Faktencheck: US-Patente auf Seuchen?

Autor: Kathrin Helmreich

Wir erhielten erneut Anfragen zu einem Bild, das über Facebook geteilt wird. Darauf sind verschiedene Krankheiten angegeben mit angeblicher US-Patentnummer.

Was hat es damit auf sich? Gibt es tatsächlich Patente auf Seuchen und befinden sich alle “im Besitz” der USA?
So sieht das Bild aus, das auf sozialen Netzwerken geteilt wird:
image
Quelle: Screenshot Mimikama

Kuriose Möglichkeiten im US-Patentrecht

Zugegeben … es lassen sich schon einige interessante Gegebenheiten im US-Patentrecht finden.
Wie zum Beispiel die Möglichkeit, sich eine Idee patentieren zu lassen, für deren Umsetzung man eigentlich keine Lösung hat …
Durch solche “Besonderheiten” könnte man wirklich dazu tendieren, dass es glaubhaft ist, dass die USA Patente auf Seuchen erteilt, nachdem man seit Jahren immer wieder diese Behauptung findet.
Sind also die angegebenen Krankheiten AIDS, Ebola, BSA, Zika, SARS und die Schweinegrippe patentiert worden?
Folgt man dem Rat des Bildes (“Googeln Sie das mal!“), wird man in der Tat fündig.
Die meisten Behauptungen relativieren sich jedoch bei der Recherche.

Patent auf AIDS-Virus (US-Patent 5676977) 1

Dieses Patent bezieht sich auf eine Heilmethode für das gefürchtete Immunschwächesyndrom.
Inhaber Marvin S. Antelman gibt darin an, dass das Mittel Tetrasil, ein Silberoxid, die Krankheit heilen könnte und nicht nur diese, er weitete diese Behauptung auf weitere Krankheiten aus.
Einen Beweis konnte Antleman jedoch bis heute nicht liefern.

Patent auf H1N1-Virus (US-Patent 8835624) 2

Dieses Patent bezieht sich gar nicht auf den Erreger der Schweinegrippe, sondern auf eine Substanz (Aptamer), die zur Identifizierung der Viren eingesetzt werden kann.

Patent auf Ebola-Virus (US-Patent 20120251502 [A1]) 3

und Patent auf Schweinegrippe (CA-Patent 2741523 A1) 4

Bei diesen Patenten wird es schon etwas schwieriger.
Laut der Zeit hat das US-Gesundheitsministerium (NIH) im Jahr 2009 tatsächlich ein Patent auf Ebola angemeldet.

Hierbei geht es nicht, wie viele glauben, nur um ein biomedizinisches Verfahren, sondern um den Virenstamm selbst. Der Patentantrag trägt die Nummer US20120251502 A1, bezieht sich auf einen Ebola-Stamm vom Typ Bundibugyo und wurde beim US-Patentamt eingereicht. Er beantragt sogenannten Stoffschutz, wie man ihn auch für ein Antibiotikum, eine bestimmte chemische Rezeptur, verlangen kann. Das Entscheidende aber ist: Das Ebola-Patent wurde bisher nicht erteilt. Und das wird es auch nicht in der beantragten Form.

Patentanwalt Jan Krauß erklärt dies folgendermaßen:

Der zuständige Prüfer hat eine Patenterteilung auf den Virenstamm als solchen schon ausgeschlossen. Seit einer Gerichtsentscheidung aus dem vergangenen Jahr sind in den USA „naturidentische Lebensformen“ nämlich so nicht mehr patentfähig*. Und der Prüfer im Fall des Ebola-Patents sieht in dem Typ Bundibugyo, den die Forscher isoliert haben und jetzt für sich beanspruchen, genau so eine naturidentische Lebensform.

Sieht man den kanadischen Patentantrag für Schweinegrippe ein, gelangt man ebenfalls zu einem Eintrag für Ebola und den gleichen “Erfinder” Jonathan S. Towner. Abgesehen davon, dass das Schweinegrippe-Virus bereits mit H1N1 angegeben wurde.

Patent auf Zika-Virus (ATCC VR-84) 5

Hier wurde ebenfalls geschlampt, denn hier wurde nicht nur ein Buchstabendreher eingebaut, sondern ATCC VR-84 ist noch nicht mal ein Patent.
Es handelt sich um den Markennamen der American Type Culture Collection.
Dies ist ein nichtkommerzielles Unternehmen, das qualifizierten Einrichtungen Mikroorganismen und Zellen für Forschungszwecke zur Verfügung stellt, sofern es den Bedarf und die entsprechenden Sicherheitsqualifikationen nachweisen kann.

Patent auf SARS-Virus (US-Patent 7897744) 6

Dieses Patent existiert tatsächlich, und zwar auf das Genom des SARS-Virus, das die gefährliche Lungenkrankheit auslöst.
Das andere Patent US7897744 bezieht sich auf einen Impfstoff gegen die Seuche.
Beide sind im Besitz der US-Behörde zur Kontrolle und Vorbeugung von Krankheiten (CDC).
Die Patentanmeldung hatte Anfang des Jahrtausends eine Grundsatzdebatte ausgelöst:

Dass CDC erklärte, mit der Patentierung Wissenschaft und Industrie den freien Zugang zu dem Virus auf die Dauer sichern zu wollen. Die Weltgesundheitsorganisation befürchtete dagegen einen Präzedenzfall, der Forschung und Entwicklung behindern könnte. Greenpeace sieht solche Patente ebenfalls als problematisch an.

Patent auf BSE-Virus (US-Patent 0070031450 A1)

Dieses Patent existiert schlicht und ergreifend nicht.
US-Patentnummern haben maximal acht Ziffern.
Sämtliche in Datenbanken auffindbare Patente, die sich auf die Bovine spongiforme Enzephalopathie beziehen, wurden für Diagnosemethoden erteilt.

Ergebnis:

Das einzige existierende Patent beläuft sich auf SARS.
Dieses Bild reiht sich in die Welle der Bullshitbilder ein, die Menschen verunsichern, ängstigen und für dumm verkaufen wollen.
Mit einer wichtigen Information hatte es aber tatsächlich Recht: der Aufforderung, sich selbst zu informieren!

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