„Töchter schützen“: Psychologin rät, Kinder nicht zu gleichgeschlechtlicher Hochzeit einzuladen

Autor: Andre Wolf

Liest sich wie ein Fake, mutet wie ein Scherz an, ist aber ein realer Zeitungsauschnitt: eine Psychologin rät in ihrer Kolumne, die Kinder des Fragestellers nicht auf die Hochzeit ihres homosexuellen Onkels mitzunehmen.

UPDATE 21:32 Uhr (20.05.2015)

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(Quelle und Screenshot: Westfalenblatt)

Zurück zum ursprünglichen Artikel: das ist geschehen!

Das Foto zeigt einen Artikel aus der Sonntagsausgabe des Westfalenblatts unter dem Titel “OWL am Sonntag”. In dieser war am letzten Sonntag, den 17.05.2015 unter der Rubrik „Guter Rat am Sonntag“ folgendes zu lesen:

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(Screenshot: Facebook)

Inhaltlich kurz zusammengefasst: Der Bruder eines Familienvaters ist homosexuell und möchte seine angehende eingetragene Lebenspartnerschaft in Form einer klassischen Ehe feiern. Dazu wünscht er sich, dass seine Nichten (6 und 8 Jahre) Blumenkinder an dieser Feier werden. Der Familienvater selbst hält allein schon die  eingetragene Lebenspartnerschaft für bedenklich, darüberhinaus will er kann nicht erst, dass seine Kinder mit dem Thema der Homosexualität konfrontiert werden.

Die Psychologin antwortet

Sie rät dem Vater, dass er dringend, am besten gemeinsam mit seinem Bruder und seinem zukünftigen Schwager, ja quasi als große Familiensitzung, über das Thema reden sollte, da Homosexualität und auch homosexuelle Paare ein völlig normaler Teil der Gesellschaft sind. Gerade Kindern fällt es einfach zu verstehen, dass Menschen sich “lieb haben”. Das können Mann und Frau sein, Mann und Mann, aber auch Frau und Frau. Kinder verstehen das und sind auch nicht verwirrt davon. Wahrscheinlich freuen sich die Mädchen sehr, Blumenkinder auf einer Hochzeit sein zu dürfen.

Ferner rät die Frau dem Ratsuchenden, sich selbst intensiver damit auseinanderzusetzen, wie er gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften steht.

NICHT – das hat sie nicht geschrieben.

Unsinn!

Oh, da haben wir die falsche Aussage vorliegen gehabt. Die Psychologin der Rubrik “Guter Rat am Sonntag” rat folgendes:

Es muss nicht sein, sechs- und achtjährige Kinder einzuladen. Ich gebe Ihnen Recht, Ihre Töchter würden durcheinander gebracht und können die Situation erwachsener nicht richtig einschätzen. Sagen Sie Ihrem Bruder, dass Ihre Kinder an der Feier nicht teilnehmen, weil Sie nicht möchten, dass die Kinder verwirrt werden.

Bei dieser Antwort handelt es sich nicht um einen Fake, auch nicht aus einem Auszug aus dem Postillon.

2 Versionen

Nach der Prüfung des Artikels haben wir bemerkt: es gibt unterschiedliche Varianten! Man muss nun darauf hinweisen, dass es 2 Versionen dieser Antwort gibt, die zweite (unbekanntere) ist ein wenig länger und differenzierter.

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Warum nun die eine Version so dermaßen gekürzt ist, dass sie nach außen hin sehr homophob wirkt, kann nur die Zeitung erklären.

Shitstorm in 3…2…1…

Niemandem muss nun erklärt werden, dass diese Aussage nicht nur mit Befremden ankommt, sondern auch der Auslöser diverser Shitstürme bereits war. Das Westfalenblatt sah sich gezwungen, auf den guten Sonntagsrat zu reagieren und gab eine Stellungnahme heraus, welche im Ganzen hier zu lesen ist:
http://www.westfalen-blatt.de/Ueberregional/Artikel/1981377-In-eigener-Sache-Stellungnahme-zum-Artikel-Unsere-Toechter-schuetzen

Wir zitieren in Auszügen:

Sollte die Einschätzung der Diplom-Psychologin Barbara Eggert Ihre Gefühle verletzt haben, so bedauern wir das außerordentlich. […]

Sehr selbstkritisch müssen wir einräumen, dass in der Kolumne so formuliert wird, dass der Text Kritik geradezu herausfordert. Das ist unzweifelhaft eine gravierende journalistische Fehlleistung, die die Redaktion in vollem Umfang zu verantworten hat. Wenn die Rede davon ist, dass die Kinder »verwirrt werden« könnten, dann fehlt zwingend die Erklärung, woraus dies resultieren könnte – nämlich nicht aus dem Besuch einer Hochzeit zweier Männer an sich, sondern dadurch, dass den beiden Töchtern des Ratsuchenden bisher jegliche Aufklärung über Homosexualität fehlt.  […]

Hier geht es nicht um meine Weltanschauung oder einen gesellschaftlichen Konflikt, sondern um ein ganz privates, nicht repräsentatives Problem […]

Geradezu absurd ist vor diesem Hintergrund der Verdacht, das WESTFALEN-BLATT empfehle »Kinder von Homosexuellen fernzuhalten«.

Vielleicht hätte man dieses “private, nicht repräsentative Problem” auch auf dem privaten Kanal klären sollen und nicht in einer Kolumne veröffentlichen sollen. Wenn wirklich so viel hinter diesem Thema steckt, dann sind 3 Sätze mit einem Inhalt, den man nur auf eine Weise erlesen kann, nach außen hin der falsche Weg.1

Den schwarzen Peter jetzt den Lesern zuzuschieben, weil sie ja nicht alle Hintergründe kennen, ist nicht der richtige Weg. Speziell die stark gekürzte Fassung des Artikels gibt dem Leser keine andere Chance, eine andere Sichtweise zu erlangen. Die Sätze, speziell in der Kurzfassung, lassen dem Leser nicht ansatzweise Raum, um auf eine andere Interpretationsmöglichkeit zu kommen.

Eine Aussage wie “Es ist für homosexuelle Paare sicherlich nicht einfach, eine gelungene Hochzeitsfeier zu organisieren. Aber bei allem Respekt, es muss nicht sein, sechs- und achtjährige Kinder einzuladen.” ist schwer anders zu deuten als so, wie sie da steht.

Die gesamte Diskussion um die Stellungnahme des Westfalenblatts ist auf Facebook zu lesen:
https://www.facebook.com/westfalenblatt/posts/886786654715806

Nachsatz!

Auf der Facebookseite des Westfalenblatts findet sich die Aussage eines Mannes, welcher augenscheinlich einer der Bräutigame ist. Er schreibt:

Und hier die Stellungnahme unserer Hochzeitsgäste, inclusive unverwirrter Kinder und Hund, zu Ihrem homophoben Artikel und der ebenso lächerlichen wie dummen Stellungnahme der Redaktion !

wb1
(Screenshot & Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=960248164007128&set=p.960248164007128&type=1&theater)

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