Und die schwache Berichterstattung, die der Boulevardjournalismus liefert.
Seit wenigen Tagen überschlagen sich die Boulevardmeldungen: Giulia Siegel wird erpresst. Unbekannte Hacker hätten angeblich Aufnahmen von ihr gemacht, während sie bestimmte Seiten anschaut und „dirty things“ macht. Das wurde ihr in einer Erpressermail mitgeteilt. Angeblich hätten zudem unbekannte Hacker ihren Account übernommen und sie ausgespäht.
Man liest beispielsweise auf VIP.de:
Es sollte ein erholsamer Urlaub werden – doch für Giulia Siegel (43) wurde er zum Albtraum. Das Model erhielt nämlich urplötzlich eine Erpressermail mit der Aufforderung, 2250 Dollar zu zahlen. Angeblich, weil die Betrüger schmutzige Videos von ihr hätten.
Schaut man sich doch diese Erpressermail genauer an, die in den Medien gezeigt wird, dann erkennt man, dass diese gesamte Geschichte völlig unsinnig ist und lediglich eine aktuelle Betrugsmethode ist, die wahllos vielen tausend Menschen widerfährt.
Worum es geht
In den Medien zeigt Frau Siegel eine ausgedruckte Version dieser E-Mail. Auf diesem Ausdruck ist sehr deutlich erkennbar, um was für eine Art von Mail es sich handelt. Aus dem Beitrag auf VIP.de kann man entnehmen:
Bei dieser ausgedruckten Erpressermail handelt es sich natürlich nicht um einen persönlichen Erpressungsversuch gegenüber Frau Siegel, sondern um eine Spam Mail, die bereits seit Wochen versendet wird. Diese Art der Spam-Mail liegt uns natürlich auch vor. Wir haben bereits mehrfach vor dieser Spam-Mail gewarnt, die sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch versendet wird. Übrigens nicht nur wir haben vor dieser Spam-Mail gewarnt, sondern auch schon die Polizei.
So berichtete beispielsweise die Polizei Niedersachsen, wie dieser Betrug abläuft. Wahllos werden verschiedene Personen per Mail (persönlich und unpersönlich) angeschrieben. Angeblich habe man einen Videomitschnitt gemacht, bei dem die angeschriebene Person während des Konsumes von Porno-Videos im Internet zu sehen sei. Denn zuvor habe die Person auf ein Video geklickt und zeitgleich eine Software ausgeführt, die dieses ermöglichen soll. Sollte die angeschriebene Person der Zahlungsaufforderung nicht binnen 48 Stunden nachkommen, so werde man das brisante Filmmaterial im Internet u.a. mit den Kontakten der Person auf diversen Pornoseiten verbreiten.
Ein Beweis für die Existenz der Aufnahmen wird nicht mitgeliefert. Uns liegen mehrere verschiedene Varianten des Textes vor.
Was steckt dahinter?
Durch die Erfindung von angeblichen Selbstbefriedigungsaufnahmen versuchen Betrüger ihre Opfer zu einer Zahlung von Geldbeträgen in Bitcoin zu bewegen. Durch die Nennung eines Passwortes der Empfänger, stellen die Betrüger sich als kompetente Hacker dar, um weiter zu verunsichern. Die Aufnahmen, von denen gesprochen wird, existieren aber nicht, weshalb derartige Nachrichten einfach in den Spam-Ordner verschoben werden können. Das kann dabei helfen, dass ähnliche Mails zukünftig direkt im Spam-Ordner landen.
Auch die Polizei Osthessen veröffentlichte jüngst, dass in diesen E-Mails den Empfängern mitgeteilt wird, dass ihr Computer gehackt wurde. Zudem sei eine Schadsoftware aufgespielt worden, die den Zugriff auf die WEB-Cam des betroffenen PCs ermöglicht. Der Zugriff sei deswegen möglich gewesen, da der Internetnutzer angeblich Web-Seiten mit erotischen Inhalten aufgerufen habe.
Bei dem Besuch solcher Internetseiten sei der Nutzer gefilmt worden. Der Erpresser droht damit, den Inhalt des Films zu veröffentlichen, wenn nicht ein geforderter Geldbetrag gezahlt werde. Das Geld soll in der Internetwährung „Bitcoin“ überwiesen werden. Bisher liegen zu dieser Betrugsmasche keine Erkenntnisse vor, dass Computer gehackt oder eine Schadsoftware aufgespielt wurde. Auch über die Existenz von angeblich gefertigten Videos ist den Ermittlern derzeit nichts bekannt. Die Polizei rät: Wenn Sie eine solche E-Mail erhalten, gehen Sie bitte nicht auf die Forderungen ein. Bitte löschen Sie sofort solche E-Mails.
Woher kennen die Kriminellen Frau Siegels Passwort?
Frau Siegel wundert sich, warum die Kriminellen ihr Passwort kennen. In den Boulevardmedien wird hierzu eine Geschichte verknüpft, sie wäre gehackt worden, weil sie sich in einem öffentlichen Hotelnetzwerk angemeldet habe. Klar, öffentliche Netzwerke stellen immer eine Gefahr dar, doch in dem Falle der Spam-Erpressungen liegt der Grund häufig woanders. Unser Kooperationspartner Watchlist Internet beschreibt dazu, dass durch Hacks von unverschlüsselten Datenbanken immer wieder Listen von Passwörtern ins Netz gelangen und dort frei zugänglich gemacht oder verkauft werden. Sollte man das gleiche Passwort an mehreren Stellen verwenden, ist es schwer möglich zu bestimmen, von wo aus das Passwort ins Internet gelangt ist.
Was kann ich tun um mich zu schützen?
- Verschieben Sie die Mail In Ihren Spam-Ordner und ignorieren Sie ähnliche Nachrichten.
- Erneuern Sie Ihr Passwort, um unberechtigte Zugriffe auf persönliche Konten zu vermeiden.
- Aktualisieren Sie Ihre Passwörter laufend. So minimieren Sie die Chancen, Schäden durch diverse Datenbank-Hacks davonzutragen.
- Halten Sie Ihre Software auf aktuellem Stand und installieren Sie laufend Updates. So vermeiden Sie am effektivsten Sicherheitslücken, die Ihr System oder Ihre Webcam angreifbar machen.
- Überkleben Sie Ihre Webcam bei Nichtnutzung.
Ignorieren Sie E-Mails, die Sie wegen erfundener Masturbationsvideos zu einer Zahlung auffordern. Das Video existiert nicht und daher gibt es nichts zu befürchten.
Bärendienst
Wenig Recherche, viel Drama. Eine schwache Leistung des Boulevardjournalismus. RTL bringt es im TV, Vox bringt es im TV, die Abendzeitung berichtet drüber, Tag24 berichtet darüber, VIP.de berichtet darüber und noch einige andere Boulevardseiten, aber niemand hat bemerkt, dass es sich um diese typische Spam-E-Mail handelt, über die die Polizei und Seiten wie wir seit Wochen schon berichten.
Siehe auch: Pressemeldung Polizei