Wie bitte? In Deutschland dürfen Geimpfte kein Auto fahren?

Kroaten wissen es, Chinesen wissen es, Niederländer wissen es, eigentlich jeder QAnon-Anhänger weiß es, nur wir mal wieder nicht: Angeblich dürfen Geimpfte in Deutschland bald kein Auto mehr fahren. Ja, so haben wir auch geguckt!

Autor: Ralf Nowotny

Die Behauptung

Angeblich dürfen in Deutschland Geimpfte kein Auto mehr kaufen und verlieren ihren Versicherungsschutz.

Unser Fazit

Die Behauptung beruht auf einer Passage in den AUB, die schon seit zig Jahren existiert, verknüpft mit der Falschbehauptung, dass die angegebenen Bewusstseinsstörungen die häufigsten Nebenwirkungen von Corona-Impfungen seien und der freien Erfindung, dass deshalb Geimpfte kein Auto mehr kaufen dürften und den Versicherungsschutz verlieren.

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Vielleicht fährt jener Niederländer, dessen Tweet als Screenshot kursiert, nicht so gerne mit dem Auto nach Deutschland. Wäre verständlich, hier ist es ja eher gebirgiger im Gegensatz zu den flachen Niederlanden. Aber er ist ein großer Freund von Verschwörungsmythen, was ihn wohl zu der Verbreitung dieser Behauptung motivierte.

Der international geteilte Screenshot

Ob Chinesen, Kroaten oder US-Amerikaner, allen gemein ist jedoch, dass sie sehr viele QAnon-Inhalte teilen und sich darüber amüsieren, dass scheinbar Geimpfte in Deutschland kein Auto mehr fahren dürften:

Erstochen? Die Facebook-Übersetzung kann nicht gut kroatisch!
Erstochen? Die Facebook-Übersetzung kann nicht gut kroatisch! (Quellen: Facebook, Facebook)

Einhellig wird sich über „das große Erwachen“ gefreut, welches in Deutschland stattfinden wird, wenn kein Geimpfter mehr ein Auto kaufen darf und alle jetzigen Autofahrer ein Schreiben von der Versicherung bekommen werden, dass sie nicht mehr versichert sind.

Der Tweet

Es macht Sinn, dass besonders QAnon-Fans den Tweet teilen, denn schließlich stammt er ja auch von jemanden, dessen Twittername auch das Motto der Bewegung ist.

Der Tweet mit der Behauptung
Der Tweet mit der Behauptung, Quelle: Twitter

Die Behauptung auf Deutsch:

Breaking: In Deutschland darf man kein Auto mehr kaufen, wenn man gestochen [geimpft] wurde. Außerdem werden die Betroffenen noch in diesem Jahr von den Versicherern ein Schreiben erhalten, dass sie nicht mehr versichert sind. Und dürfen nicht mehr Auto fahren. Dies wird ein großes Erwachen in Deutschland sein.

Die Herkunft der Behauptung

Jetzt nicht weiter verwunderlich: Die Behauptung tauchte zuerst auf Telegram auf, als „Beweis“ wird der Auszug einer AGB gezeigt:

Die Behauptung auf Telegram
Die Behauptung auf Telegram

„Versicherer änderten unbemerkt ihre AGB‘s – 7-10 häufigste Nebenwirkungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen – Krankenkassen führen Abgleich mit Impfdatenbank durch – Fahrverbot für Geimpfte kommt“

Auf dem Foto ist zu lesen, dass bei Unfällen kein Versicherungsschutz besteht, wenn Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, Schlaganfälle, ein Herzinfarkt, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle der Grund sind.

Die AGB wurden nicht geändert

Eigentlich sollte auf Telegram eher stehen „Ich hab mir zum ersten Mal die AGB meiner Versicherung durchgelesen, obwohl ich bei Abschluss des Vertrags bestätigt habe, die AGB gelesen zu haben“, denn eine solche Passage steht schon seit Jahren in der AGB jeder Versicherung und beruht auf § 2 I (1) Satz 1 und 2 AUB 88 (Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen).

MIMIKAMA
§ 2 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen

Auf „Haufe“ ist die Passage über Bewusstseinsstörungen ebenfalls nochmal genauer beschrieben.

„Der Grund für diesen Leistungsausschluss des Versicherers liegt im gesteigerten Risiko, einen Unfall zu erleiden. Der Versicherer argumentiert, dass in einer solchen Situation der Versicherungsnehmer nicht mehr in der Lage ist, die Gefahr zu erkennen, so dass der Versicherer dieses Risiko nicht übernehmen will. Die Mehrzahl der Bewusstseinsstörungen, mit denen sich die Gerichte zu beschäftigen hatten, waren alkoholbedingte Bewusstseinsstörungen.“

In neueren Tarifen sind Unfälle durch Herzinfarkt und Schlaganfall zumeist mitversichert.

Von der AGB zur Fantasie

An dieser Stelle springt nun die Fantasie, oder besser gesagt die haltlosen Behauptungen der Verbreiter ein:
Da für sie anscheinend Schlaganfälle, Herzinfarkte und epileptische Anfälle zu den „häufigsten Nebenwirkungen“ der Impfungen gehören (was nicht stimmt), wird einfach behauptet, dass Geimpfte somit kein Auto mehr kaufen dürfen und den Versicherungsschutz verlieren.

Stimmen zu den Behauptungen: „Wirklich Unsinn“

Die Kollegen von AFP haben mehrere Stimmen eingeholt, um deren Aussagen zu den Behauptungen zu erfahren:

  • Martina Thöne, eine Sprecherin des deutschen Verkehrsministeriums, sagte, man habe die gesetzlichen Anforderungen für den Erwerb eines Führerscheins nicht geändert und plane dies auch nicht. „Die allgemeine Regel ist, dass eine Person, die ein Fahrzeug führt, fahrtüchtig sein muss. Das gilt auch nach der Impfung mit einem zugelassenen Covid-19-Impfstoff.
  • Alexander Schnaars, ein Sprecher des ADAC, sagte, dass die Impfgeschichte eines Fahrers ihn nicht daran hindere, ein Auto zu kaufen oder zu fahren.
  • Kathrin Jarosch, Sprecherin des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): „Dies ist wirklich Unsinn, der in den sozialen Medien verbreitet wird. In Deutschland gibt es keinen Gesundheitscheck beim Kauf, bei der Zulassung oder bei der Versicherung eines Autos. Dies ist auch für die Zukunft nicht geplant.

Fazit

Die Behauptung, dass Geimpfte künftig kein Auto mehr kaufen könnten und den Versicherungsschutz verlieren, beruht auf einer Passage in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen, die schon seit zig Jahren existiert und in jedem Versicherungsvertrag zu lesen ist, verknüpft mit der Falschbehauptung, dass die angegebenen Bewusstseinsstörungen die häufigsten Nebenwirkungen von Corona-Impfungen seien und der freien Erfindung, dass deshalb Geimpfte kein Auto mehr kaufen dürften und den Versicherungsschutz verlieren.

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Hinweis: Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
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Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.

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