Studie „Doping im Alltag“: Psychische Belastung durch Pandemie treibt Medikamenten-Einnahme in die Höhe

Die Psychische Belastung während der Corona-Pandemie hat die Medikamenten-Einnahme in die Höhe getrieben.

Autor: Claudia Spiess

Wir brauchen deine Hilfe – Unterstütze uns!
In einer Welt, die zunehmend von Fehlinformationen und Fake News überflutet wird, setzen wir bei Mimikama uns jeden Tag dafür ein, dir verlässliche und geprüfte Informationen zu bieten. Unser Engagement im Kampf gegen Desinformation bedeutet, dass wir ständig aufklären und informieren müssen, was natürlich auch Kosten verursacht.

Deine Unterstützung ist jetzt wichtiger denn je.
Wenn du den Wert unserer Arbeit erkennst und die Bedeutung einer gut informierten Gesellschaft für die Demokratie schätzt, bitten wir dich, über eine finanzielle Unterstützung nachzudenken.

Schon kleine Beiträge können einen großen Unterschied machen und helfen uns, unsere Unabhängigkeit zu bewahren und unsere Mission fortzusetzen.
So kannst du helfen!
PayPal: Für schnelle und einfache Online-Zahlungen.
Steady: für regelmäßige Unterstützung.

Das ist das Ergebnis einer von der Stiftung Anton Proksch-Institut Wien in Auftrag gegebenen Repräsentativerhebung „Doping im Alltag“, durchgeführt vom Institut für Sozialästhetik und psychische Gesundheit der Sigmund Freud Privatuniversität Wien.

Hohe Dunkelziffer bei Medikamentenabhängigkeit

Geschätzte 150.000 Österreicherinnen und Österreicher sind arzneimittelabhängig. Aufgrund der vermutlich sehr hohen Dunkelziffer liegt die tatsächliche Zahl aber wesentlich höher, Schätzungen gehen von bis zu 300.000 Personen aus.

„Eine genaue Angabe ist deshalb schwer möglich, da die Medikamentenabhängigkeit, wie keine andere Suchterkrankung, im Verborgenen stattfindet und die Betroffenen sehr lange sozial unauffällig bleiben.“

Prim. Dr. Wolfgang Preinsperger, Ärztlicher Direktor am Anton Proksch Institut, eine der führenden Suchtkliniken Europas

Datenlücke schließen

Während die wissenschaftliche Literatur zu Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sehr umfangreich ist, lagen zur Medikamentenabhängigkeit bisher kaum Forschungsergebnisse vor – eine Datenlücke, zu deren Schließung die vorliegende Studie beitragen soll. Im ersten Teil der Studie erfolgte die Befragung der Stichprobe von 1000 Personen telefonisch durch Gallup Österreich. In einer Zusatzerhebung im Oktober 2021 wurden dann per Onlinebefragung speziell die pandemiebedingten Konsum- und Alltagsdopingtrends beleuchtet. 

Alltagsdoping umfasst den obligatorischen Morgenkaffee, die Zigarette vor der Arbeit, den Espresso in der Nachmittagspause oder auch das Gläschen Wein abends zum Entspannen auf der Couch. Doch auch Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel werden gezielt zur Beeinflussung der Psyche und zur Leistungssteigerung bei Gesunden eingenommen. 

COVID: Psychische Belastung befeuert Medikamentengebrauch deutlich

Die Belastungen der Bevölkerung durch die COVID-19-Pandemie erwies sich im Oktober 2021 als nach wie vor erheblich. Beinahe ein Drittel der Befragten (26 Prozent) fühlte sich psychisch belastet. 19 Prozent gaben an, körperlich belastet zu sein. Die wirtschaftliche/finanzielle Belastung (22 Prozent) befand sich ebenfalls auf hohem Niveau. Generell gaben Frauen zu allen drei Messzeitpunkten eine höhere psychische Belastung an als Männer. 

Vor diesem Hintergrund wurde das Konsumverhalten für Beruhigungs- und/oder Schlafmittel, Schmerzmittel bzw. Aufputschmittel erhoben, um den Einfluss der durch die Pandemie hervorgerufenen psychischen Belastungsfaktoren auf den Medikamentenkonsum zu beleuchten.

„Betrachtet man jene Personengruppe, die angegeben hat, sich durch die COVID-19-Pandemie psychisch belastet zu fühlen, so zeigt sich eine signifikant stärkere Zunahme des Schmerzmittelgebrauchs. Psychisch Belastete nehmen etwa doppelt so häufig Schmerzmittel ein, als jene, die sich selbst nicht als psychisch belastet erleben. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei Beruhigungs- bzw. Schlafmitteln. Aufputschmittel werden von psychisch Belasteten sogar etwa drei bis vier Mal häufiger eingenommen als von Unbelasteten.“

Prim. Dr. Wolfgang Preinsperger

Weiters zeigt die Studie: Neben der eigentlichen Wirkung der jeweiligen Substanzklasse spielen indirekte Wirkungen als Einnahmemotiv eine große Rolle. So werden beispielsweise Schmerzmittel auch zur Selbstbehandlung depressiver Symptome eingesetzt. 

Unregelmäßige Arbeitszeiten fördern Einnahme von Beruhigungsmitteln

16 Prozent der Befragten gaben an, während der Pandemie mindestens einmal Benzodiazepine, also Medikamente, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt werden, eingenommen zu haben. Hier ist ein deutliches Plus des Konsums zu verzeichnen: Bei 48 Prozent von Personen, die Beruhigungsmittel einnehmen, kam es zu einer Zunahme, nur bei sieben Prozent dagegen zu einer Abnahme. Am häufigsten ist die Einnahme unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 30 Jahre.

Auffällig: Personen mit häufig wechselnden Arbeitszeiten geben fast doppelt so häufig an, Benzodiazepine einzunehmen, als jene mit regelmäßigen (65 Prozent gegenüber 38 Prozent). Es ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen Schlafstörungen mit Benzodiazepinen „behandelt“ werden. Der kurzfristigen Linderung der Schlafprobleme stehen hier jedoch langfristig negative Auswirkungen wie Schlafstörungen und Abhängigkeitsentwicklung gegenüber. 

Schmerzmittel: Deutlich überhöhter Konsum bei Menschen mit Migrationserfahrung 

Knapp die Hälfte (45 Prozent) der österreichischen Allgemeinbevölkerung ab dem 16. Lebensjahr gab an, mindestens einmal seit Pandemiebeginn Schmerzmittel eingenommen zu haben. Während der Pandemie scheint sich das Konsumverhalten zwar nicht verändert zu haben, allerdings zeigt sich, dass jüngere Personen deutlich häufiger eine Schmerzmitteleinnahme angeben als ältere. 

Knapp ein Drittel der Schmerzmittelkonsumentinnen und -konsumenten nimmt diese mehrmals die Woche ein, Migrantinnen und Migranten der ersten Generation allerdings etwa doppelt so häufig, wie Personen ohne Migrationshintergrund bzw. in Österreich geborene Migrantinnen und Migranten der zweiten Generation. Elf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nehmen mehr Schmerzmittel ein, als ärztlich verordnet. Bei Migrantinnen und Migranten der ersten Generation steigt dieser Wert auf 33 Prozent. 

Aufputschmittel besonders bei Jüngeren verbreitet

Aufputschende Substanzen werden seit Beginn der Pandemie von vier Prozent der Befragten eingenommen. Bei 38 Prozent der Aufputschmittel einnehmenden Personen kam es zu einer Zunahme, bei 24 Prozent zu einer Abnahme des Konsums. Aufputschende Substanzen zu sich zu nehmen, kommt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 30 Jahre nahezu doppelt so häufig vor wie bei älteren Personen (neun Prozent). 

Anregende Substanzen zur Unterstützung der Alltags-Bewältigung

In einem immer schnelllebigeren und leistungsbezogenen Alltag greifen zahlreiche Menschen auf anregende Substanzen zurück, um bei der Bewältigung diverser Aufgaben ihr volles Potential ausschöpfen zu können oder um sich in einen gewünschten Gefühlszustand zu versetzen. Besonders in Belastungssituationen soll durch Alltagsdoping ein gewünschter Zustand erreicht werden.

Die größten Belastungen werden laut Studie im beruflichen Kontext angegeben (ca. 70 Prozent im Beruf gegenüber 40 Prozent in Familie und Partnerschaft bzw. 30 Prozent in der Freizeit). Trotzdem überwiegt das Einnahmemotiv Enhancement im Freizeitbereich. Berufliche Belastungen scheinen demnach im Freizeitbereich und Familienleben weiter fortzubestehen. Um dort subjektive Leistungsfähigkeit bzw. Wohlbefinden zu erreichen oder aufrecht zu erhalten, werden zahlreiche Substanzen eingesetzt.  

Koffein und Alkohol besonders weit verbreitet

Nahezu jede Österreicherin bzw. jeder Österreicher konsumiert koffeinhaltige Getränke und Lebensmittel. 2019 haben drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher über dem 18. Lebensjahr zumindest einmal Alkohol zu sich genommen. Knapp die Hälfte der Befragten nimmt Nahrungsergänzungsmittel ein. 41 Prozent der Befragten gaben an, im letzten Jahr Schmerzmittel zu sich genommen zu haben. Ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher raucht zumindest gelegentlich, knapp zehn Prozent nahmen Beruhigungsmittel, ein Prozent Aufputschmittel. Frauen setzen dabei bis auf Koffein alle Substanzen häufiger zur Steigerung von Leistung und Wohlbefinden ein, während Männer die genannten Substanzen stärker als Medikament gegen Belastungen benutzen.

Das könnte auch interessieren: COVID-19: Neue Einblicke in die Prozesse der Genesung nach schwerer Erkrankung

Die Studie „Doping im Alltag“ ist auf Anfrage erhältlich – Rückfragehinweis: 
bettertogether Kommunikationsagentur
Mag.a Raphaela Pammer
T +43 660 4 313 121
[email protected]

Über die Stiftung Anton Proksch-Institut Wien 1956 als Stiftung „Genesungsheim Kalksburg“ gegründet, blickt die heutige Stiftung Anton Proksch-Institut Wien auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Forschung, Lehre, Früherkennung sowie ambulante und stationäre Behandlung (inklusive Rehabilitations- und (Re-)Integrationsansätze) von Suchterkrankungen zurück. Sie hält außerdem 40 Prozent der API Betriebs gemeinnützige GmbH. Als Präsident fungiert derzeit Mag. Richard Gauss, Bereichsleiter der Geschäftsgruppe Soziales, Gesundheit und Sport der Stadt Wien (MA 24).    

Unterstützen 🤍

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!

Mit Deiner Unterstützung via PayPal, Banküberweisung, Steady oder Patreon ermöglichst Du es uns, Falschmeldungen zu entlarven und klare Fakten zu präsentieren. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied. Vielen Dank für Deine Hilfe! ❤️

Mimikama-Webshop

Unser Ziel bei Mimikama ist einfach: Wir kämpfen mit Humor und Scharfsinn gegen Desinformation und Verschwörungstheorien.

Abonniere unseren WhatsApp-Kanal per Link- oder QR-Scan! Aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine aktuelle News-Übersicht sowie spannende Faktenchecks.

Link: Mimikamas WhatsApp-Kanal

Mimikama WhatsApp-Kanal

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Kämpfe mit uns für ein echtes, faktenbasiertes Internet! Besorgt über Falschmeldungen? Unterstütze Mimikama und hilf uns, Qualität und Vertrauen im digitalen Raum zu fördern. Dein Beitrag, egal in welcher Höhe, hilft uns, weiterhin für eine wahrheitsgetreue Online-Welt zu arbeiten. Unterstütze jetzt und mach einen echten Unterschied! Werde auch Du ein jetzt ein Botschafter von Mimikama

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.