Russischer Geheimdienst tötet S.T.A.L.K.E.R.-Cosplayer

Drei Männern aus der russischen Stadt Woronesch wurde ihr Hobby zum Verhängnis

Autor: Walter Feichtinger

Die Behauptung

Russland: Geheimdienst tötet S.T.A.L.K.E.R.-Cosplayer, weil er sie für ukrainische Spione hält.

Unser Fazit

Die Behauptung stimmt. Der Irrtum wurde allerdings nicht zugegeben, sondern im Staatsfernsehen mit Propagandalügen begründet.

Moin zusammen,
ich bin mir nicht sicher, aber dieser Link kursiert recht eifrig bei Facebook und vielleicht könnt ihr das mal prüfen. Es klingt doch sehr nach einer Räuberpistole und über Google konnte ich keine anderen Quellen zu dem Thema finden. Viele Grüße und macht bitte weiter so.

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Die Verwechslung ist zu spät aufgefallen.

Gepostet von PlayCentral am Freitag, 2. Dezember 2022

Ja, die Geschichte mit den drei S.T.A.L.K.E.R.-Cosplayern und dem russischen Geheimdienst stimmt. Aber wie ist es dazu gekommen?

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Medienberichte über getötete, ukrainische Saboteure

Am Mittwoch, dem 23. November, berichteten russische Staatsmedien, dass der FSB, der russische Inlandsgeheimdienst, drei ukrainische Saboteure eliminiert habe. Nach Angaben der Geheimdienste bereiteten sie einen Angriff auf Energieanlagen in der Stadt Woronesch vor. Der Sender Россия-1 (Russland-1) strahlte Bilder aus, die eine Wohnung mit Uniformen, Waffen, militärischer Ausrüstung und Leichen der drei Männer zeigten. Auch ein vermeintliches Banner einer ukrainischen Partei wurde in die Kamera gehalten – in diesem Video unkenntlich gemacht, Beitrag ab Minute 41:43.

Es wurde behauptet, dass es sich um ein Banner der ukrainischen Partei Воля (Volya, bedeutet Freiheit) handle. Und die Männer wären ukrainische Spione und Saboteure. Die Videobilder machten jedoch Journalisten der Moscow Times stutzig. Sie fanden sehr schnell Fotos von zwei der drei Männer auf Social Media. Es stellte sich heraus, dass es sich bei den beiden um Bürger von Woronesch und Teil der lokalen Airsoft-Community handelte. Beide waren Fans der Computerspielreihe S.T.A.L.K.E.R., Horror-Ego-Shootern, die auf dem Gelände der Atomkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl spielen. Und sie zogen sich gerne wie ihre Helden im Spiel an – Cosplayer.

Eine folgenschwere Verwechslung

Das Banner in der Wohnung und Aufnäher auf den Uniformen der Cosplayer zeigt den grünen Bärenkopf der Fraktion Воля in drei Titeln der Reihe S.T.A.L.K.E.R. Dabei handelt es sich um ukrainische Anarchisten, die im Spiel um einen freien Zugang zur Sperrzone kämpfen. Neben dem Bärenkopf zeigt das Symbol den Schriftzug ВОЛЯ (die kyrillischen Großbuchstaben lesen sich ähnlich wie das englische Wort für Bär – BEAR), ukrainische Flagge und Dreizack.

Die ukrainische Kleinpartei ВОЛЯ verwendet einen sehr ähnlichen Schrifttyp für ihr Banner. In Bericht des russischen Fernsehens wird so darüber gesprochen: „Flagge der rechtsextremen, nationalistischen Partei Volya. Solche Banner wurden von den Ultrarechten auf dem Kiewer Maidan verwendet.“ Das russischsprachige Wikipedia nennt die Gründer von ВОЛЯ: „Vertreter der ‚Volya-Initiative‘ und des ‚zivilen Sektors des Euromaidan‘, Reform- und Lustrationsaktivisten sowie Juristen, Journalisten, Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftsvertreter“.

Es ist durchaus vorstellbar, dass die FSB-Beamten die falschen Schlüsse gezogen haben und Logo, Uniformen, Softair-Waffen und das Воля-Logo aus S.T.A.L.K.E.R. zunächst wirklich potenziellen Spionen oder Saboteuren zugeordnet haben. Der Informant der Moscow Times aus der Airsoft-Community nannte die Getöteten „seltsame Gestalten“. Einer sei „Anarchist, Rebell und Unterstützer der Ukraine“ gewesen, ein anderer ein „gewöhnlicher Technikfreak, harter Arbeiter und Unterstützer von Nawalny“. Das mag auch zur folgenschweren Fehlentscheidung beigetragen haben.

Dass der Inlandsgeheimdienst aufgrund falscher Informationen die Wohnung stürmte und die Verdächtigen tötete, ist die eine Sache. Die Gegenstände in der Wohnung müssten sich jedoch sehr schnell als Spielzeug und Attrappen herausgestellt haben. Russische Staatsmedien hielten weiterhin an der Geschichte mit den ukrainischen Spionen fest. Der Fernsehsender Россия-1 kaschierte in seiner Nachrichtensendung jene Indizien, die dem offiziellen Narrativ widersprachen. Das ist kein Zeugnis von Schlampigkeit oder Unfähigkeit, sondern von Propaganda.


Quellen: Россия-1, Moscow Times, playcentral.de, ru.wikipedia.org, S.T.A.L.K.E.R. Wiki
Mehr Faktenchecks: Pro-russische Propaganda in Werbeinseraten auf Facebook

Hinweis: Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
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