dieses Muster ist im wahrsten Sinne des Wortes klassisch. Es fehlt im Grunde nur ein οἶδα οὐκ εἰδώς.

Was sich aus diesem Text aus dem Jahr 2010 allerdings entwickelt hat und in der heutigen Form vorliegt, ist nichts anderes als ein Kettenbrief, der in seiner Form dynamisch angepasst wurde.


Die aktuelle Version des Kettenbriefs vom 23. Juni 2019 (Facebookposting):

Denken ist Glückssache
Lesens- und teilenswerte Realität!

Robert Imberger
Studium der Reaktorphysik und Thermohydraulik an der TU Aachen:

Letzten Sonntag war ich auf einem örtlichen Wochenmarkt. Dort gab es einen Stand zum Thema „Klimaschutz“. Ich wurde als „Vorbeilaufender“ auf die CO2-Problematik auf unserer Welt angesprochen.
Ich dachte so bei mir… da bist Du gerade an den Richtigen gekommen.
Meine Frage an den Klima-Vertreter (ca. 28.-30J):

„Wie hoch ist denn der CO2-Anteil in der Luft?“
Seine Antwort: „Hoch! Sehr hoch! Viel zu hoch!“

Ich: „Wie hoch denn?“ – „Wie viel Prozent?“
Er: „Weiß ich nicht!“?

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Aha, dachte ich… ein wahrer Kenner!?

Ich fragte also weiter: „Was ist denn sonst noch in der Luft?“
Er: „Sauerstoff!!!“
Ich: „Richtig! Und wie viel Prozent?“
„Weiß ich nicht!“ war seine Antwort.
Ich erklärte ihm, dass es wohl so um die 21% sind. Es erschien ihm plausibel.?

Ich weiter: „Welche Gase sind denn sonst noch in der Luft enthalten?“
Kopfschütteln…. Schulterzucken…?
Ich: „Edelgase! Argon, Xenon, Neon, Krypton…! Schon mal gehört? Die machen aber in Summe nur ein knappes Prozent aus!“
Nachdenkliches Staunen.

Ich wiederholte meine letzte Frage…
Wieder (inzwischen genervtes) Schulterzucken und Augenverdrehen…?
Ich: „Schon mal was von Stickstoff gehört?“
„Ach ja, stimmt… Stickstoff!!! Ja, den haben wir auch in der Luft!“
Ich: „Und? Wie viel Prozent?“
Er: Wieder Schulterzucken. Ich spürte, dass er genug hatte von mir. Ich ließ aber nicht locker, erläuterte ihm, dass es ca. 78% wären. Seine in der linken Hand gehaltenen Flyer sanken immer tiefer.?
Er, nach kurzem Kopfrechnen (gefühlte 60s) : „ Das kann nicht stimmen, das glaube ich Ihnen nicht, weil dann ja für CO2 nichts mehr übrig bleibt!!!“

Ich: „Eben! Sie haben Recht! Zumindest fast!!! Es sind nämlich nur 0,038% CO2 in unserer Atemluft!?

Das glaubte er mir einfach nicht und ließ mich stehen.?

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—-
Wer weiter rechnen möchte:
Wir haben 0,038% CO2 in der Luft. Davon produziert die Natur selbst etwa 96%.
Den Rest, also 4%, der Mensch. Das sind 4% von 0,038%, also 0,00152%.
Der Anteil von Deutschland ist hieran 3,1%.
Somit beeinflusst Deutschland mit 0,0004712% das CO2 in der Luft.

Damit wollen wir die Führungsrolle in der Welt übernehmen, was uns jährlich an Steuern und Belastungen etwa 50 Milliarden Euro kostet.?

Einfach mal drüber nachdenken…?

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