Russland will Wikipedia-Informationen über den Krieg löschen

Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor droht Wikipedia mit einer Geldstrafe von bis zu 4 Millionen Rubel (ca. 45.000 Euro), wenn sie Informationen über die russische Invasion in der Ukraine, die von der Darstellung des Kremls abweichen, nicht lösche.

Autor: Nicole Mühl

Russisches Wikipedia unter Druck: "Kein Krieg, keine Opfer"
Russisches Wikipedia unter Druck: "Kein Krieg, keine Opfer"

Roskomnadzor, die Bundesbehörde in Russland (Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Informationstechnologie und Massenkommunikation), fordert die Online Enzyklopädie Wikipedia auf, alle Informationen über die Invasion zu löschen, die die Russen „falsch informieren.“ Wie bekannt, bezeichnet Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine als „spezielle Operation zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“. 

Laut Zensurgesetzen ist es in Russland ein Verbrechen, die russische Invasion in der Ukraine als „Krieg“ oder „Invasion“ zu bezeichnen oder Informationen bereitzustellen, die das russische Militär „diskreditieren“ könnten. Per Telegram teile die russische Wikipedia-Gemeinde mit, dass sich Roskomnadzor daran störe, dass bei Wikipedia von „zahlreichen Opfern unter dem Militär der Russischen Föderation sowie der Zivilbevölkerung der Ukraine, einschließlich Kindern“ die Rede war, „was nicht mit den vom Verteidigungsministerium der Russischen Föderation veröffentlichten offiziellen Daten“ übereinstimme. (Quelle)

Wochenlanger Druck

Die russische Regierung hatte bereits Anfang März die Wikimedia Foundation zur Zensur der Wikipedia-Artikel über den Ukraine-Krieg aufgefordert. So sollten Informationen über zivile Tote oder auch Verluste beim russischen Militär gestrichen werden. Zudem stört man sich generell an der Verwendung des Begriffs Krieg für den Angriff Russlands auf die Ukraine. Wie der Standard berichtete, wollte Russland die betreffenden Seiten blockieren, sollten sie nicht entfernt und die russische Darstellung übernommen werden.
Wikimedia reagierte darauf, wie es im Artikel heißt:

Die Wikipedia sei eine wichtige Quelle für zuverlässige, faktisch richtige Informationen, gerade in Krisensituationen. Insofern könne man solchen Einschüchterungsversuchen auf keinen Fall nachgeben.

Standard.at

Mitte März war bekannt geworden, dass der Wikipedia-Autor Mark Bernstein in Belarus verhaftet worden war. Ihm wurde vorgeworfen, „falsche anti-russische Informationen zu verteilen“. Autor*innen, die für die russische Wikipedia schreiben, wurden dazu aufgerufen, nicht mehr ihre Nutzer*innen-Accounts zu verwenden, wenn sie Artikel editieren, sondern die Edits nur noch anonymisiert vorzunehmen. Bereits damals hatte Roskomnadzor gedroht, die russische Wikipedia gänzlich zu sperren. 

Wikimedia verstärkte auch damals den Standpunkt:

„Wenn man Menschen verlässliche Informationen in Zeiten einer Krise vorenthält, kann das Konsequenzen haben, die das eigene Leben betreffen. Die Freiwilligen, die die russische Wikipedia betreuen, verteidigen das Recht, ihre Arbeit fortzusetzen und die Bevölkerung mit verlässlichen Informationen zur Invasion von Russland in der Ukraine zu versorgen“

futurezone

Kein unbegrenztes Datenvolumen

Mit der Nachrichtenversorgung könnte es in Russland außerdem nun noch schwieriger werden. Vom zuständigen Ministerium heißt es, dass es notwendig sei, eine gleichmäßige Belastung der Infrastruktur sicherzustellen. „Angesichts des Mangels an Ausrüstung im Rahmen der Sanktionen könnten die Betreiber objektive Schwierigkeiten haben, das Tempo der Netzwerkentwicklung aufrechtzuerhalten.“ Daher soll es laut Vorschlag der Behörde keine Verträge mehr mit unbegrenztem Datenvolumen geben. Einige von der Nachrichtenagentur TASS befragten Netzbetreiber bestätigten diese Bedenken angesichts ausbleibender Ersatzteile. (Quelle)

Auch wegen YouTube-Videos drohen Strafen

Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes berichtet, dass die russische Medienaufsicht Roskomnadzor auch Google mit Bußgeldern von bis zu 8 Millionen Rubel (rd. 90.000 Euro) und im Wiederholungsfall mit 20 % seines Jahresumsatzes in Russland drohte, weil bestimmte YouTube-Videos nicht gelöscht wurden. Nach Auffassung der russischen Regierung „diskreditieren“ diese Videos die russische Armee. Außerdem heißt es, YouTube beherberge „extremistische“ Inhalte, die „zu gewalttätigen Aktionen gegen russische Soldaten“ aufriefen. (Quelle) (Quelle).
YouTube ist die letzte große amerikanische Social-Media-Plattform, die ihren Dienst in Russland aufrechterhält, nachdem die russische Regierung den Zugang zu Facebook, Instagram und Twitter nach Beginn der Invasion in der Ukraine blockiert hatte.

Laut Forbes-Bericht wird auch die russische Zeitung Novaya Gazeta nach mehreren Warnungen von Roskomnadzor geschlossen. Sie gilt als eines der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien in Russland. 

Forbes, BR.de, futurezone.at, t3n.de, Standard.at

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