Faktencheck: Kann deutsches Gas in Speichern über den Winter verkauft werden?

Im Netz kursiert eine Vielzahl von Gerüchten darüber, dass deutsche Gasreserven im Winter meistbietend an ausländische Unternehmen verkauft würden. Was ist dran an dieser These?

Autor: Mimikama

Die Behauptung

Im Laufe des Winters verkauft Deutschland Gasreserven aus seinen Speichern an „meistbietende“ ausländische Unternehmen. Auch das Gas, welches von der „Trading Hub Europe“ seitens der Bundesregierung gekauft wurde, ist nicht für Deutschland reserviert.

Unser Fazit

Die Behauptung stimmt zum Großteil. Deutschland kann überschüssiges Gas auf dem Markt verkaufen, wenn gesetzliche Speicherziele zum 1. November 2022 (95%) und zum 1. Februar 2023 (40%) eingehalten werden. Das Gas wird immer nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage verkauft; es ist daher auf dem Markt frei verfügbar, sowohl für deutsche als auch für ausländische Unternehmen.

Das Medium Börse-Online titelte am 3.10.2022: „Deutsche Gasreserven gehen im Winter meistbietend an ausländische Unternehmen“. Ein Satz daraus, „Sogar das Gas, das die Trading Hub Europe (THE) mit finanzieller Staatshilfe erworben habe, sei nicht für deutsche Gaskunden reserviert„, wird auf Social Media zitiert.

Speicherziele müssen eingehalten werden

Laut dem Energiewirtschaftsgesetz ist genau festgelegt, wie viel Gas in den deutschen Speichern enthalten sein muss. Der diesjährig überarbeitete Paragraf 35 beinhaltet gesetzliche Füllstandsvorgaben der deutschen Gasspeicheranlagen. Demnach mussten die Gasspeicher am 1. September zu 75 % gefüllt sein, am 1. Oktober zu 85 % und am 1. November zu 95 %.

Die Pressesprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, Susanne Ungrad, teilte gegenüber Correctiv mit, dass man Gas nur dann verkaufen könnte, wenn diese gesetzlichen Speicherziele eingehalten sind:

„Das Gas in den Speichern gehört in einer Marktwirtschaft den Händlern, die in den Speichern ihr Gaskontingent einmieten. Diese müssen sich an die regulatorischen Vorgaben zum Ein- und Ausspeichern halten. Jeder Speicherbetreiber darf Gas verkaufen, sofern er die Füllstandsvorgaben des Gesetzes auch im Verkaufsfalle stets einhält und diesen Nachweis erbringen kann“.

Daraus folgt also logischerweise, dass nur überschüssiges Gas verkauft werden könnte.

Angebot und Nachfrage: Prinzip für den Gasverkauf

Weiter schreibt Susanne Ungrad:

„Der Verkauf aus den Speichern folgt Angebot und Nachfrage und damit dem höchsten Preisangebot und dem am meisten liquiden Markt. Die Nachfrage in Deutschland ist hoch, da Deutschland das größte Mitgliedsland der EU ist und auch angesichts einer hohen Industriestruktur eine hohe Nachfrage vorherrscht. Angesichts der hohen Nachfrage treffen Angebot und Nachfrage im deutschen Markt zusammen.“

Auch das Gas, das von der „Trading Hub Europe“ für Deutschland gekauft wurde, lässt sich  nur nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage verkaufen, wie das Unternehmen selbst bestätigt hat: Es könne „über marktliche Verfahren […] von den entsprechenden Marktakteuren gekauft und verwendet werden“. Zu den Marktakteuren gehört aber nicht nur Deutschland, sondern auch andere Unternehmen, die an deutschen Handelspunkten registriert sind.

Das heißt, dass jedes Gas auf dem Markt frei verfügbar bzw. nicht für ein oder mehrere Länder fest reservierbar ist, egal für wen oder von wem es beschafft wurde.

Wie viel Gas wird benötigt? – Kann etwas verkauft werden?

Laut aktuellen Daten der „AGSI“ liegt Deutschland (Stand 24.10.2022) mit 97,18 % Füllstand momentan über dem gesetzlichen Füllstand von 95 % zum 1. November. Das nächste festgelegte Datum, zu dem ein gewisser Prozentsatz in den Gasspeichern enthalten sein muss, ist allerdings erst der 1. Februar, mit 40 % vorgeschriebenem Füllstand.

Laut BMWK gibt es für diese Zeit keine vorgegebenen Zwischenstände – wie schnell und wie viel Gas verkauft wird, wie der sogenannte „Ausspeicherpfad“ verläuft, ist also offen. Ungrad schreibt diesbezüglich, dass mit dem Energiewirtschaftsgesetz sichergestellt werde, dass es im Winter eine Gasversorgung gebe und „im Hochlastmonat Februar mit 40 Prozent noch genügend substanzielle Gasmengen in den Speichern vorhanden sind“. Zwischen dem 1.11.2022 und dem 1.2.2023 gebe es aber keine konkreten Vorgaben zum Gasverkauf pro Monat.

„So nutzen wir seitens Deutschlands bei LNG-Einkäufen [Flüssigerdgas-Einkäufen, Anm. d. Red.] aktuell – bis zum Aufbau eigener Infrastrukturen – die Anlandepunkte in Rotterdam oder Dünkirchen, über die LNG regelmäßig seit Monaten nach Deutschland kommt. Frankreich hat beispielsweise in den letzten Wochen erstmals Gas von Frankreich nach Deutschland geliefert. Und ebenso kann auch Gas aus den Speichern in Deutschland in den deutschen wie auch den europäischen Markt verkauft werden.“

Deutschland muss zuallererst selbst die Heizperiode überstehen!

Es ist allerdings fraglich, ob überhaupt ein Teil des gespeicherten Gases im Laufe des Winters verbleiben wird. In einem anderen Bericht haben wir bereits darüber informiert, dass die deutschen Gasvorräte zwar länger als (wie fälschlicherweise behauptet) nur bis Weihnachten ausreichen werden, da Deutschland auch über den Winter weiterhin Gas importieren wird. Nichtsdestotrotz ist dies aber unerlässlich, da das Gas laut aktuellen Schätzungen für ca. zweieinhalb Monate ausreichen wird, abhängig von den Temperaturen, den Importen und dem tatsächlichen Verbrauch, so wird es seitens Robert Habeck in einer Pressekonferenz am 12.10.2022 mitgeteilt.

Auch Ungrad ruft im Namen der Bundesregierung dazu auf, Gas zu sparen: „Wir müssen dringend sparen, zusammen mit den vielen anderen Maßnahmen, die wir getroffen haben, kann das helfen, im Winter eine Gasmangellage zu verhindern, die dann alle hier in Deutschland betreffen würde.“

Fazit
Die Behauptung stimmt zum Großteil. Deutschland kann überschüssiges Gas auf dem Markt verkaufen, wenn gesetzliche Speicherziele zum 1. November 2022 (95%) und zum 1. Februar 2023 (40%) eingehalten werden. Das Gas wird immer nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage verkauft; es ist daher auf dem Markt frei verfügbar, sowohl für deutsche als auch für ausländische Unternehmen.

Quelle

Correctiv

Autor: Nick L.

Unterstützen 🤍

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!

Mit Deiner Unterstützung via PayPal, Banküberweisung, Steady oder Patreon ermöglichst Du es uns, Falschmeldungen zu entlarven und klare Fakten zu präsentieren. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied. Vielen Dank für Deine Hilfe! ❤️

Mimikama-Webshop

Unser Ziel bei Mimikama ist einfach: Wir kämpfen mit Humor und Scharfsinn gegen Desinformation und Verschwörungstheorien.

Abonniere unseren WhatsApp-Kanal per Link- oder QR-Scan! Aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine aktuelle News-Übersicht sowie spannende Faktenchecks.

Link: Mimikamas WhatsApp-Kanal

Mimikama WhatsApp-Kanal

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Kämpfe mit uns für ein echtes, faktenbasiertes Internet! Besorgt über Falschmeldungen? Unterstütze Mimikama und hilf uns, Qualität und Vertrauen im digitalen Raum zu fördern. Dein Beitrag, egal in welcher Höhe, hilft uns, weiterhin für eine wahrheitsgetreue Online-Welt zu arbeiten. Unterstütze jetzt und mach einen echten Unterschied! Werde auch Du ein jetzt ein Botschafter von Mimikama

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.