„Lügenpresse WDR!“ Warum ein Vorwurf funktionierte.

Autor: Andre Wolf

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Symbolbild Lügenpresse; Artikelbild von wellphoto / Shutterstock.com
Symbolbild Lügenpresse; Artikelbild von wellphoto / Shutterstock.com

Am letzten Wochenende wurde dem WDR vorgeworfen, in Form einer Lügenpresse eine Situation mit Reichskriegsflaggen auf einer Demonstration inszeniert zu haben (wir haben berichtet).

Dieser Vorwurf, der durch und durch ein Fake ist, hat jedoch funktioniert und wird auch weiterhin, trotz gegenteiliger Beweise, geglaubt und dm WDR angeheftet. Das liegt an dem bedeutungsrahmen und der dahinter steckenden sinnstiftenden Erzähling einer „Lügenpresse“ die über viele Jahre geprägt wurde und auch weiterhin wird.

Die Lügenpresse. Ein Begriff, der ganz klar einen negativen Bedeutungsrahmen definiert, bei dessen Nutzung direkt ein Bild einer böswilligen und manipulierenden Presse aufgebaut wird, die sich gegen „das Volk“ richten würde und dem Staat unterstellt ist. Wir haben es hier mit einem Begriff zu tun, der gar nicht so einfach zu behandeln ist, da die vermeintliche Lügenpresse (auch Systemmedien genannt) ein vielschichtiges Phänomen ist.

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Der Begriff selbst hat bereits eine lange Geschichte und ist ein politischer Kampfbegriff, der entweder die Medien eines Feindes oder andersdenkende Medien beschreibt. In der Onlineausgabe des Dudens wird der Begriff folgendermaßen definiert:

[im 19. Jahrhundert entstandenes] Schlagwort für Medien, besonders Zeitungen und Zeitschriften, denen unterstellt wird, unter politischem, ideologischem oder wirtschaftlichem Einfluss zu stehen, Informationen zu verschweigen oder zu verfälschen und so die öffentliche Meinung zu manipulieren

Sowohl in der Zeit vor und während des ersten Weltkriegs, aber auch in der Zeit des Nationalsozialismus war der Begriff Lügenpresse primär der Presse anderer Staaten gewidmet. Es war die „Feindpresse“, die Propaganda verbreitete. Die Darstellung der Deutschen in ausländischen Medien wurde mit dem Begriff Lügenpresse abgetan. Ebenso Meldungen über den Verlauf des Krieges, die der deutschen Propaganda nicht entsprachen, bekamen schnell den Stempel Lügenpresse aufgedrückt.

Die Geschichte des Narrativs „Lügenpresse“

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Begriff Lügenpresse eher in der DDR genutzt. Damit waren erneut die Medien aus dem Ausland gemeint, in diesem Falle die Medien aus dem Westen. Man erkennt also recht deutlich, dass die Titulierung einer freien Presse als Lügenpresse schnell ein Angriff auf die Demokratie sein kann und eher aus autoritärer oder gar totalitärer Sichtweise genutzt wird.

Seit mehreren Jahren hat sich der Begriff Lügenpresse erneut zum Kampfbegriff geformt. Mittlerweile handelt es sich jedoch nicht mehr um eine Diskreditierung ausländischer Medien, sondern nun sind inländische Medien betroffen. Der Unterschied liegt in der Ausgangsbasis: Ging es vorher immer darum, bestehende Systeme zu schützen (Drittes Reich, DDR), wird bei der aktuellen Verwendung darauf gezielt, das bestehende System zu stürzen.

Als Lügen- und Systempresse wrden unabhängige Medien innerhalb eines demokratischen Staates bezeichnet, die keine radikalen oder extremen Tendenzen aufweisen. Dahinter steckt natürlich eine Strategie!

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Unabhängige Medien gelten in westlichen Demokratien als die sogenannte vierte Gewalt. Also eine Art kontrollierende Gewalt nach der Legislative, Exekutive und der Judikative. Der unabhängige Journalismus hält ein Auge auf die anderen drei Gewalten und informiert die Menschen eines Staates, wenn diese drei Gewalten ihre Aufgabe missbrauchen oder die Gefahr besteht, dass das demokratische System in Gefahr ist.

Und genau hier setzt die Strategie an, die eine unabhängige Presse zu einer Lügenpresse deklariert. Das Ziel liegt darin, die unabhängige Presse auf Dauer auszuschalten, indem man sie unglaubwürdig macht. Gleichzeitig soll ein eigenes Mediensystem etabliert werden, das natürlich selektiv und tendenziös berichterstattet und die Kontrollfunktion nicht mehr wahrnimmt.

„Alternative Medien“

Die AfD Bayern empfiehlt sogar sehr deutlich, sich auf Alternativmedien zu beziehen, da man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vertraut. Auf der Webseite der AfD Bayern liest man:

Meldungen (vor allem) aus alternativen Medien
Durch Staatsfernsehen und Lückenpresse bekommt der Bürger oftmals ein eher einseitiges Bild vermittelt. Uns ist es deshalb ein Anliegen, der anderen Seite, nämlich den alternativen Medien (Quellenverzeichnis), ein Forum auf unserer Homepage zu geben.
Unterstützen Sie diese Initiative und binden auch Sie die Alternativnews in Ihre Website ein.
Quelle: AfD bayern

Dieser kurze Text zeigt schon recht deutlich, mit welchen Begriffen hier geframed wird und welche Narrative hier zugrunde liegen. Und dass sich auf dieser Liste, die ebenso auch auf anderen Webseiten der AfD angepriesen wird, teilweise rechtsextreme Blogs befinden, die weder Anforderungen an faktische Darstellungen, noch überhaupt an irgendeine Form von Pressekodex haben, stört an dieser Stelle nicht. Hier geht es um die Etablierung eines gesinnungskonformen Netzwerkes, dass dann durchaus selbst den Begriff einer Lügenpresse erfüllen würde.

Das hätte gleich mehrere Effekte, die sich speziell totalitäre Systeme wünschen: Einerseits können in diesen Systemen Gewalten zusammengelegt werden, ohne dass die öffentliche Aufmerksamkeit durch unabhängige Medien darauf gerichtet wird, andererseits kann das etablierte alternative Medienmodell natürlich fröhlich Propaganda betreiben, ohne dass das undemokratische System hinterfragt wird. Message Control deluxe sozusagen.

Das so eine Aushöhlung der freien Presse in Europa, ja sogar innerhalb der EU möglich ist und welche Gefahren für die Demokratie darin zu sehen ist, zeigt ein Blick auf Ungarn. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen wurde seit 2010, also seitdem Orban und seine Fidesz-Partei an der Regierung sind, schrittweise die Medien des Landes beschnitten und unter Kontrolle gebracht. Kritische Stimmen sind kaum mehr möglich, kritische Medien wurden geschlossen. Zudem wurden Journalistinnen und Journalisten, die sich regierungskritisch äußern, auf eine Liste gesetzt.

Erschreckend ist jedoch, dass dieser Trend nicht auf ein einzelnes Land beschränkt ist, sondern ein in den letzten Jahren bis nicht zuletztbis heute ein weltweit voranschreitender Trend ist. Es ist diese Mischung aus Diffamierung, Fakenews, Mythen und angedrohter Verfolgung, welche den unabhängigen Journalismus in die Knie zwingen kann.

Genau das haben wir am letzten Wochenende beobachten können. Die sinnstiftende Erzählung einer Lügenpresse wurde dem WDR übergestülpt. Es spielte dabei keine Rolle, ob die Personen den WDR zugehören. Kaum jemand hat auch diese Geschichte hinterfragt, denn sie klang schlichtweg plausibel und passte in den entsprechenden Bedeutungsrahmen.

Symbolbild Lügenpresse; Artikelbild von wellphoto / Shutterstock.com
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