Baerbock in der Ukraine: Medienwirksame Autoattrappe bei Minenräumprojekt?
In sozialen Medien geht der Vorwurf viral, Baerbock wäre nicht persönlich an jenem Ort gewesen, an dem im März 2022 eine Landmine einen PKW explodieren ließ. Die Szenen sollen vielmehr medienwirksam inszeniert worden sein.
Die Behauptung
Die Pressebilder von Annalena Baerbock am Autowrack, das von einer Landmine getroffen worden sein sollte, sei gefaket, da die Autotüren falsch montiert seien und die Autoreifen inkl. Felgen und Federn fehlen.
Unser Fazit
Die HALO Trust Organisation, die diesen Minenunfall untersucht, bestätigt, dass es sich hier um das im März explodierte Auto vor Ort handelt. Allerdings wurde das Auto nach der Explosion mehrmals vor Ort bewegt und auch Autoteile von Einheimischen entnommen.
Steht Annalena Baerbock tatsächlich vor jenem PKW, der im März in der Ukraine in eine Landmine geriet und dabei explodierte?
Auf ihrer zweiten Ukraine-Reise besuchte Außenministerin Annalena Baerbock das mitunter von Deutschland finanziell unterstützte HALO Trust Minenräumprojekt in der Nähe von Kiew.
HALO Trust ist eine Organisation, die sich um die Räumung von Landminen und anderen Sprengstoffen wie IEDs (Improvised Explosive Devices) kümmert. Ihr Ziel ist es, Menschenleben zu schützen und Lebensgrundlagen in Kriegsgebieten sowohl während als auch nach dem Krieg wieder herzustellen. (Quelle)
Das ARD-Hauptstadtstudio beschreibt Baerbocks Besuch wie folgt:
„Einigermaßen fassungslos steht die deutsche Außenministerin neben einem völlig zerstörten Autowrack. Ein Fahrzeug, wie ihr erläutert wird, das im März – kurz nach Kriegsbeginn also – auf einem Feldweg unweit der Hauptstadt Kiew auf eine Mine gefahren sei – die zwei Insassen seien dabei ums Leben gekommen. Selbst vier, fünf Meter hoch, in den Ästen des Baums darüber, sind noch Trümmerteile zu entdecken.“
Quelle: Tagesschau
Die Behauptung
In sozialen Netzwerken wurden die veröffentlichten Bilder und Videos näher analysiert, wobei die These aufgestellt wurde, dass das gezeigte Fahrzeug nicht von einer Mine getroffen wurde. Es solle vielmehr – einer Bühne gleich – für den Besuch von Baerbock aufgebaut worden sein. Diese These wird durch folgende scheinbare Indizien gestützt:
- Die Türen des PKWs seien vertauscht worden.
- Es gäbe keinen sichtbaren Explosionskrater am Boden.
- Es seien keine Brandspuren im Lack zu sehen.
- Die Natur um das Wrack wäre auffällig schnell wieder nachgewachsen.
- Trotz der Absteckung des Minenfeldes als sichtbare Gefahrenzone stünden viele Zivilisten sehr nah an diesem gefährlichen Platz.
- Beim linken Vorderrad fehlen Feder, Dämpfer, Radaufhängung, Felgen und Antriebsachse. Es sähe aus, als wären diese Fahrzeugteile demontiert worden.
- Autos, die von Landminen getroffen wurden, würden anders aussehen.
Vertauschte Autotüren?
Wir von Mimikama haben uns die Bilder näher angesehen und herausgefunden, dass die Türen des PKWs (siehe Bild) NICHT vertauscht wurden.
Rechts im Bild sind zwei Türen von PKWs ohne Verkleidung aus der Innenansicht zu sehen. Die Kanten der Aussparungen gehen bei beiden Fotos nach außen. Bei dem Pressefoto (links) geht diese Kante nach innen, da das Bild die Außenseite der Tür zeigt. Dies beweist also, dass die Türen nicht falsch herum montiert wurden.
Die ausgebauten Reifen
Dass das Vorderrad inkl. Feder, Dämpfer, Radaufhängung, Felgen und Antriebsachse fehlt, hat auch unser Recherche-Team gewundert. Deshalb haben wir direkt bei HALO Trust nachgefragt und folgende Antwort erhalten:
Das HALO Trust-Team weist die Behauptungen, die Bilder von Baerbock seien medienwirksam inszeniert worden, entschieden zurück. Die Bilder und das Video seien direkt vor Ort auf dem Waldweg in der Nähe von Velyka Dymerka/Ukraine entstanden, wo es am 12. März 2022 zu der Explosion kam. Erst einige Wochen nach dieser Explosion wurde das HALO-Erkundungsteam zum Unglücksort gerufen.
Bilder entstanden im Mai und Anfang Juni sowie im Juli 2022
Dort entstanden im Mai und Anfang Juni 2022 diese Bilder (siehe unten Bilder 1- 4), auf denen die Räder am Wrack noch vorhanden waren, und auf denen auch der Explosionskrater klar zu erkennen ist. Am 20. und 21. Juli 2022 wurden erneut Bilder von HALO Trust gemacht und diese zeigen, dass zu diesem Zeitpunkt die Räder des Autos entfernt wurden. (Bild 5 und Bild 6)
Das HALO Trust-Team gibt an, dass Einheimische vor, während und nach der Untersuchung des Teams das Wrack immer wieder bewegt und auch Teile entnommen haben. Dass die Türen nicht umgedreht montiert wurden, wird auch in deren E-Mail bestätigt. Es könnte allerdings sein, dass Türen und/oder das Dach beim Rettungsversuch aufgeschnitten werden mussten, diese Infos sind jedoch nicht klar, da HALO Trust damals nicht vor Ort war. Der sichtbare Schaden am Heck stimmt jedoch mit dem Krater überein und sei laut HALO typisch für Minenschäden an Autos.
Dass das Wrack nicht mehr im Krater lag, läge daran, dass der PKW bei einer Landminenexplosion mehrere Meter durch die Luft geschleudert wird und eben auch später noch von Einheimischen bewegt wurde.
Die Pflanzen um das Autowrack
Dass sich reichlich Pflanzen um das Fahrzeug-Wrack befinden, kann damit begründet werden, dass die Explosion im März 2022 stattfand und die Pressefotos und Pressevideos erst jetzt entstanden sind. Es liegen Monate zwischen Explosion und den jetzt entstandenen Bildern. Die Natur hatte also reichlich Zeit, sich wieder zu entfalten.
Fazit
Annalena Baerbock war direkt vor Ort auf dem Waldweg in der Nähe von Velyka Dymerka/Ukraine, wo es am 12. März 2022 zu der Explosion kam. Das Auto war keine Attrappe, sondern exakt jener PKW, der dort von der Mine getroffen wurde. Allerdings wurde vom Tag des Unglücks bis dato der Wagen mehrmals vor Ort bewegt, und es wurden von Einheimischen noch brauchbare Fahrzeugteile entnommen.
Baerbock: Weitere Hilfe bei der Minenräumung für die Ukraine
Autorin: Elke Haberl, mimikama
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Artikelbild: Screenshot Glomex / DPA
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