Die Behauptung

Ukrainischen Müttern werden in Deutschland ihre Kinder entzogen

Unser Fazit

Falsch. Es gibt keine Belege dafür, dass Kinder aufgrund ihrer Herkunft oder der Herkunft ihrer Eltern weggenommen werden. Inobhutnahmen erfolgen unter strengen Voraussetzungen und sind eine Schutzmaßnahme für Kinder, nicht gegen Eltern.

Nach aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der vorläufigen Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen durch die Jugendämter im Jahr 2022 deutlich angestiegen: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Inobhutnahmen um rund 40 Prozent gestiegen. Einer der Hauptgründe ist die Einreise unbegleiteter Minderjähriger. Im Internet kursiert jedoch eine andere beunruhigende Nachricht: Es wird berichtet, dass mehrere Kinder von geflüchteten ukrainischen Frauen in Deutschland zwangsweise in Obhut genommen wurden. Diese Kinder würden durch einen „längeren Aufenthalt bei Pflegeeltern faktisch adoptiert“, heißt es zum Beispiel auf Facebook. Ist das wirklich möglich?

BehauptungenFaktencheck
Ukrainischen Müttern werden in Deutschland ihre Kinder entzogenFalsch. Es gibt keine Belege dafür, dass Kinder aufgrund ihrer Herkunft oder der Herkunft ihrer Eltern weggenommen werden. Inobhutnahmen erfolgen unter strengen Voraussetzungen und sind eine Schutzmaßnahme für Kinder, nicht gegen Eltern.
Kinder werden durch einen lang andauernden Aufenthalt bei Pflegeeltern „adoptiert“Falsch. Eine Inobhutnahme ist keine Adoption. Sie dient dem vorübergehenden Schutz des Kindes und nicht der dauerhaften Trennung von den Eltern.
Es gibt 80 Fälle von „Kindesentziehung“ durch Jugendämter in DeutschlandFalsch. Es gibt keine belastbaren Zahlen zu solchen Fällen. Die Nationalität der Kinder wird bei Inobhutnahmen nicht erfasst, was eine genaue Zählung solcher Fälle unmöglich macht.
Adoptionen werden herbeigeführt, obwohl das bei Kindern aus Kriegsgebieten verboten istFalsch. Nach dem Haager Adoptionsübereinkommen sind Adoptionen von Kindern aus Kriegsgebieten in Deutschland nicht möglich.
Ukrainerinnen und Ukrainer haben in Deutschland keine LobbyFalsch. Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote für Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland, darunter auch Beratungsstellen und Hilfsorganisationen.

Gerüchte und Fakten

Die Behauptung: In Deutschland seien den ukrainischen Müttern ihre Kinder entzogen worden und diese Kinder würden faktisch durch einen lang andauernden Aufenthalt bei Pflegeeltern „adoptiert“. Diese Behauptung wird untermauert durch einen Blogartikel des russischen Mediums «RT», der von mindestens 80 Fällen von «Kindesentziehung» berichtet.

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Screenshot: Facebook

Doch was ist dran an dieser Geschichte, die mittlerweile über Social-Media-Plattformen verbreitet wird und für Aufregung sorgt? Die Antwort ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint: Es ist nicht so, wie es scheint.

Bekannte Fälle von Inobhutnahmen ukrainischer Kinder

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es zwar einzelne Fälle von Inobhutnahmen ukrainischer Kinder in Deutschland gibt, diese aber eher die Ausnahme darstellen und vor allem mit der besonderen Situation der Familien und nicht mit deren Herkunft zusammenhängen. Ein Sprecher des LWL-Landesjugendamtes Westfalen bestätigte gegenüber dpa, dass die Nationalität bei Inobhutnahmen keine Rolle spiele und auch nicht statistisch erfasst werde.

Maßnahmen zum Schutz von jungen Menschen

Eine Inobhutnahme wird nicht leichtfertig vorgenommen. Sie erfolgt unter strengen Voraussetzungen und stellt in erster Linie eine Schutzmaßnahme für die betroffenen Kinder dar. In den meisten Fällen geht es darum, Kindern und Jugendlichen, die selbst darum bitten, die unbegleitet aus dem Ausland nach Deutschland kommen oder bei denen eine dringende Gefahr für ihr Wohl besteht, vorübergehend ein sicheres Umfeld zu schaffen. Es handelt sich also nicht um einen willkürlichen oder vorsätzlichen Akt des Staates, sondern um eine Reaktion auf eine akute Gefahr oder ein dringendes Problem.

Adoption ukrainischer Kinder zur Zeit nicht möglich

Hervorzuheben ist auch, dass eine Inobhutnahme nicht automatisch eine Adoption bedeutet. Nach dem Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ) sind Adoptionen von Kindern aus Kriegsgebieten in Deutschland nicht möglich. Zuvor müssen immer die familiären Verhältnisse geklärt und das Kindeswohl gewährleistet sein.

Kinder und Jugendliche aus Kriegs- und Krisengebieten sind in der Regel traumatisiert und bedürfen besonderer Fürsorge und Unterstützung. Dass der Staat eingreift und gegebenenfalls eine Inobhutnahme veranlasst, liegt daher nicht zuletzt im Interesse der Kinder selbst. Wichtig ist aber auch die sorgfältige Prüfung dieser Fälle und die Wahrung der Rechte der Kinder und ihrer Familien.

Fazit: Die Gerüchte über Inobhutnahmen ukrainischer Kinder in Deutschland haben also wenig mit der Realität zu tun. Es handelt sich um Einzelfälle, die auf besondere Umstände und nicht auf eine systematische staatliche Praxis zurückzuführen sind. Auch wenn die Inobhutnahme eine ernste Angelegenheit ist und nicht leichtfertig vorgenommen wird, ist es ebenso wichtig, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen immer im Vordergrund steht.

Quelle: DPA

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