Über Fleisch und Bauarbeiter, die vom Gerüst fallen.

Autor: Andre Wolf

Artikelbild Bauarbeiter: Shutterstock / Von SeventyFour
Artikelbild Bauarbeiter: Shutterstock / Von SeventyFour

Stehen schwere körperliche Arbeit und der Verzehr von Fleisch in einer zwingenden Relation? Fallen Bauarbeiter vom Gerüst, wenn sie nur ein mal in der Woche Fleischprodukte konsumieren? Das zumindest lässt die Aussage des bayerischen Wirtschaftsministers vermuten.

„Hubert Aiwanger vs. Patrik Baboumian“ lautete der Arbeitstitel für diesen Artikel. Wer beide Personen sind, wird im Text noch geklärt. Und auch die Frage, ob Bauarbeiter vom Gerüst fallen, wenn sie nur ein Mal pro Woche Fleisch essen.

Beginnen wir mit Hubert Aiwanger. Der Name ist nicht allen Menschen geläufig, dennoch hat Aiwanger einen wichtigen Posten, denn er ist der Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie in Bayern. Gleichzeitig ist er auch stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates.

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Und nun ist eine Aussage aufgetaucht, die eben Hubert Aiwanger zugeschrieben wird. Es handelt sich dabei um eine Aussage, wie wichtig Fleisch für körperliche Leistungen ist und dass Vegetarier und Veganer sich diesen Lebensstil nur leisten können, da sie keine körperlich schweren Tätigkeiten ausüben. Im Kern geht es um folgende Aussage:

„Die Debatte darf sich nicht zuspitzen auf die Bevormundung, dass Fleisch einmal die Woche reicht. Für einen Büromenschen auf dem Vegan-Trip vielleicht – für den Bauarbeiter nicht. Wenn der nur einmal die Woche Fleisch kriegt und nur Salat, fällt er am dritten Tag vom Gerüst runter“

Aiwanger und das Fleisch der Bauarbeiter

Die Frage ist zunächst, bevor man das Zitat unzulässig verkürzt, in welchem Kontext wurde diese Aussage getroffen? Dieser Kontext lässt sich recht einfach definieren:

Aiwanger sprach über leistbares Fleisch. Als Grundlage hierfür ist die Debatte über Billigfleisch, sowie die Kritik an Billigfleisch zu sehen. An dieser Stelle dürfte Aiwanger betont haben wollen, dass es Menschen gibt, denen nicht Unmengen an Geld zur Verfügung steht, die jedoch einen Anspruch auf Fleisch haben. Aiwanger sagte in diesem Kontext auch (vergleiche):

„Teuer heißt nicht automatisch besser. Es wird weiterhin preiswertes Fleisch geben, aber auch ausgewähltere Qualität für die, die es sich leisten können.“

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Natürlich nutzt der bayerische Politiker hier ein bestimmtes Framing. Er stellt pauschal das Bild eines ehrlich und hart arbeitenden Bauarbeiters, der mit wenig Annehmlichkeiten auskommen muss, dem Bild eines flapsigen Büromenschen mit Luxusangewohnheiten wie einem Vegan-Trip gegenüber. Das bewirkt eine gewisse Sympathiehaltung gegenüber der nicht weiter definierten Gruppe der Bauarbeiter. Doch fallen diese am Ende vom Gerüst, wenn sie nur ein Mal pro Woche fleischhaltige Produkte konsumieren und sonst nur Salat essen?

Fleischkonsum und Vegan-Trip

Um die Frage einer ausgeglichenen Ernährung, sowie auch der Behauptung, ob ein Bauarbeiter vom Gerüst fällt, wenn er nur ein Mal pro Woche Fleisch und sonst nur Salat ist nachzugehen, haben wir mit der Dr. Michaela Schlich, Leitung des Fachgebiet Ernährungs- und Verbraucherbildung an der Universität Koblenz-Landau gesprochen. Hierzu sagt Schlich:

Die Situation um die Fleischskandale der letzten Wochen und um Aussagen zum Fleischkonsum der Verbraucher spitzt sich ja wirklich zu. Die DGE (vergleichbar mit der ÖGE) empfiehlt eine Menge an Fleisch und Fleischerzeugnisse (Wurstwaren etc.) von 300 g – 400 g (Frauen und Heranwachsende) bis max. 600 g pro Woche (Männer, „Schwerst“arbeiter), wobei eine Portion Fleisch ca. 150 – 200 g sind.

Das heißt, die DGE empfiehlt im Prinzip maximal 2- 3 Mal Fleisch und Wurstwaren pro Woche.

Fleisch liefert nicht nur Energie, sondern auch hochwertige Proteine, wichtige Mineralstoffe/ Spurenelemente und insbesondere die Vitamine der B-Gruppe.

Über eine rein vegane Ernährung wäre die Bedarfsdeckung nicht zu realisieren und fast alle Vitamine (und nicht nur B 12) müssten über Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden. In meinen Augen keine natürliche Ernährung für Menschen …

So viel zum Thema „ausgewogene Ernährung“, das heißt „von allem ein bisschen, von nix zu viel“, denn der Mensch ist ja ein Omnivor.

Woher Herr Aiwanger die Info von einmal pro Woche hat, kann ich nicht sagen. Und Experten sagen auch bestimmt nicht „nur Salat essen“, der liefert allenfalls Wasser, Ballaststoffe und ein wenig Mineralstoffe.

„Schwerstarbeiter“ (Bauarbeiter, Forstarbeiter etc.) nach der gängigen Definition sind Menschen, die pro Tag das max. 2-fache des Grundumsatzes benötigen und zwar nur für die Zeit, in der sie Schwerstarbeit verrichten und nicht auf dem Sofa liegen. Der Grundumsatz wäre demnach 7.560 KJ (entspricht 1.800 kcal); für die Zeit der Schwerstarbeit (also natürlich nicht 8 Stunden pro Tag, sondern für eine erheblich kürzere Zeit) den 2-fachen Wert berechnen.

Leider bewerten viele Menschen solche Aussagen falsch und nehmen zu viel Energie über die Nahrung zu sich, was ja leider auch optisch feststellbar ist, wenn wir uns die Zahl der Übergewichtigen/Adipösen anschauen. (siehe dazu auch eine gute Erklärung auf unserer Homepage Area Mass Index)

Betrachten wir den Aspekt „Energie“ könnten Bauarbeiter auch „Kiloweise“ Nüsse, Schokolade, Sojabohnen, vegane Kuchen, Avocados, Erbsen essen und Speiseöl trinken etc. und könnten so den Energiebedarf auch decken, ob die Bedarfsdeckung aller essenzieller Nährstoffe damit erreicht wird, ist ein anderes Thema.

Natürlich benötigen Menschen, die lange Zeit Hochleistungen (Bauarbeiter/ Leistungssportler etc.) erbringen, Lebensmittel mit einer höheren Energie- und Nährstoffdichte, wie z.B. Fleisch oder tierische Lebensmittel, aber eben nur für die Zeit, in der Hochleistung erbracht wird. Ansonsten reichen für insgesamt 24/7 die DGE Empfehlungen völlig aus.

Kein Mensch muss jeden Tag Fleisch essen!

Diesem Dilemma (Massentierhaltung und Verletzung der Tierrechte, Missachtung des Tierwohls) könnten wir entkommen, wenn wir Verbraucher weniger (aber hochwertiges) Fleisch (und Wurstwaren) kaufen und dann genießen und wertschätzen und nicht immer nur „auf den Pfennig schauen“ würden.

Das bedeutet eine ausgewogene Ernährung mit Sinn und Verstand.

Und wer ist nun Patrik Baboumian

Wie eingangs beschrieben, lautete der Arbeitstitel für diesen Artikel „Hubert Aiwanger vs. Patrik Baboumian“. Damit steht noch aus, wer Patrik Babuomian ist. Er ist Kraftsportler und Sachbuchautor und wurde 2011 in einem Wettbewerb zum stärksten Mann Deutschlands gekürt. Und Babuomian lebt … vegan. Er stellt somit die andere Seite der Aussage Aiwangers dar.

Doch seien wir am Ende ein wenig beruhigt und hören auf die Wissenschaft und schauen auf die Ratschläge, wie sie auch Dr. Michaela Schlich vorschlägt. Dann dürfte wohl niemand vom Gerüst fallen, weder Büroarbeiter noch Bauarbeiter.

Artikelbild Bauarbeiter: Shutterstock / Von SeventyFour

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