QAnon und Quatsch: Beides beginnt mit Q

Autor: Andre Wolf

QAnon und Quatsch: Beides beginnt mit Q
QAnon und Quatsch: Beides beginnt mit Q

QAnon Mythen scheitern regelmäßig an der Realität. Doch das schadet ihnen nicht, sie werden weiterhin verbreitet. Und sie stellen eine Gefahr dar.

QAnon. Viele der Geschichten klingen einfach verrückt. Sie klingen auch teilweise lustig. Im Grunde genommen ist es mir auch völlig egal, ob diese gesamten QAnon Geschichten wahr sind oder nicht. Es geht mir manchmal auch gar nicht darum, ob sie falsch sind.

Denn wir bei Mimikama prüfen ja im Grunde genommen auch nicht Grimms Märchen und geben diesen dennoch ihre Daseinsberechtigung. Nein, das Problem bei den gesamten QAnon Mythen sind schlichtweg die Menschen dahinter. Die Menschen dahinter, davor und rundherum.

Es geht um diese Spirale aus Hass und Ausgrenzung, welche von diesen Leuten erzeugt wird. Am Ende geht es auch um die Gewalt, die aus den Mythen resultiert. Sicher, ich kann Grimms Märchen natürlich auch eine gewisse Brutalität vorwerfen. Ich kann sie grundsätzlich auch mit Hexenverfolgungen in Verbindung setzen und somit zeigen, dass auch diese Märchen gefährlich sind. Sie sind jedoch nicht mehr zeitgemäß.

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QAnon-Mythen wiederum sind zeitgemäß und das macht sie eben so gefährlich. Dennnoch bedienen sie sich uralter Mythen und Legenden. Und das zeigt ihre Gefahr, denn die QAnon Narrative wirken plausibel. Sie fühlen sich echt an, sie fühlen sich so wahr an.

Alleine diese verrückte Adrenochrome Geschichte (vergleiche). Sie wirkt so modern, ist sie doch nichts anders als eine uralte Ritualmordlegende. Diese wiederum transportiert einen Antisemitismus und ist somit gesellschaftlich natürlich gefährlich.

Das dahinter verwendete System ist im Grunde immer gleich: Errichte Feindbilder, werfe den Feindbildern etwas Schlimmes vor, entmenschliche sie dadurch und sorge dafür, dass diese Feindbilder angegriffen werden.

Aber das ist noch nicht alles bei den ganzen QAnon-Mythen. Sie bedienen sich auch dem Mystischen, sie bedienen sich dem Rätselhaften. Sie wirken wie Prophezeihungen und die Teinehmerschaft sind lauter interpretierende Orakel.

Gleichzeitig spielen sie auch ein wenig Krieg. Es ist nun mal absolut nichts Neues, dass sich in der Moderne Menschen einen Krieg gewünscht haben. Einen Heilsbringenden oder bereinigenden Krieg, in dem die Feinde einfach „weggemacht“ werden. Sich selbst sehen die Anhänger dabei immer auf der Siegerseite, eine Niederlage erleiden die anderen. Dabei vergessen sie immer, dass ein Krieg nur Leid auf allen Seiten bringt. Es gibt keine Sieger, sondern nur viele Tote. Das wird hierbei jedoch ausgeklammert, denn teilweise lesen sich die QAnon-Mythen wie Kriegsstrategien. Oder auch wie Kampagnen, die vorbereitet und auch angeblich ausgeführt werden.

Ein aktuelles Beispiel

Zumindest habe ich gestern dieses Gefühl gehabt, als ich eines dieser Postings gelesen habe. Es handelt sich um eine weitergeleitete Nachricht, die im Grunde ein übersetzter Beitrag einer französischen Webseite ist (hier). Es ist ein Screenshot, denn ich davon gesehen habe. Darauf habe ich gelesen, was angeblich dieser Tage passiert. Unterzeichnet ist dieser Text mit einer Markierung eines QAnon Kanals auf Telegram (QWWG1WGA16PLUS1).

Gehen wir mal einfach auf die Geschichte ein. Wir prüfen jetzt noch nicht die Fakten (das werden wir später im Text erst machen). Lese dir einfach durch, was dort steht. Vieles klingt militärisch. Es klingt nach Befreiungsschlag. Es klingt nach einer Säuberung. Es werden Militärbegriffe genannt bzw. Bezeichnungen von Militärmaschinen angewendet. Teilweise wirkt es so, als stammen diese Sätze aus der Feder eines Generals. Und wir alle werden aufgeklärt, als großer Teil der Kampagne.

QAnon Inhalt
QAnon Inhalt

Doch das ist es nicht. Es ist schlichtweg ein Märchen. Vielleicht lässt sich das auch als Lüge bezeichnen, wenn vorher die Definition von „Lüge“ genau angeschaut wird. Es ist ein Text, zusammengereimt mit verschiedenen fachspezifisch klingenden Angaben.

Und jetzt kann ich, wenn ich möchte, einen Faktencheck machen. Natürlich ist es mühsam, hier ein Faktencheck zu machen. Derjenige, der diese Geschichte erfunden hat, hat es wesentlich einfacher. Sie oder er nimmt einfach irgendwelche Begriffe, baut ein paar plausibel klingende Sätze zusammen, und fügt sie in das bereits bestehende QAnon-Gerüst hinein.

Dieses Gerüst kann jedoch jederzeit erweitert werden, und das ist das spannende an QAnon Mythen. Sind dynamisch, sie sind nicht starr. Sie bedienen sich lediglich einiger weniger Grundmuster. Genau das hat es auch so spannend gemacht, die vielen verschiedenen Figuren beim Sturm auf das Kapitol zu beobachten.

Es gibt nicht den einen QAnon-Jünger. Es gibt nicht den einen Rechtsextremisten. Sondern es gibt eine Vielzahl verschiedener Charaktere. Ich habe auf der Webseite der Krautreporter einen tollen Artikel gelesen. Dieser trägt den Titel „Die Ideologie der Kapitol-Stürmer„. Darin geht es um die Diversität der Teilnehmer beim Sturm auf das Kapitol.

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Dem stimme ich zu. QAnon wirkt schon fast wie ein riesengroßes Rollenspiel. Da steht auf einmal ein Schamane, ein vollverkleideter Schamane, der wie ein Wolf zu heulen scheint. Daneben stehen Menschen mit fusseligen Bärten, sie tragen Hoodies. Dann wiederum sieht man diesen typischen Army-Charakter, mit Cappy und T-Shirt. Auf einmal taucht ein Mann im Bild auf, der harte Holocaust-verleugnende Aussagen auf einem T-Shirt trägt.

All das spiegelt sich auch in den Mythen von QAnon wider. Es ist eine Diversität oder vielleicht sogar ein interessanter Querschnitt durch die Gesellschaft, der so nie offenbart worden wäre. Aber ich kann es auch nicht hundertprozentig sagen.

Wenn ich in mein eigenes Umfeld schaue, gibt es auch den ein oder anderen, der QAnon-Mythen Glauben schenkt. Ich habe auch schon eine Person in meinem Bekanntenkreis, die vollkommen abgetaucht ist. Selbst andere Freunde haben mich schon gefragt, was mit ihm los ist. Er ist einfach weg. Er hat mich blockiert auf Social Media, ich habe auch keinen persönlichen Kontakt mehr.

Es ist durchaus möglich zu sagen, dass es sich um Einzelfälle handelt. Sicherlich, doch rechne ich diese vielen Einzelfälle zusammen, haben wir dann wiederum eine große Gruppe. Und diese Gruppe sucht sich natürlich ihre Multiplikatoren auf Social Media. Es findet ein lebendiger Austausch unter den QAnon-Jüngern statt. Diese Szene ist natürlich auch Verknüpft mit anderen Szenen oder findet Schnittpunkte.

Gleichermaßen ragt auch der Rechtsextremismus in die QAnon-Schiene mit rein. Ein Blick in die USA zeigt uns das ganz deutlich, denn Donald Trump wird sowohl von Rechtsextremisten unterstützt, ist aber auch in der QAnon-Szene der Heilsbringer. Donald Trump war von vornherein für QAnon-Jünger der Heilsbringer, und das schon bereits 2016. Das wurde halt jahrelang ignoriert.

Jahrelang haben wir auch in Europa kaum etwas von QAnon wirklich mitbekommen. Die wenigen Geschichten, die herüberschwappen, klangen extrem absurd. Doch sie tragen alle dieselben Züge, wie die Mythen heute auch. Wenn ich vergleiche, die ersten QAnon Geschichten, die bei uns auftauchten Trugen noch gar nicht den Begriff QAnon in sich. Es ging darum, dass irgendwelche Hollywoodstars Kinder opfern oder essen würden (hier ein Beispiel aus 2017).

Da haben wir noch gar nicht an QAnon gedacht, als wir darüber einen Faktencheck veröffentlicht haben. Mittlerweile wissen und verstehen wir wesentlich mehr zu dem Phänomen. Doch das Problem liegt darin, Das QAnon häufig noch nicht ernst genug genommen wird. Zumindest nicht ernst genug bekämpft wird. Gerade dieses „ganze Social Media“ wird immer noch nicht ernst genug genommen.

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Es wird Zeit, dass Social Media wesentlich ernster genommen wird. Hier findet viel statt, was Menschen prägt. Auf Social Media werden Geschichten vermittelt. Auf Social Media wird Meinung gemacht. Auf Social Media wird Politik betrieben. Und all das müssen wir ernst nehmen.

Wenn wir wirklich am Ende unsere Freiheiten und auch unsere Demokratie schützen wollen, müssen wir Social Media ernst nehmen. Natürlich lauern Gefahren auf Social Media für unsere Gesellschaft. Auch Gefahren für unsere Gesundheit.

Wenn ich sehe, dass Menschen mit einer gewissen Reichweite dazu aufrufen, sich ohne Masken in großen Mengen zu treffen, dann hat das natürlich eine gewisse gesundheitliche Relevanz für die Gesellschaft. Und dem müssen wir uns allen klar sein.

Und daher müssen wir uns auch im Klaren sein, dass all diese Kräfte auf Social Media ihre Stimme und ihre Reichweiten haben. Und dementsprechend kommt jede noch so absurde QAnon Geschichte am Ende auch bei vielen Menschen an. Und dabei spielt es keine Rolle ob das Facebook, Twitter, WhatsApp oder Telegram ist. Wir reden hier von Social Media und der Vielfältigkeit von Social Media. Sicherlich, die Plattformbetreiber werden zwar derzeit aktiv und gehen gegen QAnon Inhalte vor (Twitter sperrte jüngst 70.000 Konten), doch das ist alles sehr spät.

Und nicht falsch verstehen, ich bin kein Freund davon, dass Social Media der Stecker gezogen werden soll. Nein, im Gegenteil. Ich bin ein Freund davon, dass wir als Gesellschaft Social Media vernünftig nutzen und auch in der Lage sind, es vernünftig zu nutzen. Das wir die Mechanismen dahinter verstehen und Social Media als positiv konstruktives Kommunikationselement verwenden. Das ist mein Wunsch und daran arbeite ich seit Jahren. Und dafür werde ich auch weiter arbeiten.

Der Faktencheck zum QAnon Text

Kommen wir noch zum Abschluss auf diese gerade mehr oder weniger aktuelle Geschichte, die der Screenshot von Telegram zeigt. Ich war gestern Abend ein wenig zu müde, um da einen Faktencheck zu machen. Stattdessen hatte ich das Glück, in einer entsprechenden Facebook-Gruppe auf jemanden zu treffen, der den Faktencheck In aller Kürze ausgeführt hat. Der User Toni The-Brain schreibt zu dem Quatsch, welcher auf dem Screenshot zu lesen ist:

Fangen wir mit den Militärflugzeugen an. Die C5 Galaxy ist ein Transportflugzeug, von dem es nur noch 73 Stück bei der Air Force gibt. Die C17 ist ebenfalls ein Großtransporter, Stückzahl 223. Die Transall C-160 gibt es in den Staaten gar nicht, er meinte wohl eher die C-130 Herkules, welche auch nur ein Transporter ist, Stückzahl 1442, allerdings teilen sich diese über 80 Staaten, wie viele die amerikanischen Staaten haben, ist nicht ohne weiteres zu ermitteln, allerdings sind die der Amerikaner überwiegend in Deutschland stationiert. Es sind alles Transportmaschinen und keine Gefängnismaschinen, wie er behauptet. Da der Text nur von Flügen spricht, und nicht von Flugzeugen, ist die Anzahl der 43.000 Flüge auch eher einfach eine aus der Luft gegriffenen Zahl.

Ich weiß auch nicht, was er glaubt, wie viele Flugzeuge dieser Reihen das Militär hat, zumal er ja bunt Navy und Heer mischt. 43.000 Flüge sind nicht zu schaffen, vor allem nicht in diesem kurzen Zeitraum. Zumal die Transportmaschinen nicht überall Landen und Starten können. Das mit der Luftbrücke soll wohl eher ein schlechter Witz sein.

Verhaftet wurde bisher, soweit ich das sehen konnte, niemand. Es gibt auch keine juristische Begründungen dafür. Einfach nur „wollen“ oder „Glauben“ reicht hier nicht aus.  Warum die Massenverhaftungen bis zum 12. Februar andauern sollen? Keine Ahnung. Dafür gibt es nie ein Zeitfenster, wie sollte das funktionieren? Zeitfenster für sowas denken sich nur Schwurbler aus.

Trump kann kein Kriegsrecht ausrufen. Dazu fehlt im die Befugnis. Kurze Erklärung zu der „War Powers Resolution“: „Der Präsident darf das Recht der Entsendung von Soldaten in einen Krieg ohne Mitwirkung des Kongresses nur gemäß einer Kriegserklärung auf Grund eines Gesetzes oder eines nationalen Notfalles befehlen, der einen Angriff auf die Vereinigten Staaten, ihrer Territorien oder Besitztümern oder ihrer Streitkräfte darstellt.“

Nichts davon trifft zu. Auch jene Personen, die das Kapitol gestürmt haben, reichen als Begründung nicht dafür aus. Selbst wenn, würde Trump in diesem Falle ja gegen sich selbst agieren. In Kraft getreten ist die War Powers Resolution auch nicht.

Zu Castle Rock 7, also das angeblich riesige Gefängnis, lässt sich durch eine einfache Recherche nichts finden. Es gibt lediglich die Info über eine Mysterie-Serie namens Castle Rock von Stephen King und einem Festival mit diesem Namen. Sprich: Ein Gefängnis, das niemand kennt, soll in den nächsten Wochen 400.000 Inhaftierte beherbergen. Logik adé!

Und Guantanamo? Da sitzen derzeit weniger als 40 Menschen. Insgesamt waren da seit 2002 nur 779 Gefangene. Die gesamte Naval Base hat eine Größe von 117km². Der Großteil ist unbebaut und der Rest eben eine Marine-Basis. Das Internierungslager dort ist sehr klein, 74.000 Personen passen dort nicht rein.

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