Ukrainer in Katar verhaftet – Wurden Nazi-Symbole verbreitet? (Faktencheck)

Auch wenn die Ukraine nicht an der Fußball-WM teilnimmt, sollen die Fans aus der Ukraine in Katar für großes Aufsehen gesorgt haben. Doch ist der Beleg, ein angebliches „Al Jazeera“-Video, wirklich so wahrheitsgemäß?

Autor: Nick L.

Die Behauptung

Ukrainische Fußball-Fans haben in Katar für einen Eklat gesorgt. Drei Landsmänner wurden festgenommen, nachdem sie faschistische Gesten gezeigt und das Maskottchen der Fußball-WM mit Nazi-Symbolen bemalt hatten. Das zeigt ein Video des arabischen Nachrichtensenders „Al Jazeera“.

Unser Fazit

Das Video ist gefälscht, ebenso wie die beschriebene Situation. Auf Anfrage wurde bestätigt, dass „Al Jazeera“ kein derartiges Video produziert hat. Stattdessen ahmten die Fälscher das Logo des Senders missbräuchlich nach und verwendeten für das gefälschte Video Sequenzen aus zwei YouTube-Clips.

Am 20. November startete in Katar die Fußball-WM. Währenddessen tobt der Angriffskrieg in der Ukraine Tag für Tag weiter. ___STEADY_PAYWALL___Sowohl Russland als auch die Ukraine sind bei dieser Meisterschaft nicht vertreten. In sozialen Medien verbreiten NutzerInnen derzeit aber ein Video, welches zeigen soll, dass ukrainische Fans in Katar doch mehr Aufmerksamkeit erlangten, als erwartet.

Video mit betrunkenen Ukrainern

Das Video wird derzeit vor allem auf russischen Telegram-Kanälen und in verschiedensten sozialen Medien gesichtet. Darin wird (angeblich seitens des arabischen Nachrichtensenders „Al Jazeera“) von drei betrunkenen Ukrainern berichtet, die in Doha festgenommen wurden, da sie „Nazi-Symbole“ verbreitet hätten. Die drei Männer hatten demnach einen faschistischen Gruß gezeigt und außerdem das Maskottchen „La´eeb“ auf 10 Postern mit einem Hitler-Bart bemalt.

Clip nicht vom offiziellen Nachrichtensender

Das offizielle Logo des TV-Senders „Al Jazeera“ ist an einigen Stellen des Videos zu sehen. Auch die Machart des Kurzvideos ähnelt ähnlichen Beiträgen des Nachrichtensenders, die er z.B. auf Social-Media-Accounts veröffentlicht. Allerdings gibt es weder auf der Website von „Al Jazeera“ noch auf anderen Internetseiten einen oder mehrere Berichte von dem vermeintlichen Vorfall, was für einen Fake spricht.

Andere kleine Details im Clip liefern weitere Hinweise auf eine Fälschung der Situation. Zum Beispiel kopieren die Macher des Videos die Ortsmarke „Doha, Qatar, 20 NOV 2022“ genau von weiteren Veröffentlichungen des Nachrichtensenders, aber ein kleines Detail fehlt: der Punkt hinter der Jahreszahl.

Auch gegenüber der deutschen Presseagentur (dpa) bestätigt ein Sprecher des Senders, dass es sich um eine Fälschung handelt. „Al Jazeera hat dieses oder anderes Material, das damit in Verbindung steht, nie veröffentlicht“, heißt es.

Aber woher kommen die gezeigten Bilder?

Auch nach einer Recherche der dpa stammt das Videomaterial nicht vom arabischen TV-Sender. Betrachtet man die ersten Szenen aus dem Video, fallen viele Menschen mit gelben Oberteilen auf, die teilweise rot-weiße Fahnen in den Händen halten. Im Hintergrund kann man mehrfach die Aufschrift „Spectator Entrance“ vor einem Eingang lesen. Eine Bildersuche mit dieser Aufschrift und dem Stichwort „World Cup Qatar“ lieferte einen Hinweis auf den Aufnahmeort: Einige Bilder sind im Zuge des Eröffnungsspiels der WM entstanden. Demnach handelt es sich bei dem Hintergrund um Menschen in gelben Equador-Trickots vor dem Al-Bayt-Stadion in Doha.

Genauere Untersuchungen führen auf ein YouTube-Video, aus welchem die Aufnahmen tatsächlich stammen.

Die englische Tageszeitung «The Sun» hat ein drei Stunden langes Video über die Ankunft der Fans beim Eröffnungsspiel veröffentlicht, welches man mittlerweile auf YouTube findet. Drei Stellen aus diesem Clip, darunter direkt der Beginn, wurden für den Hintergrund des offenbaren Fakes verwendet.

Auch Polizisten-Szene hat Ursprung auf YouTube

Ebenso wie die ersten Hintergründe des gefälschten Videos, wurden auch die Szenen mit den Polizisten einem Video aus YouTube entnommen. Dieses ist schon acht Jahre alt und wurde zu seiner Zeit vom arabischen Account „AlrayyanTV“ veröffentlicht, auf welchem mehrere Inhalte von der katarischen Rettungspolizeibehörde „Al Fazaa“ zu finden sind. Ab Minute 6:38 ist die verwendete Szene zu sehen, bei der im Original Polizisten einen älteren Mann kontrollieren, der verwirrt scheint. Dies hat keinesfalls etwas mit der aktuellen Fußball-WM zu tun.

Was ist mit den Nazi-Aufschriften auf dem Maskottchen?

Im gefälschten Video taucht neben den Clips, die YouTube entnommen wurden, auch ein Bild des offiziellen WM-Maskottchens „La’eeb“ mit „Hitlerbart“ und dem Nazi-Gruß „Sieg Heil“ auf. Hier führte eine Bilderrückwärtssuche erstaunlicherweise zu keinen ähnlichen Ergebnissen im Netz. Das ist in dem Sinne ungewöhnlich, dass wenn Poster im Stadionumfeld wirklich so beschmiert worden wären, würde man in den Medien mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliche und weitere Bilder finden. Auf der anderen Seite legt diese Tatsache den Verdacht nahe, dass es sich auch bei diesen Postern um Fakes oder bearbeitete Bilder handelt.

Zu dieser These hat sich ein Faktenprüfer von „Knack“ geäußert, als er die Sequenz von niederländischen Faktenprüfern vorgelegt bekam. Seine Analyse deutete ebenfalls auf eine Manipulation hin: „Dieser Teil wurde in einer anderen Qualität komprimiert als der Rest des Fotos“, schrieben daraufhin die Faktenprüfer. Gleichwohl die Rückwärtssuche im Netz keine Ergebnisse lieferte, gibt es ähnliche Fotos von Werbebanden mit dem WM-Maskottchen, die in Doha entstanden sind.

Immer wieder Fakes zur Legitimation des Krieges

Pro-russische Akteure versuchen immer wieder den russischen Angriffskrieg zu legitimieren, nicht zuletzt durch das Brandmarken der Ukraine und dessen Regierungsvertreter als Rechtsradikale. Neben der Rechtfertigung des Angriffs soll auch die Behauptung der „Entnazifizierung“ der Ukraine gestärkt werden, wobei die Fälschung in diesem Fall offensichtlich auf das Gleiche abzielt. Auch in früheren unserer Faktenchecks wurden diese Muster bereits mehrfach deutlich.

Quelle: Deutsche Presseagentur


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