Die Behauptung

Das Video vom Juni 2023 zeigt aktuelle Szenen von Migranten in Istanbul, die auf dem Weg nach Deutschland sind.

Unser Fazit

Falsch: Das Video ist bereits einige Jahre alt, aus dem Jahr 2020, und zeigt Migranten, die damals in Bussen von Istanbul zur EU-Grenze aufbrachen.

Wir leben in einer Zeit, in der Informationen leichter zugänglich sind als je zuvor. Doch mit der Macht der sozialen Medien kommt auch die Verantwortung, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Video, das sich in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitet hat. Es zeigt eine Menschenmenge, die sich in Istanbul vor Bussen drängt, mit der Bildunterschrift: „Neue Fachkräfte und Ärzte auf dem Weg nach Deutschland“. Doch ist das Video so aktuell, wie es behauptet? Und gibt es die Situation richtig wieder?

Es zeigt eine Menschenmenge, die sich in Istanbul vor Bussen drängt, mit der Bildunterschrift: "Neue Fachkräfte und Ärzte auf dem Weg nach Deutschland"
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Faktencheck: „Neue Fachkräfte und Ärzte auf dem Weg nach Deutschland“?

BehauptungenFaktencheck
Das Video zeigt aktuelle Szenen von Migranten in Istanbul, die auf dem Weg nach Deutschland sind.Das Video ist bereits einige Jahre alt, aus dem Jahr 2020, und zeigt Migranten, die damals in Bussen von Istanbul zur EU-Grenze aufbrachen.
Die Migranten sind „neue Fachkräfte und Ärzte“.Dies ist eine sarkastische und irreführende Aussage. Das Video zeigt eine Gruppe von Migranten, aber es gibt keine Beweise dafür, dass sie alle „Fachkräfte“ oder „Ärzte“ sind.
Die Migranten werden aufgenommen und nach Deutschland geschickt.Tatsächlich haben viele der Migranten, die in den Bussen zu sehen sind, versucht, die EU-Grenze zu überqueren, nachdem die Türkei angekündigt hatte, ihre Grenzen zu öffnen. Griechenland hat die Grenze jedoch nicht geöffnet und die Migranten sind nicht weitergekommen.
Das Video wurde kürzlich aufgenommen und veröffentlicht.Das Video wurde wahrlich schon am 28. Februar 2020 von dem türkischen Nachrichtenportal „En Son Haber“ auf Twitter veröffentlicht.
Die Situation, die im Video gezeigt wird, ist die aktuelle Norm.Die Situation im Video war das Ergebnis spezifischer politischer Ereignisse im Jahr 2020 und ist nicht repräsentativ für die aktuelle Situation der Migration in der Türkei oder in Richtung EU.

Die Enthüllung: Ein Video aus der Vergangenheit

Das Video, das derzeit so viel Aufmerksamkeit erregt, ist nicht neu. Es stammt aus dem Jahr 2020 und zeigt Migranten, die sich damals in Istanbul in Bussen auf den Weg zur EU-Grenze machten.

Die ursprüngliche Quelle

Das Video wurde ursprünglich am 28. Februar 2020 vom türkischen Nachrichtenportal „En Son Haber“ auf Twitter veröffentlicht. Es wurde auf einer großen mehrspurigen Straße in Istanbul aufgenommen, und die Gebäude im Hintergrund sind auf Google Street View leicht zu erkennen.

Der Kontext: Ein schwieriger Moment in der Geschichte

Ein ähnliches Video wurde am selben Tag vom türkischen Fernsehsender TRT auf YouTube geteilt. Beide Videos zeigen Migranten, die sich zu diesem Zeitpunkt in Bussen auf den Weg zur türkisch-griechischen Grenze machen.

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Die politische Landschaft

Im Februar 2020 kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an, sein Land werde die Grenze zu Griechenland öffnen und Flüchtlinge in die EU ausreisen lassen. Griechenland reagierte jedoch nicht wie von den Migranten erhofft und öffnete die Grenze nicht. Berichten zufolge setzte Griechenland Tränengas gegen die ankommenden Flüchtlinge ein und Tausende harrten in Grenzstädten wie Edirne aus.

Die Auswirkungen: Eine humanitäre Krise

Die Situation an der Grenze entwickelte sich zu einer humanitären Krise. Die Türkei schloss schließlich ihre Grenzen zur EU wieder und begründete dies mit der zu diesem Zeitpunkt beginnenden Corona-Pandemie.

Die Kritik: ein Bruch der Flüchtlingsvereinbarung?

Die Entscheidung der Türkei, die Grenze zu öffnen, wurde von Politikern aus EU-Ländern als Bruch des Flüchtlingsabkommens mit der EU kritisiert. Das Abkommen sieht seit 2016 vor, dass die Türkei Flüchtlinge aufnimmt, die in die EU weiterreisen wollen. Im Gegenzug zahlt die EU Milliarden an die Türkei. Umstritten ist jedoch, ob das Abkommen rechtlich bindend ist.

Fazit: Eine Lektion in Medienkompetenz
Dieser Vorfall unterstreicht die Notwendigkeit, Informationen, die in sozialen Medien geteilt werden, kritisch zu hinterfragen. In einer Zeit, in der Fehlinformationen schnell verbreitet werden können, ist es wichtig, die Fakten zu überprüfen und den Kontext zu verstehen, bevor man solche Geschichten weitergibt oder darauf reagiert. Sich für die Wahrheit einzusetzen und sich gegen Manipulation zu wappnen, ist unsere gemeinsame Verantwortung. In diesem Sinne ist das Video über Migranten in Istanbul ein anschauliches Beispiel dafür, wie leicht die Wahrheit im digitalen Zeitalter verzerrt werden kann. Es erinnert uns daran, dass wir alle eine Rolle bei der Gestaltung unserer Informationslandschaft spielen und dass die Wahrheit oft komplexer ist, als ein kurzer Videoclip vermuten lässt.

Quelle: DPA

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Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
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