Nach einer Information der Verbraucherzentrale gibt es ein Wirrwarr um Bikini, Slip und Schlafanzug. Der Grund: Wer Hygieneartikel anprobiert, kann bisweilen Probleme beim Widerruf bekommen!

Wer Bikini oder Unterwäsche, wer „Kleidungsstücke, die auf der Haut getragen werden“ online ordert und anprobiert, kann nach Ansicht einiger Shops sein Recht auf Widerruf verlieren.

Kunden sehen sich bei Hygieneartikeln mit überraschenden oder unklaren Regeln zur Rückgabe konfrontiert. Das belegt eine Umfrage der Verbraucherzentrale NRW bei 20 großen Internet-Anbietern.

Es ist eine Erfolgsgeschichte.

Jeder dritte Bundesbürger kauft Kleidung mittlerweile auch im Internet. Jeder zweite Klamottenbummel endet dabei als Dreiklang: Sehen, Kaufen, Zurückschicken. Schließlich gibt es beim Onlineshopping ein Widerrufsrecht, welches Kunden erlaubt, das meiste Gekaufte innerhalb von 14 Tagen nach Lieferung zu retournieren.

Viele Anbieter wie etwa Otto oder Zalando haben großes Verständnis, dass ihre Kundschaft Jacke und Jeans gleich in verschiedenen Größen bestellt und deshalb nach der Anprobe auf jeden Fall zumindest teilweise wieder einpackt. Nicht mal Versandkosten fallen oftmals für die Rücksendung an.

So was prägt – und kann teuer zu stehen kommen.

Diese Erfahrung machte eine Kundin, die fünf Bikini-Modelle online bestellt und probehalber übergestreift hatte. Geschützt waren die Teile extra mit Klebestreifen im Intimbereich. Drei wollte sie retour schicken – vergebens.

Was sie nicht gesehen hatte:

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hatte der Onlineshop jegliche Badekleidung als „Hygieneartikel“ eingestuft. Und für diese sensible Warenart hat der Gesetzgeber spezielle Möglichkeiten für Händler eröffnet. Sie können das Widerrufsrecht ausschließen, wenn Käufer solche Artikel öffnen oder ausprobieren.

Was bei Cremes und eingeblisterten Zahnbürsten durchaus nachvollziehbar ist, kann bei Kleidung Irritation und Ärger auslösen. Zumal wenn Verkäufer ihr Sortiment mit einen Anprobier-Schutz ausrüsten.

Nur wenige rechnen da mit dem kreisenden Hygiene-Hammer aufs Widerrufsrecht.

Wie die überraschte Kundin, die alle fünf anprobierten Bikinis bezahlen musste. Und das kann auch bei anderen Kleidungsstücken passieren, etwa Unterwäsche, Strumpfhosen oder Schlafanzügen.

Denn viele Anbieter sehen diese Teile ausdrücklich als Hygiene-Artikel an.

Das zeigte eine Umfrage der Verbraucherzentrale NRW bei 20 großen Textilshops. Jeder zweite arbeitete mit dieser Kategorie.

Die andere Hälfte dagegen verzichtete laut Antwort ihrer Pressestellen generell auf eine Differenzierung. Sie machte danach keinerlei Unterschiede bei Retouren von Slip und Sweater, von Bikini und Bluse.

In den AGB von fünf dieser Firmen fanden sich jedoch Formulierungen, die Verbraucher eher verunsichern können. Beispielsweise, dass das Öffnen versiegelter Hygiene-Ware zum Verlust des Widerrufsrechts führen könne. Das betraf Adidas, Calida, Hugo Boss, Kaufhof und KiK.

So blieben fünf Firmen übrig, bei denen es keine Ungereimtheiten zwischen Antwort und Kleingedrucktem gab – bei denen Anprobieren offenbar wirklich risikolos für die Kundschaft bleibt: C&A, H&M, Marc-o-Polo, Mey sowie Zalando.

Wichtig dabei zu wissen:

Gemeint ist eine Anprobe, wie sie im Laden auch möglich ist. Wer da überzieht und übertreibt, wer Kleidung stunden- und tagelang trägt, dem drohen seit jeher Rückgabe-Strafen wie Ersatz für Wertverlust.

Das betont etwa C&A:

„Retournierte Unterwäsche und Badebekleidung unterziehen wir einer gesonderten Überprüfung, um sicherzustellen, dass diese auch ungetragen sind.“

Die Unterschiede und Unklarheiten beim Anprobieren von Hygieneartikeln können Retouren zu einem Glücksspiel machen.

Das beginnt schon bei der Definition des Begriffs „Hygieneartikel“. Mal konnte das „theoretisch jedes Kleidungsstück“ sein (Hess-Natur), mal ging es dabei um „Unterwäsche, Strumpfhosen und Bademoden“ sowie Textilien, „die direkt auf der Haut getragen“ werden (Amazon und Kaufhof) – was streng genommen auch auf Hose, Hemd und Pullover zutrifft. Bei anderen Onlineshops fand sich keine Definition.

Dabei gilt: Die Entscheidung, ob es sich bei einer Ware tatsächlich um einen Hygieneartikel handelt, liegt nicht im Ermessen des Verkäufers.

Das wird vom Gesetz bestimmt. Entscheidend ist, ob die Ware nach einer Anprobe gereinigt und wieder in den Verkauf gebracht werden kann.

Ein weiteres Kriterium ist, ob das Produkt auch im Geschäft getestet werden kann.

Wenn das der Fall ist, muss eine Anprobe in der Regel auch beim Kauf über das Internet möglich sein. Deshalb geht die Verbraucherzentrale NRW davon aus, dass auch bei Bikinis ein Widerrufsrecht besteht. Gerichtlich geklärt ist die Frage allerdings noch nicht.

Der Wirrwarr korrespondiert mit fehlender oder unklarer Kennzeichnung.

So erfahren Kunden kaum, wie sie mit geschützter Hygieneware umgehen dürfen. Jeder dritte Shop, darunter, Adidas, Intersport und Otto, verwies in der Umfrage auf eine Schutzfolie in Dessous und Bademoden. Wer die entferne, dem könne die Rückgabe verweigert werden.

Doch auf den Webseiten der Verkäufer fanden die Düsseldorf Verbraucherschützer keine präzise Aufklärung zu „Schutzfolien“ und „Schutzstreifen“, „Hygienekleber“ und „Hygienepapier“.

Eine Variante zum richtigen Umgang propagierten Amazon und Peter Hahn: dass Kleidung, „die direkt auf der Haut getragen“ werde (Amazon), die „mit dem menschlichen Intimbereich in Berührung“ komme (Peter Hahn), „aus Hygienegründen nur über eigener Kleidung anprobiert werden sollte“.

Der Unterschied: Während Amazon seine Anweisung nur im Kleingedruckten preisgab, verwies Peter Hahn darauf via „Beileger“ zu jedem intimen Kleidungsstück.


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