Tipps einer Ärztin aus Gran Canaria gegen das neue Coronavirus (Faktencheck)

Autor: Ralf Nowotny

Tipps einer Ärztin aus Gran Canaria gegen das neue Coronavirus (Faktencheck)
Tipps einer Ärztin aus Gran Canaria gegen das neue Coronavirus (Faktencheck)

In sozialen Medien kursieren 10 angebliche Tipps einer Ärztin, welche aber teilweise sinnlos sind.

Wahlweise heißt jene Ärztin Dr. Nigrin oder Dr. Negrin, sie stamme aus Gran Canaria. Tatsächlich gibt es dort auch ein Hospital mit dem Namen, die angeblich von dort stammenden Tipps gegen das neue Coronavirus sind aber teilweise nicht zu gebrauchen.

Der verbreitete Text beginnt folgendermaßen:

„Nachricht von einer Ärztin aus der Klinik Dr. Nigrin, Gran Canaria weitergeleitet von einer Freundin: Die Chinesen verstehen jetzt das Verhalten des Covid 19 Virus, aufgrund der vielen Autopsien die schon gemacht wurden. Das Virus blockiert die Atemwege und die Lungen. Sie haben folgendes entdeckt: damit eine Medizin helfen kann, ist es zuerst wichtig diese Blockaden zu öffnen. Es gibt verschiedene Medikamente die entwickelt werden, aber die noch Zeit brauchen. Empfehlungen die jeder Einzelne sofort umsetzen sollte“

Die Tipps und Analyse im Einzelnen

Im Folgenden zählen wir die Tipps in dem verbreiteten Text auf und schreiben darunter, ob jener sinnvoll ist oder nicht.
Wir schrieben oben bereits von „angeblichen Tipps einer Ärztin“, da jene Tipps medizinisch teilweise Unsinn sind und aus verschiedenen Kettenbriefen zu stammen scheinen, der Hinweis auf eine (existierende) Ärztin soll dem Text anscheinend nur Seriosität verleihen.

1. viele heiße Getränke trinken (Tee, Kaffee, Suppen, warmes Wasser) – zusätzlich einen Schluck warmes Wasser alle 20 min trinken, denn dann wird der Bereich gut befeuchtet und der Virus wird quasi in den Magen gespült und kann so nicht in die Lunge gelangen

Diese Behauptung fußt auf keiner einzigen, wissenschaftlichen oder medizinischen Studie.
Bei einer Infektion ist man nicht einer Handvoll, sondern Tausenden bis Millionen Viren ausgesetzt, jene kann man nicht so einfach komplett mit heißen Getränken  in den Magen spülen. Zudem besetzt das neue Coronavirus nicht nur den Rachen, sondern auch die Nasenschleimhäute und die Lungen.

Dieser Tipp ist Unsinn. Viren lassen sich nicht einfach mit warmen und heißen Getränken „in den Magen spülen“.

2. Täglich mit antiseptischem warmen Wasser gurgeln (=Wasser mit Essig, Salz oder Zitrone)

Schon seit gefühlten Ewigkeiten wird als „Omas Gesundheitstipp“ behauptet, das Gurgeln mit Essig-, Salz- und Zitronenwasser würde Viren und Bakterien fern halten, doch dafür gibt es keine medizinischen Belege. Ein einmal tägliches Gurgeln wird auch keine SARS-CoV-2 Viren wirksam beseitigen, insbesondere keinen Coronavirus, der sich bereits an die Zellen andockte und sich vermehrt.

Dieser Tipp ist Unsinn. Die Behauptung fußt auf einer „Volksweisheit“ ohne medizinische Basis.

3. Der Virus legt sich auch an Haare und Kleidung an, Waschmittel oder Seife macht ihn unschädlich. Man sollte sofort nach dem Heimkommen Duschen oder Baden und sich nicht zuerst hinsetzen; wenn man die Kleidung nicht täglich waschen kann, sollte man sie in die direkte Sonne hängen!

Laut Rachel Graham, Epidemiologin an der Universität von North Carolina, können  Viren auf porösen Oberflächen – Stoffe, Haare, Geldscheine – nicht sehr lange überleben, sie „verfangen“ sich in den winzigen Zwischenräumen und können nur schlecht übertragen werden.

Es stimmt allerdings, dass zumindest Seife wirkungsvoll gegen das neue Coronavirus ist: Bestandteile der Seife binden sich sowohl an die Viren als auch an Wasser, wodurch beim Händewaschen beispielsweise die Eiweißhülle des Virus zerreißt. Einfache Sonneneinstrahlung ist hingegen weniger wirkungsvoll, dadurch ist nicht gesichert, dass sämtliche Viren vernichtet werden.

Dieser Tipp ist halbwahr. Waschen vernichtet das Virus, eine komplette Dusche oder Baden wird jedoch kaum alle Viren vernichten können; Duschgel und Seife sind zwar hilfreich, aber nicht direkt antiviral. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass Viren von den Haaren oder Kleidung in die Schleimhäute gelangen.

4. Metalloberflächen gut desinfizieren, da das Virus hier bis zu 9 Tagen überleben kann, an Zeitschriften bis zu 24 Stunden! Wichtig auch in der eigenen Wohnung regelmässig Türklinken abwischen bzw. desinfizieren

Gemäß neueren Untersuchungen erlauben glatte und nicht zu poröse Oberflächen ein längeres Überleben des Virus. So überlebt HCoV auf Aluminium 2-8 Stunden bei Raumtemperatur, auf Metall und Stahl überleben SARS und HCoV sogar bis zu 5 Tage bei Raumtemperatur.

Das Team von Vincent Munster, National Institutes of Health in Hamilton, Montana schrieb in einem MedRxiv-Vorabdruck (wir berichteten) von folgenden Aktivitätszeiten des neuen Coronavirus, allerdings unter Laborbedingungen:

  • Kunststoff und Edelstahl: bis zu drei Tage
  • Karton: bis zu 24 Stunden
  • Kupfer: bis zu vier Stunden
  • Luft: bis zu drei Stunden
Dieser Tipp ist halbwahr. 9 Tage sind zwar übertrieben, doch 3 bis 5 Tage sind schon lange genug, um sich zu infizieren, somit ist es nicht verkehrt, häufig berührte Oberflächen regelmäßig zu desinfizieren.

5. Nicht rauchen

Dieser Tipp ist sehr allgemein gehalten, aber im Prinzip richtig: Rauchen ist gesundheitsschädlich. Allerdings birgt Rauchen kein größeres Risiko, sich anzustecken, der Krankheitsverlauf kann sich aber dadurch verschlimmern, da die Lungen durch das Rauchen bereits geschädigt sind.

Dieser Tipp ist irreführend! Rauchen vergrößert nicht die Ansteckungsgefahr, verschlimmert aber wahrscheinlich den Krankheitsverlauf, wenn das neue Coronavirus auch die Lungen infiziert.

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6. alle 20 min Hände für 20 sec. mit Seife waschen, wenn man nicht in der Wohnung ist

Natürlich ist es wichtig, sich regelmäßig die Hände zu waschen, jener Tipp ist aber viel zu simpel. Abgesehen davon, dass es praktisch kaum durchführbar ist, sich außerhalb der Wohnung alle 20 Minuten die Hände zu waschen, kommt es darauf an, wie oft man beispielsweise in der Zeit eventuell kontaminierte Oberflächen berührt und wieviel Kontakt man mit anderen Menschen hat.

Dieser Tipp ist simplifiziert. Die Häufigkeit des Händewaschens ist eher von der Häufigkeit von Berührungen mit Menschen und Gegenständen abhängig, zudem kaum durchführbar, wenn man nicht zu Hause ist.

7. Früchte und Gemüse essen und versuchen, nicht nur den Vitamin C Spiegel, sondern auch den Zink Spiegel nach oben zu bekommen! (kids Saft!!)

Natürlich sollte man sich gesund ernähren, dazu gehören auch Obst und Gemüse in ausgewogenen Mengen. Allerdings verhindert das trotzdem nicht, dass man sich infiziert. Auch körperlich gesunde Menschen können sich infizieren, weder ein hoher Vitamin C-Spiegel, noch ein hoher Zink-Spiegel kann das verhindern. Allerhöchstens wird dadurch der Krankheitsverlauf milder, was aber noch nicht bewiesen ist.

Dieser Tipp ist irreführend. Eine ausgewogene Ernährung ist immer gut, eine Infektion findet aber unabhängig von der Ernährung und dem Gesundheitszustand statt.

8. Tiere übertragen das Virus nicht auf den Menschen !

Das ist bedingt richtig. Es gibt derzeit keine Beweise, dass Tiere den Menschen direkt anstecken können. Zwar wurde wenigstens ein Hund einmal „schwach positiv“ auf SARS-CoV-2 getestet (wir berichteten), der Hund war aber nicht direkt infiziert oder erkrankt. Im Prinzip sollte man mit seinem Haustier ohnehin keine „echten Küsse“ austauschen, da dadurch auch Würmer und infektiöse Bakterien übertragen werden können.

Dieser Tipp ist richtig. Hunde und Katzen können sich nicht mit dem neuen Coronavirus infizieren, doch ist es theoretisch (!) möglich, dass sich Viren an der Schnauze oder Rachen befinden, wenn das Tier beispielsweise an einer kontaminierten Oberfläche schnüffelte oder leckte.

9. Unbedingt versuchen, die „normale“ Grippe zu vermeiden, denn so würde das Immunsystem geschwächt. Vermeiden Sie, kalte Getränke und Speisen zu sich zu nehmen!

Dies sind eigentlich zwei Tipps, einer richtig, einer falsch.
Es ist korrekt, dass man eine „normale“ Grippe vermeiden sollte, auch deswegen, da man dadurch auch Schnupfen bekommt und viel niesen muss, wodurch sich das Virus noch stärker verbreiten kann, während bei einer reinen SARS-CoV-2 Infektion ein Schnupfen nur sehr selten vorkommt.

Der zweite Satz ist nur eine Umkehrung des ersten Tipps; es gibt keinerlei Hinweise oder medizinische Begründungen, dass kalte Getränke eine Infektion vereinfachen oder den Krankheitsverlauf verschlimmern könnten.

Dieser Tipp ist halbwahr. Vermeidung einer Grippe ist ohnehin gut (im Prinzip dieselbe Maßnahmen wie das Vermeiden von COVID-19), kalte Getränke oder Speisen beeinflussen jedoch nach bisherigen Kenntnissen weder die Ansteckung noch den Verlauf.

10. Wenn sie irgendein Unbehagen im Hals spüren, z. B. ein Kratzen, dann beginnen sie sofort mit den oben genannten Maßnahmen. Das Virus kommt über den Hals in das System und hält sich 3-4 Tage im Rachenraum auf, bevor es Richtung Lunge wandert.

Flapsig gesagt: Wenn man ein Kratzen im Hals spürt, sind es nicht die Viren, die fröhlich vier Tage lang im Rachen sitzen und einen kitzeln, sondern dann haben sich die Viren schon längst in die Zellen eingenistet und vermehren sich fleißig.

Diese Behauptung entstammt aus einem Kettenbrief, was auch der schönste Beweis ist, dass die obigen Behauptungen nur wild zusammengewürfelt wurden, aber nicht von einer Ärztin stammen.

Viren „campieren“ aber nicht erst vier Tage im Rachenraum, denn ihr erstes Ziel ist es, sich zu vermehren! Dazu dockt sich das neue Coronavirus so schnell wie möglich an Zellen an und „programmieren sie um“, damit weitere Viren produziert werden.

Dieser Tipp ist falsch. Viren haben keinen Zeitplan von vier Tagen; sie docken schnell an Zellen an, um sich zu vermehren. Wenn sich das Genmaterial eines Virus erst einmal in einer Zelle befindet, helfen auch die obigen Tipps nicht.

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Fazit

Die angeblichen Tipps einer Ärztin sind in Wahrheit ein Sammelsurium aus verschiedenen Kettenbriefen, Falschbehauptungen und allgemeinen Gesundheitsratschlägen. Man kann davon ausgehen, dass die Behauptung, dies seien Ratschläge einer Ärztin, nur hinzugefügt wurde, um den Tipps einen Hauch von Seriosität zu verleihen.

Artikelbild: Shutterstock / Von Viacheslav Lopatin
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