Tschernobyl – Weltweiter atomarer Kollateralschaden?

Autor: Annika Hommer

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Als wenn der Angriff Russlands auf die Ukraine nicht schon dramatisch genug wäre, gerät nun auch die Atom-Ruine von Tschernobyl im Norden der Ukraine wieder massiv in den Blick der Öffentlichkeit. Und auch das Risiko der Freisetzung radioaktiver Partikel.

Angesichts der teils jahrhunderte- bis  jahrtausendelangen Halbwertzeit radioaktiver Strahlung ist die Explosion des Reaktors im Jahr 1986 nur einen Wimpernschlag entfernt. Die Reste atomaren Materials, welches dort immer noch lagert, stellen nach wie vor eine große Gefahr für uns alle dar. Und nun ist ausgerechnet dieser sensible Ort Schauplatz der Kämpfe in Putins Angriffskrieg auf die Ukraine geworden.

Kampf um Tschernobyl

Mittlerweile wurde gemeldet, dass es aktive Kampfhandlung in Tschernobyl gegeben habe und russische Truppen die Kontrolle über die Sicherheitszone erlangt hätten. Es ist die Rede von einem Atomzwischenlager, das unter Beschuss geraten sei. Verschiedene Quellen melden eine deutlich erhöhte Radioaktivität und begründen dies völlig unterschiedlich.
Das alles sind Nachrichten, die nicht nur die Menschen vor Ort in der Ukraine verunsichern. Sie sind angesichts der möglichen Reichweite radioaktiver Strahlung auch für ganz Europa und darüber hinaus relevant. Tschernobyl ist kein regionales Problem, sondern ein globales.

Was genau ist vor Ort geschehen

Der Standort des 1986 durch eine Explosion zerstörten Atomreaktors liegt zwischen der Hauptstadt Kiew (Kyiw) und der weißrussischen Grenze. Dort befindet sich die durch einen gigantischen Betonmantel geschützte Ruine des zerstörten Reaktors, der von Robotern nach und nach zerlegt wird. Erst 2064 soll der kontrollierte Rückbau abgeschlossen sein. Außerdem wurde dort in jüngster Zeit ein Lager für schwächer radioaktiven atomaren Abfall errichtet, das unter anderem als das zentrale Atommüllager für die restlichen 15 ukrainischen Atomkraftwerke dient. Unter anderem werden dort abgebrannte Brennstäbe in Wasserbecken verwahrt. Rund um den Reaktor liegt ein Sperrgebiet mit einem Radius von 30 km.
Der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak sagte gegenüber AP, dass die russischen Streitkräfte nach einem heftigen Gefecht mit ukrainischen Nationalgardisten, die die stillgelegte Anlage schützen, die Kontrolle über das Gelände übernommen hätten. Der Zustand der Anlagen, eines Bunkers und des Endlagers für nukleare Abfälle sei nicht bekannt, sagte er (HIER).

Die Katastrophe

Am 26. April 1986 hatte sich damals eine Kernschmelze und eine Explosion ereignet, die Umgebung wurde radioaktiv kontaminiert. Vor allem Schweden war vom nachfolgenden radioaktiven Fallout betroffen. Und erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Öffentlichkeit von der Regierung der früheren Sowjetunion über den Super-GAU informiert; als sich der radioaktive Fallout bereits über halb Europa verbreitet hatte. Der letzte der übrigen Reaktoren in Tschernobyl, Block 3, wurde 2000 wegen schwerwiegender Sicherheitsmängel komplett abgeschaltet. Die unversehrten Blöcke sollen bis spätestens 2064 rückgebaut werden, über den havariierten Block 4 wurde ein Sarkophag errichtet, der 2017 erneuert wurde. Das „New Safe Confinement“ entstand.

Die Anlage in Tschernobyl

Den ganzen Tag blieb unklar, welche Schäden an den verschiedenen Strukturen entstanden sind. Der Mantel des havarierten Reaktors gilt als äußerst widerstandsfähig. Das sogenannte „New Safe Confinement (NSC)“ ist nicht lediglich eine besonders große und schwere Betonhülle, sondern eine gigantische Maschine, die in ihrem Innern alle notwendigen Einrichtungen vorhält, die notwendig sind, den nach der Katastrophe über dem zerstörten Reaktor errichteten ersten Sarkophag per ferngesteuerten Robotern in seine Einzelteile zu zerlegen und zunächst noch im NSC selbst einzulagern (HIER) und später den zerstörten und verstrahlten Reaktor selbst zurückzubauen. Eine Aufgabe, die für Menschen in dieser hoch radioaktiven Umgebung viel zu gefährlich ist.
Die Struktur des NSC soll zwar so stabil sein, dass sie schweren Stürmen standhalten könne, unmittelbarer Beschuss durch Artillerie und Granaten jedoch könne sehr wohl Schäden verursachen (HIER).
Außerdem wurde ein Atommülllager eingerichtet, das von den einen als Zwischenlager, von den anderen als Endlager für schwächer radioaktiven Atommüll bezeichnet wird.

Kampf um Tschernobyl

Russland hat die Ukraine aus drei Richtungen angegriffen, unter anderem von Norden, dem russischen Verbündeten Weißrussland aus. Der direkte Weg von der weißrussischen Grenze nach Kiew führt an dem Örtchen Pripyat vorbei und damit am havarierten Atomkraftwerk Tschernobyl. Mitten durch die radioaktiv verseuchte Sperrzone. Offensichtlich gab es kein unmittelbares Interesse an der Atom-Ruine. Sie lag zufällig an der Straße nach Kiew. So ist zumindest die Lesart westlicher Geheimdienstexperten. Russische Quellen hingegen verweisen auf Tschernobyl als ein Faustpfand gegen westliche Verteidigungsschläge durch die NATO (HIER).
Es steht außer Frage, dass die russischen Truppen nach Tschernobyl vorgedrungen sind und dass es zu Kampfhandlungen mit ukrainischen bewaffneten Kräften kam. Mittlerweile ist auch bestätigt, dass die russischen Kräfte die Kontrolle über die Anlage übernommen haben. Das ukrainische Personal ist angewiesen, seine Arbeit fortzusetzen, um die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten. Unklar ist noch immer, welche Schäden tatsächlich entstanden sind. AP meldete gestern zunächst, dass russischer Beschuss das Atommülllager getroffen habe (HIER). Dies wurde bislang nicht bestätigt. Es herrscht allgemein Unklarheit über das konkrete Schadensbild.
Einigermaßen beruhigend sind die naturwissenschaftlichen Hintergründe. So seien Reste  des bei der Katastrophe geschmolzene Reaktorkerns zwar noch immer aktiv, jedoch sei eine Explosion wie 1986 physikalisch kaum denkbar. Auch durch strukturelle Schäden, z.B. durch Beschuss, austretendes radioaktives Material hätte nicht unmittelbar das Potential, sich über große Entfernungen in der Umwelt auszubreiten. Dazu seien eine Explosion oder ein Feuer notwendig, die das Material in große Höhen schleuderten (HIER), über die es sich dann verbreiten könne.
Schwieriger stellt sich die Lage wohl bei dem Atomlager dar, das unter anderem die nach wie vor noch radioaktiven alten Brennstäbe der anderen drei Blöcke verwahrt. Diese liegen dort in Wasserbecken, um so eine dauerhafte Kühlung aufrechtzuerhalten. Sollten hier  Schäden entstehen, „käme es im schlimmsten Fall zu massiven radioaktiven Freisetzungen“, so der Nuklearexperte Christoph Pistner vom Öko-Institut in Darmstadt (HIER).

Besteht aktuell ein Strahlenrisiko?

Seit gestern gab es unklare Meldungen, ob es zum Austritt radioaktiver Strahlung gekommen sei. Erste Nachrichten, dass sich die Werte erhöht hätten, verbreiteten sich schnell im Internet  und sorgten für Unruhe und die Befürchtung, dass durch die Kampfhandlungen die Anlage beschädigt worden sei (HIER). Mit potenziell unabsehbaren Konsequenzen.
Russische Quellen sagten im Laufe des heutigen Tages, dass russische Fallschirmjäger das Gelände sicherten, während Spezialisten eines ukrainischen Wachbataillons sich um die Anlagen kümmerten. Von russischer Seite werden die Werte als unauffällig eingestuft
Die ukrainische Seite hingegen meldete zunächst sehr wohl erhöhte Strahlungswerte, sieht sich jedoch aufgrund der Umstände nicht in der Lage, die Ursachen nachzuvollziehen.
Die Messwerte werden nach wie vor automatisch ins Internet übertragen und sind öffentlich einsehbar (HIER).

In einem Statement vom 25.2. stellte die Internationale Atombehörde IAEA in Genf klar, dass die Anlage sicher funktioniere. Die leicht erhöhten Werte von bis zu 9,46 mikroSievert pro Stunde würden sich in einem normalen und üblichen Rahmen bewegen, der keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstelle. Seitens der ukrainischen Behörden sei bestätigt worden, dass es sich um durch Militärfahrzeuge aufgewirbelten Bodenstäube handele, die nach der Katastrophe von 1986 noch immer radioaktiv belastet seien. Der Generaldirektor der IAEA, Rafael Mario Grossi rief in diesem Statement auch dazu auf, alles zu vermeiden, was die Atom-Anlagen in Tschernobyl gefährden könne (HIER).

In dem Statement wird auch darauf hingewiesen, dass die Ukraine gemeldet habe, die 15 aktiven Atomreaktoren würden störungsfrei funktionieren.

Fazit

Obwohl um die Atom-Ruine in Tschernobyl gekämpft wurde und sie unter russische Kontrolle geriet, arbeiten russische und ukrainische Kräfte zusammen, um die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten. Die leicht erhöhten Radioaktivitätswerte wurden nicht durch kampfbedingte Beschädigungen der Gebäudestrukturen verursacht, sondern sind die Konsequenz der durch die Militärkonvois aufgewirbelten Bodenstäube, die seit 1986 immer noch verseucht sind. Die erhöhten Werte bewegen sich in einem für die Internationale Atombehörde in Genf normalen und nicht ungewöhnlichen Rahmen.

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