Deutschland: Beschwerden zu sozialen Netzwerken sprunghaft angestiegen

In Deutschland häufen sich die diesjährigen Beschwerden über soziale Netzwerke auf Grundlagen des NetzDG. Das Bundesamt fokussiert sich nach der Übernahme durch Musk vor allem auf Twitter.

Autor: Nick L.

Laut aktuellen Daten des Bundesamtes für Justiz (BfJ) sind die Beschwerden zu rechtswidrigen Inhalten in sozialen Netzwerken in diesem Jahr sprunghaft angestiegen. Mit Stand 12. Dezember 2022 waren dieses Jahr bereits 1513 Beschwerden beim Amt eingegangen.

Gerade im dritten Quartal: Vielzahl an Beschwerden

„Hierbei handelt es sich um die seit dem Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) am 1. Oktober 2017 höchste Anzahl an beim BfJ eingegangenen Meldungen.“

Die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, Tabea Rößner (Grüne), wertet die Zahlen positiv: „Das NetzDG funktioniert und wird angewandt, auch wenn die erhöhten Zahlen auf den ersten Blick unerfreulich erscheinen“.

Im Vergleich zum letzten Jahr haben sich die Beschwerden nämlich fast verfünffacht. 2021 gingen nur 319 Beschwerden zu den rechtswidrigen Inhalten ein.

Die erhöhte Zahl an Beschwerden ab dem dritten Quartal 2022 werden insbesondere darauf zurückgeführt, dass in den sozialen Netzwerken auf reichweitenstarken Accounts immer mehr über das neue Meldeverfahren informiert und explizit darauf hingewiesen wurde, dass sich auch Einzelpersonen mit Beschwerden an das BfJ wenden können.

Regelungen des NetzDG

Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz müssen die Anbieter des sozialen Netzwerks die gemeldeten Inhalte, also z.B. rassistische, beleidigende oder volksverhetzende Beiträge, innerhalb sehr kurzer Zeit löschen. Außerdem können sich NutzerInnen an das BfJ wenden, wenn sie dem Anbieter einen Inhalt als „Hassrede im Netz“ melden, den Umgang mit der Meldung aber nicht als ordnungsgemäß empfinden.

Auch bei Twitter müssen die Vorgaben eingehalten werden

Im Vergleich zum BfJ gehen bei den Netzwerken selbst eine Vielzahl an Beschwerden mehr ein. Die Bundesregierung schätzt auf ca. 400.000 jährliche Beschwerden pro großem Anbieter.

Beim Unternehmen Twitter, welches Ende Oktober vom Unternehmer und Milliardär Elon Musk übernommen wurde, ist ebenfalls ein „erhöhtes Meldeaufkommen“ zu verzeichnen.

Nach Einschätzung der Behörde sei das im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass „wenige Einzelpersonen zahlreiche Einzelbeschwerden“ eingelegt hätten. Auch wenn es keine weiterführenden Informationen gab, wie z.B. genaue Meldezahlen, versichert die Behörde: „Das BfJ überwacht die möglichen Auswirkungen der aktuellen Unternehmensentwicklung bei Twitter auf das dortige Beschwerdemanagement.“ Dazu stehe das Amt auch in Zukunft weiter mit Twitter in Kontakt.

Die Vorgaben des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes gelten allerdings unabhängig davon „wer Eigentümer ist und wie das Unternehmen intern organisiert ist“. Das heißt, dass auch wenn sich derzeit auf Twitter einiges ändert, das Unternehmen weiterhin ein nutzerfreundliches Beschwerdeverfahren garantieren und einen wirksamen Umgang mit Beschwerden sicherstellen muss.

Genau genommen heißt das z.B., dass die Plattformen offensichtlich rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden löschen oder sperren müssen. Über andere Meldungen wird innerhalb einer Woche entschieden.

Lage bei Twitter bietet allerdings „Anlass zu großer Sorge“

Der SPD Digitalpolitiker Jens Zimmermann äußerte allerdings Zweifel, ob die Gesetze bei Twitter noch eingehalten werden können. „Die Lage bei Twitter gibt Anlass zu großer Sorge“, erklärte Zimmermann gegenüber dem Handelsblatt. Besonders problematisch seien dabei die Vielzahl an Kündigungen seitens Musk und damit die fehlenden Mitarbeiter, welche für den sensiblen Umgang mit illegalen Inhalten sorgen müssten.

Aufgrund der organisatorisch dünnen Strukturen sei Twitter in Europa und Deutschland kaum noch existent. „Ich sehe Twitter hier auf große Probleme in Europa zusteuern“, so Zimmermann.

Auch die Grünen-Politikerin Rößner sprach von „besorgniserregenden Entwicklungen“ bei Twitter, die man aufmerksam zu beobachten hat.

Neue Regeln lösen das NetzDG 2023 ab

Ab dem kommenden Jahr wird der Digital Services Act (DSA) der EU das deutsche NetzDG ablösen. Zimmermann geht davon aus, dass Twitter dann als sogenannte „very large online platform“ der europäischen Aufsicht im Rahmen des DSA unterstellt wird. „Insofern muss der Fokus vor allem auf einer konsequenten Um- und Durchsetzung der neuen europäischen Regeln liegen“, sagte der SPD-Politiker.

Für die meisten Anbieter gilt inzwischen eine Übergangsfrist; volle Wirkung entfaltet der DSA erst ab dem 17. Februar 2024.

Nichtsdestotrotz betont auch Rößner, dass mit Inkrafttreten des DSA genau bewertet werden muss, was bei Twitter momentan geschieht. Im Zweifelsfall müsste man reagieren.

Außerdem „Gesetz gegen digitale Gewalt“ beschlossen

Im Koalitionsvertrag haben FDP Grüne und SPD des Weiteren ein Gesetz gegen digitale Gewalt angekündigt, womit rechtliche Hürden für Betroffene von digitaler Gewalt abgebaut werden sollen. Das sind jene Hürden, die es erschweren, dass jeder Einzelne effektiv gegen Beleidigungen, Drohungen und Persönlichkeitsverletzungen im Netz vorgehen kann. Darunter zählen also z.B. Lücken bei Auskunftsrechten gegenüber Plattformbetreibern. Auch möchte man für elektronische Anzeigenerstattung rechtliche Bedingungen schaffen.

Die neuen Ansätze des DSA und des Digitalen-Gewalt-Gesetztes sind in dem Sinne deutlich breiter gefächert als der jetzige (NetzDG), dass sich die Ampelkoalition auf digitale Gewalt als Angriffe durch Herabsetzungen, Erpressungen, Bedrohungen, Nötigungen, Rufschädigungen und soziale Ausgrenzungen bezieht.

Auch wenn die Vorlage des Gesetzentwurfs derzeit noch nicht feststeht, wird das Bundesjustizministerium innerhalb der Bundesregierung federführend sein.

Quelle:

Handelsblatt

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