Nein, eine fehlende Ecke macht den Wahlzettel nicht ungültig!
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Alle Wahljahre wieder glauben ganz schlaue Leute, einen Wahlbetrug entdeckt zu haben: Der Wahlzettel hat oben rechts keine Ecke, deswegen soll er ungültig sein.
Zur Bundestagswahl werden wieder viele Menschen per Briefwahl bereits vorab ihre Stimme abgeben. Dabei ist aber einigen Leuten etwas aufgefallen, was wunderbar in Reichsbürger-Mythos passt: Die rechte, obere Ecke des Wahlzettels fehlt, manchmal ist sie auch gelocht.
Steckt da ein Trick dahinter, der die Wahlzettel ungültig macht?
Dieses Foto beispielsweise wird verbreitet:
Dazu schrieb die Nutzerin:
„Wie entwertet man ein Dokument? Richtig rechte obere Ecke abschneiden. Dieser Wahlzettel kam heute so per Post zugeschickt. Der wahlschein ist ungültig und wird anschließend in einer URNE versenkt! Deutlicher geht es nicht. Wahlen sind seit 1956 illegal und ungültig!“
Auch 2017 wurde behauptet, dass Wahlzettel dadurch ungültig seien und entsorgt werden, besonders AfD-Wähler hatten dadurch Angst, dass ihre Stimme nicht gezählt wird:
Warum fehlt die Ecke?
Die Erklärung dafür ist so einfach, wie unspektakulär: Es ist eine Tasthilfe für Blinde und Sehbehinderte.
Damit auch Blinde und Sehbehinderte wählen können, wird der Wahlzettel in eine Schablone gelegt. Damit er dort auch richtig drin liegt, ist die rechte, obere Ecke entweder abgeschnitten oder gelocht.
Auf einer Audio-CD wird zusätzlich erklärt, wie man die Wahlschablone benutzt, wie der Stimmzettel aufgebaut ist, welche Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stehen und bei welcher Lochnummer dann ein Kreuz für die entsprechenden Kandidaten/die Partei zu machen ist.
Seit der Bundestagswahl 2009 gibt es dieses System – und trotzdem glauben alle Wahljahre wieder manche Leute, dass die Wahlzettel dadurch ungültig seien.
Aber warum wird das überhaupt geglaubt?
Um das zu verstehen, müssen wir kurz in die Reichsbürger-Welt eintauchen (so leid es uns auch tut). Im § 39 Bundeswahlgesetz ist geregelt, wann ein Wahlzettel ungültig ist, doch von abgeschnittenen oder gelochten Ecken liest man dort nichts.
Reichsbürger, also Menschen, die glauben, dass Deutschland immer noch ein besetztes Land sei, behaupten aber beispielsweise, dass im Handelsrecht stehe, jedes offizielle Schriftstück müsse vier Ecken haben. Darüber findet sich jedoch nirgends etwas (außer in der Fantasie der Reichsbürger).
Eine Erklärung dafür lässt sich aus dem schlechten Verständnis von US-Gesetzen mit einer Prise Geschwurbel herleiten:
Es gibt in den USA ein sogenanntes „Four Courners Law”. Diese Gesetzesregelung besagt einfach nur, dass bei jedwedem Schriftstück nur das gelten darf, was „innerhalb der vier Ecken des Vertrages“ steht.
Dies ist allerdings nicht wörtlich zu nehmen, sondern es geht darum, dass auf Schriftstücken nur das gilt, was schriftlich festgehalten wurde, mündliche Absprachen hingegen nicht rechtlich durchsetzbar sind.
Reichsbürger nehmen dieses US-Gesetz (schließlich ist Deutschland ja nach deren Glauben noch von den USA besetzt, weswegen auch ihre Gesetze gelten) allerdings wörtlich und glauben deshalb, dass ein Schriftstück mit abgeschnittener Ecke, welches dadurch fünf Ecken hat, ungültig ist.
Und was die angebliche Ungültigkeit aller Wahlen ab 1956 angeht: Auch falsch. Das Bundesverfassungsgericht erklärte vor einigen Jahren ein Wahlgesetz für nichtig, dies macht allerdings nicht alle Wahlen ungültig (wir berichteten).
Fazit
Auch gelocht oder mit einer fehlenden Ecke sind Wahlzettel gültig, und dies bereits seit 2009. Wir sind uns allerdings sicher, dass zu den nächsten Wahlen wieder die Behauptung auftauchen wird.
Weitere Quellen: Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband, Verbraucherschutz
Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstand durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)
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