Ukrainische Panzerfahrer: Gefälschter Screenshot von Financial Times

Ukrainische Soldaten wurden in Deutschland an Leopard-Panzern geschult. Ein gefälschter Screenshot behauptet, zwei hätten um Asyl angesucht.

Autor: Walter Feichtinger

Die Behauptung

Die Financial Times soll am 2. Februar über die ukrainischen Soldaten, die an Leopard-Panzern ausgebildet werden, geschrieben haben:
„Zwei Personen aus dem Kreis der zur Ausbildung eingetroffenen Ukrainer beantragten politisches Asyl in Deutschland, da sie nicht bereit sind, in einem sinnlosen Krieg zu sterben.“

Unser Fazit

Dieser Absatz stammt aus einem gefälschten Screenshot, der von russischen Propaganda-Medien verbreitet wurde. Im Originaltext der Financial Times steht kein Wort von einem Asylantrag der ukrainischen Panzerfahrer. Deutsche Behörden wissen auch nichts von einem solchen Antrag.

Fakenews auf Social Media: Zwei der ukrainischen Soldaten, die an den Leopard-Panzern ausgebildet wurden, sollen in Deutschland um Asyl angesucht haben. Der Screenshot dazu: gefälscht.

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Der gefälschte Screenshot

Die ukrainischen Streitkräfte werden in Deutschland für den Umgang mit Leopard-Kampfpanzern geschult. Allerdings kursiert ein gefälschter Bericht über angebliche Asylanträge zweier ukrainischer Soldaten im Netz. Der Screenshot eines Artikels der „Financial Times“ wurde manipuliert und der zweite Absatz über die Asylanträge wurde erfunden. Die Zeitung bestätigte dies auf Anfrage der dpa:

Der im Netz kursierende Screenshot ist gefälscht. „Die FT ist international für ihre Integrität und Genauigkeit anerkannt und wir verurteilen die Verbreitung von Desinformationen“, teilte sie mit. Die Zeitung habe den Artikel daher mittlerweile für jeden User frei lesbar gemacht, „um sicherzustellen, dass Menschen überall Zugang zur Wahrheit haben“. Den angeblichen Absatz aus dem Screenshot hat es also auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nie gegeben.

Die dpa fasst ihre Kommunikation mit der Financial Times zusammen

Der gefälschte zweiten Absatz lautet: „Zwei Personen aus dem Kreis der zur Ausbildung eingetroffenen Ukrainer beantragten politisches Asyl in Deutschland, da sie nicht bereit sind, in einem sinnlosen Krieg zu sterben. Sie argumentieren, dass eine Erhöhung der Waffenlieferungen an die Ukraine in keiner Weise zum Sieg der ukrainischen Streitkräfte beitragen wird.“

Im Originalartikel liest sich der Absatz wie folgt: „Zwei Personen, die mit den Vorbereitungen vertraut sind, sagten, alles sei bereit, um mit der Ausbildung des ukrainischen Militärs für den Einsatz der modernen Kampfpanzer zu beginnen, nachdem mehrere europäische Nationen letzte Woche zugesagt hatten, sie nach monatelangen Überlegungen und ukrainischem Druck nach Kiew zu schicken.“

Zum Vergleich:

Woher stammt die Fälschung?

Die Faktenchecker von Ukrinform gehen davon aus, dass der gefälschte Screenshot von russischen Desinformationskanälen ausging. Kremlnahe Medien und prorussische Telegramkanäle schreiben darüber, dass zwei „ukrainische Panzersoldaten, die zur Ausbildung an Leopard-2-Panzern nach Deutschland gekommen sind, angeblich aus dem Ausbildungszentrum geflohen sind und in Deutschland „politisches Asyl“ beantragt haben“. Als Beweis dient diesen Quellen lediglich der gefälschte Screenshot des Financial-Times-Artikels, einen Link bleiben sie schuldig:

Auf dem Truppenübungsplatz Eckernförde in Deutschland, wo das ukrainische Militär mit der Ausbildung zum Fahren und Bedienen von Leopard-2-Panzern begonnen hat, kam es zu einem außergewöhnlichen Ereignis. Zwei Angehörige der ukrainischen Streitkräfte haben den Übungsplatz verlassen und bei den deutschen Behörden politisches Asyl beantragt. Dies berichtet die Financial Times.

Falschinformation auf tsargrad.tv

Die Lieferung der deutschen Leopard-Panzer und die Ausbildung ukrainischer Panzerfahrer hat sich für die russische Propaganda als besonderer Fokus herausgestellt. Ukrinform, Mimikama [1, 2, 3] und weitere Faktenchecker haben in Vergangenheit bereits mehrere Fakes und Falschbehauptungen aufgedeckt.

Hintergrund: Europäische Ausbildungsmission EUMAM UA

Wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am 13. Februar in Berlin mitteilte, hat die Bundeswehr mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten am Kampfpanzer Leopard 2 begonnen. Die Ausbildung werde vor allem an der Panzertruppenschule im niedersächsischen Muster stattfinden. Sie soll bis Ende des Quartals abgeschlossen sein, zeitgleich mit der Übergabe der 14 Leopard-Panzer an die Ukraine.

Die Panzerausbildung erfolgt im Rahmen der europäischen Ausbildungsmission EUMAM UA (European Union Military Assistance Mission). Diese „unterstützt die ukrainischen Streitkräfte bei der Verteidigung ihres Landes gegen Russland durch die Vermittlung von kriegswichtigen Kenntnissen und Fähigkeiten“. Die Ausbildung findet an zwei Standorten statt: in Deutschland und in Polen. In Deutschland findet die Spezialausbildung statt, hier werden Soldaten zu „Panzerbesatzungen, Instandsetzungssoldaten oder Pionieren“ ausgebildet.

Im Rahmen des Programms will die EU in den Jahren 2023 und 24 insgesamt 30.000 ukrainische Soldaten ausbilden. Derzeit liegt der Schwerpunkt der deutschen Ausbildung auf dem Kampfpanzer Leopard und dem Schützenpanzer Marder sowie auf Sanitätern und Pionieren für die Minenräumung. Wie tagesschau.de letzte Woche gemeldet hat, ist das Training der Leopard-Panzerfahrer inzwischen abgeschlossen. Eine Verlegung an die Front stehe kurz bevor.

Kein Screenshot sondern ein Foto vom Leopard-Panzer, 2015
Leopard 2 in Munster, 2015. Foto: Boevaya mashina

BAMF & BMI: kein Asyl notwendig, kein Antrag gestellt

Ukrainische Staatsbürger, die vor dem russischen Angriffskrieg in ihrer Heimat fliehen, müssen aktuell in Deutschland keinen Asylantrag stellen. Sie erhalten vorübergehenden Schutz auch ohne einen Aufenthaltstitel. Hintergrund für diese Möglichkeit ist Paragraf 24 im Aufenthaltsgesetz und auf europäischer Ebene Richtlinie 2001/55/EG.

Kann ich legal in Deutschland einreisen und mich dort rechtmäßig aufhalten?
Ausländer benötigen für die Einreise und einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland normalerweise einen Aufenthaltstitel – beispielsweise ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis. Wegen der besonderen Situation in der Ukraine wurde hierzu eine Ausnahmeregelung geschaffen: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind im Bundesgebiet vorübergehend vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Diese Ausnahme gilt nach derzeitigem Stand für erstmalige Einreisen bis zum 31. Mai 2023 für einen Zeitraum von 90 Tagen und ermöglicht damit längstens einen Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel bis zum 29. August 2023. […]

Sollen ukrainische Staatsangehörige Asyl beantragen?
Nein, das ist nicht nötig. Der erforderliche Schutz wird in einem anderen schnelleren Verfahren gewährt. Ukrainischen Staatsangehörigen wird deshalb empfohlen, von der Stellung eines Asylantrages abzusehen. Das Recht, zu einem späteren Zeitpunkt einen Asylantrag zu stellen, besteht jedoch unabhängig davon fort. […]

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine (abgerufen am 24.3.2023)

Es gibt aktuell keinen Hinweis, dass zwei Soldaten aus der Ukraine während ihrer Ausbildung am Leopard-Panzer um Asyl angesucht hätten. Dem Bundesministerium des Innern und für Heimat liegen mit 21.3.2023 keine Informationen zu gestellten Anträgen vor, wie die dpa einen Sprecher des Ministeriums zitiert.

Der Screenshot, der beweisen soll, dass zwei ukrainische Panzerfahrer in Deutschland um Asyl angesucht haben, ist eine Fälschung, die von russischen Propaganda-Medien verbreitet wurde. Im Originaltext der Financial Times steht kein Wort von einem Asylantrag der beiden Soldaten. Deutsche Behörden wissen auch nichts von einem solchen Antrag.

Bewertung: FALSCH

Quellen: Financial Times, BAMF, BIM, Bundeswehr, gesetze-im-internet.de, EUR-Lex, Ukrinform, dpa, tagesschau.de, tsargrad.tv

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