Was meint Christian Drosten mit: Die Pandemie ist beendet?

Der Virologe Christian Drosten gilt als einer der wichtigsten Covid-Experten in Deutschland.

Autor: Walter Feichtinger

Die Behauptung

Viele Medien und einige Politiker zitieren aktuell Deutschlands Chefvirologen: „Christian Drosten hält die Corona-Pandemie für beendet“. Sie fordern das „Ende aller Maßnahmen“.

Unser Fazit

Diese Aussage kann leicht missverstanden werden. Christian Drosten meint, dass Covid-19 in diesem Winter in eine endemische, also lokal begrenzte Phase übergegangen ist. Das bedeutet nicht automatisch, dass wir sofort alle Schutzmaßnahmen fallen lassen können.

Christian Drosten Pandemie
Was meint Christian Drosten mit: Die Pandemie ist beendet?

Deutschlands bekanntester Virologe und Leiter der Virologie an der Berliner Charité hat kürzlich dem Tagesspiegel ein Interview gegeben, das am 26. Dezember gemeinsam mit der Meinung von zwei weiteren Experten veröffentlicht wurde. Das wäre jetzt nichts Ungewöhnliches, hätte nicht eine Aussage aufhorchen lassen, die inzwischen vielfach zitiert wurde. Christian Drosten wird wörtlich zitiert: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“.

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Was meint Christian Drosten damit?

Endemisch bedeutet lokal begrenzt, in einer Region vorkommend. Die Vorsilbe „pan“ bezeichnet etwas, das darüber hinausgeht, das alles betrifft. Covid-19 hat sich bisher über Ländergrenzen hinweg, global ausgebreitet. Es war damit pandemisch. Wenn Christian Drosten von einer „endemischen Welle“ spricht, dann sieht er die Gefahr von globalen Massenausbrüchen zunächst für gebannt. Er geht davon aus, dass nach diesem Winter die Immunität in der Bevölkerung so hoch ist, „dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne“, wie der Tagesspiegel schreibt. Die einzige Gegenanzeige dafür wäre ein neuerlicher Mutationssprung, den er im Moment nicht mehr erwartet.

Christian Drosten: Pandemie beendet

Das Wort endemisch beinhaltet allerdings noch keine Wertung bezüglich der weiteren Gefährlichkeit der Krankheit. Der Begriff sagt nur aus, dass die Hauptverantwortung für Eindämmung und Gegenmaßnahmen besser bei lokalen Entscheidungsträgern aufgehoben ist. Und es bedeutet auch nicht, dass Sars-Cov-2 zukünftig keine weiteren Probleme bereiten wird: Es ist eher damit zu rechnen, dass – wie bei der Grippe – saisonale Welle auftreten werden. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass besonders Ältere und Vorerkrankte immer noch von schweren Verläufen betroffen sein werden und dass daher Maßnahmen wie wiederholte Impfungen notwendig bleiben.

Sehr ähnlich wie Drosten argumentiert auch der Intensivmediziner Christian Karagiannidis, der auch Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung ist:

Ja, ich rechne fest damit, dass die Pandemie jetzt zunehmend ausläuft. Das ist wie ein Stein, den man ins Wasser wirft und der am Anfang eine sehr hohe Welle erzeugt, die dann immer kleiner wird. So ähnlich ist es im Moment auch mit der Pandemie. Sicherlich werden wir noch die eine oder andere kleine Welle erleben. Aber wir merken, dass die Immunitätslage der Bevölkerung solide ist und wir auf den Intensivstationen deutlich weniger Covid-Patienten haben. Da ist die Influenza jetzt das größere Problem.

Christian Karagiannidis am 26. Dezember im Interview mit RND

Das Ende aller Covid-Maßnahmen?

Und für die breite Masse? Das Beibehalten oder Fallenlassen von Maßnahmen ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Im aktuellen Diskurs ist der Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP vorgeprescht und forderte das Ende der letzten verbliebenen Schutzmaßnahmen. Flankenschutz erhält er von Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD): „Wenn die Pandemie zur Epidemie wird, dann ist es sinnvoll, die Verantwortung für den Infektionsschutz wieder an die Menschen zurückzugeben“. Ministerpräsident von NRW, Hendrik Wüst (CDU) denkt ähnlich: „Die Menschen haben mittlerweile ein hohes Maß an Routine im Umgang mit dem Coronavirus. Gerade für den privaten Bereich brauchen sie deshalb keine Verhaltensempfehlungen von der Politik.“

Aber welche Maßnahmen betrifft das eigentlich noch? Hanno Charisius beleuchtete die Frage in seinem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung: „Isolationspflicht für Corona-Positive in einigen Ländern? Mancherorts Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr? In Zügen der Deutschen Bahn?“ Sind denn diese letzten Maßnahmen wirklich eine „Bürde für die Gesellschaft“? Er warnt davor, dass einerseits jeder unter dem Begriff „Pandemie“ etwas anderes verstehen würde und die Lage eben nicht überall – siehe China – unter Kontrolle wäre. Außerdem ist Corona in dieser Saison nicht das einzige Problem, wie schon Drosten und Karagiannidis betont haben:

Es wäre verhängnisvoll, ausgerechnet mitten in diesem Winter, der eine Rekordzahl an Atemwegsinfekten produziert, ein Ende aller Schutzmaßnahmen zu fordern, die zwar gegen Corona aufgestellt wurden, aber eben auch vor anderen Erregern schützen. Man kann über neue Namen für die Maßnahmen nachdenken, Corona taugt dazu momentan nur noch bedingt. Aber sie gegenwärtig zu beenden, wäre ein Fehler. Einer, der Menschenleben kostet.

Hanno Charisius am 27.12.2022 in der SZ

Guten Morgen!

Gepostet von ruthe.de am Donnerstag, 29. Dezember 2022

Quellen: Tagesspiegel, SZ, FAZ, RND, DW.com, ZDF.de, Marco Buschmann auf Twitter

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