Deutschland hat Waffenstillstand gebrochen und ist im Krieg mit Russland? Unsinn!

Angeblich habe Russland wegen Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine den Zwei-plus-Vier-Vertrag verlassen, da Deutschland damit den Waffenstillstand von 1945 gebrochen habe, folglich würde sich Deutschland nun mit Russland im Krieg befinden. Doch das ist komplett an den Haaren herbeigezogen!

Autor: Ralf Nowotny

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Die Behauptung

Angeblich habe Deutschland mit Waffenlieferungen an die Ukraine den Waffenstillstand von 1945 gebrochen und stünde nun im Krieg mit Russland.

Unser Fazit

Die Begründungen entbehren jedweder Logik: 1945 gab es keinen Waffenstillstand, sondern eine Kapitulation Deutschlands, einen Ausstieg aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag gibt es nicht, eine angebliche Mitteilung eines russischen Ministeriums ist nicht existent.

Eine katholisch-traditionalistische Webseite, die in der Vergangenheit schon sehr viele Verschwörungsmythen verbreitete, behauptet aktuell, dass Deutschland sich im Krieg mit Russland befände, dies habe „das Russische Ministerium“ auch dem Bundeskanzleramt mitgeteilt. Die Begründung, welche auch in einschlägigen Telegram-Kanälen geteilt wird, strotzt jedoch vor Falschbehauptungen und falschen Schlussfolgerungen.


Update: 6.9.2022

Aktuell macht die Behauptung auf Facebook und nun auch auf WhatsApp erneut die Runde, wie man anhand der aktuellen Screenshots erkennen kann!

MIMIKAMA
Facebook-Screenshot vom 5.9.2022
MIMIKAMA
WhatsApp-Screenshot vom 6.9.2022

Die Behauptung

Bereits im März wurde auf der Seite (archiviert HIER) behauptet, dass Deutschland sich nun mit Russland im Kriegszustand von 1945 befinden würde. Seitdem wird die Behauptung ständig in sozialen Medien verbreitet.

Die Behauptung über den gebrochenen Waffenstillstand
Die Behauptung über den gebrochenen Waffenstillstand (Quelle)

Demnach habe Deutschland mit Waffenlieferungen an die Ukraine den „Waffenstillstand von 1945 zwischen Russland und Deutschland“ gebrochen. Russland sei aufgrund dessen aus dem „Zwei-Plus-Vier-Abkommen“ mit sofortiger Wirkung ausgestiegen, Deutschland befände sich nun „mit dem heutigen Datum in Kriegszustand von 1945“. Dies habe „das Russische Ministerium“ dem Bundeskabinett/Kanzleramt mitgeteilt.

Der Faktencheck

Im obigen Absatz haben wir eine Menge der Formulierungen in Anführungsstrichen und kursiv gesetzt, und dies aus gutem Grund:
Diese Punkte sind es nämlich, die vielleicht beeindruckend klingen, sich aber bei genaueren Hinschauen als Unsinn entlarven. Im Folgenden gehen wir auf diese Behauptungen ein.

Gab es 1945 einen Waffenstillstand zwischen Russland und Deutschland?

Nein.
Zum Ende des Ersten Weltkriegs gab es tatsächlich einen Waffenstillstand (siehe HIER), der Zweite Weltkrieg hingegen endete im Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht (siehe HIER).

Kann Russland aus einem „Zwei-Plus-Vier-Abkommen“ aussteigen?

Nein.
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag (siehe HIER, PDF-Datei), dessen offizieller Name „Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ lautet, enthält gar keine Regelungen über einen Rücktritt aus dem Vertrag. In dem Vertrag sind beispielsweise der Grenzverlauf Deutschlands, die Begrenzung der Streitkräfte, die volle Souveränität Deutschlands und der Abzug der sowjetischen Streitkräfte geregelt.

Bereits im offiziellen Namen ist zu erkennen, dass es gar keinen Ausstieg aus dem Vertrag geben kann: Es sind wortwörtlich abschließende Regelungen, die zwischen Deutschland, der damaligen DDR (die 2 im Vertrag), USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich (die 4 im Vertrag) durchgeführt wurden.

Hat Deutschland denn mit Waffenlieferungen gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag verstoßen?

Nein.
Bei Diskussionen darüber wird immer wieder Artikel 2 des Vertrags (siehe HIER) genannt, in dem es heißt:

„Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“

Im zweiten Satz wird die Vorbereitung zur Führung eines Angriffskriegs hervorgehoben. Dieser findet jedoch weder auf deutschem Boden statt, noch wurde er von Deutschland initiiert: Es handelt sich um einen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.

Doch wie ist es mit dem Einsatz der deutschen Waffen? Es wird im letzten Satz auf die Charta der Vereinten Nationen (siehe HIER) verwiesen. Dort wird im Artikel 51 auf ein „individuelles und kollektives Recht zur Selbstverteidigung“ verwiesen: Exakt dies geschieht auch gerade, da Russland das Völkerrecht brach, das Gewaltverbot der UN-Charta verletzte und die Waffenlieferungen Deutschlands und anderer Länder der Selbstverteidigung dienen.

Zudem werden jene Waffen auch nicht einmal von Deutschland eingesetzt, es findet also auch kein aktiver Eingriff in den Krieg statt. Deutschland unterstützt lediglich das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung.

Wo ist denn die Mitteilung des „russischen Ministeriums“?

Ein „russisches Ministerium“ als solches gibt es jedoch nicht, aber gehen wir mal davon aus, dass eine solche Äußerung aufgrund der Natur der Sache aus dem diplomatischen Bereich kommt, dann kann es keine „Mitteilung“ sein, sondern wird Note, Verbalnote, Rundnote, Memorandum oder Aide-Mémoire genannt (siehe HIER, PDF-Datei).

Es findet sich aber auf keiner offiziellen Seite der russischen Behörden oder Deutschlands irgendetwas über eine solche Note. Selbst wenn die deutsche Regierung so etwas verschweigen würde, müsste es doch wenigstens auf russischen Seiten zu finden sein, schließlich wäre dies ja nicht unbedeutend für den weiteren Verlauf des aktuellen Konflikts.

Doch nichts. Nicht einmal ein gefälschtes Schreiben gibt es. Es wird einfach nur ohne jeglichen Beweis behauptet und geglaubt.

Fazit

Die Behauptung, dass Deutschland ein Friedensabkommen von 1945 gebrochen habe, Russland deshalb aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ausstieg und Deutschland sich deshalb mit Russland im Krieg befände, entbehrt jeder Logik und zeugt nur von einem eklatanten Missverständnis der deutschen Geschichte und dem Nichtverständnis der historischen Abkommen und Verträge.

Weitere Quellen: AFP, Correctiv

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