Massiver Eingriff in die Privatsphäre als sinnvoller Schritt im Kampf gegen das Coronavirus?

A1, ein österreichischer Mobilfunkanbieter, übermittelt Bewegungsströme von Handynutzern an Regierung – Das Wichtigste zu Beginn: Der österreichische Mobilfunkanbieter A1 vergleicht aktuelle Bewegungsströme von Nutzern mit denen vor Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen, um die Pandemie einzudämmen. Laut A1 werden die Daten anonymisiert übertragen. Experten sehen dafür keine Rechtsgrundlage.

Analyse von Bewegungsströmen

Handys liefern enorm viele Daten. Diese nutzt das größte Mobilfunkunternehmen Österreichs nun, um durch Tracken und Vergleichen der Bewegungsströme seiner Nutzer vor und nach den Ausgangsbeschränkungen auszuwerten und die Erkenntnisse daraus an die Regierung zu übermitteln. Das soll zeigen, ob die Beschränkungen innerhalb der Bevölkerung wirklich greifen.

Laut A1 werden die Bewegungsprofile anonymisiert und nicht mit Kundendaten verknüpft weitergegeben. Auch werden nicht einzelne Personen, sondern nur Gruppen ab 20 Menschen getrackt.
Die Bewegungsanalysen werden von A1 und Invenium der TU Graz angeboten.

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Rechtlich gesehen gäbe es laut A1 keine Probleme, auch sei diese Methode DSGVO-konform. Die Weitergabe der Daten soll helfen, die Verbreitung des Coronavirus in Österreich einzudämmen.

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Keine Rechtsgrundlage

Christof Tschohl, Datenschutzrechtler des Research Institute – Digital Human Rights Center sieht jedoch keine Rechtsgrundlage, was den Zugriff auf historische Daten angeht, da diese konstruiert werden müssten. Für ihn wäre lediglich eine kurzfristige Anonymisierung mit extremen Beschränkungen nach den Vorgaben der DSGVO denkbar.

„Das heißt, dass aus dem Live-System des Anbieters gleichzeitig mit der Löschung oder Anonymisierung von Daten nach Ende der Verbindung Informationen `herausgezogen´ werden, die tatsächlich nur anonymisiert sind“, so Tschohl gegenüber dem Standard.

Eine echte Anonymisierung bezeichnet er als „riesige Herausforderung“, was sich auch bei Datenschutz-Folgenabschätzungen immer wieder beweist.

„Hier geht es aber offenbar um den Zugriff auf vorliegende, historische Standortdaten“, erklärt Tschohl weiter.

Die Vorgehensweise ist weder in einem Telekom-, noch in einem Epidemiegesetz ableitbar.

„Aus menschlicher Sicht kann man das schon verstehen. Aber: Der Rechtsstaat verlangt sonst aus guten Gründen Präzision, der Verfassungsgerichtshof zeigt ja, dass das auch streng eingehalten wird. Dass das über Bord geworfen wird, da es schnell gehen muss, finde ich schwer problematisch.
Als Grundrechtler bestehe ich darauf, nur für diesen Anlassfall eine Regelung zu schaffen – die dann aber auch mit einer Klausel außer Kraft tritt.“ Das könne auch ganz schnell gehen, „wenn die Experten aus dem Ministerium und das Parlament nur wollen“.

Tschohl vertritt die Meinung, dass dieser Fall nach einer Sondermaßnahme verlangt.

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Massiver Eingriff in Privatsphäre

Die Neos äußern sich mit Bedenken zu dieser Vorgehensweise und werden parlamentarische Anfragen stellen.

Niki Scherak, stellvertretender Klubobmann der Partei, gibt zu bedenken: „Die Regierung hat in den letzten Tagen sehr viel Macht bekommen, indem sie die Freiheit der Österreicherinnen aus nachvollziehbaren Gründen auf ein Minimum beschränkt hat. Dennoch muss sie nun verdammt verantwortungsvoll damit umgehen. Was keinesfalls passieren darf, ist ein Ausreizen dieser Befugnisse bis hin zu einem möglichen Missbrauch der Macht. Hier wird massiv in die Privatsphäre der Menschen eingegriffen.“

China überwacht und vergibt Farbcodes

Auch in China läuft derzeit eine ähnliche Überwachung. Tech-Riesen haben Apps herausgegeben, mit denen die Bewegungen einer Person bis zu einem Monat zurückverfolgt werden können.
Je nachdem, wie nah eine Person einer Hochrisikozone kam, werden Farbcodes vergeben: Grün, gelb oder rot.

Angewendet wird das in einigen Städten nun in der Form, dass Personen dem Sicherheitspersonal den Farbcode vor der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zeigen müssen. Taxifahrer, Hotels und andere Unternehmen in Wenzhou fragen ebenfalls nach dem Code, bevor Personen passieren dürfen.

Viele Bürger kritisieren diese Vorgehenweise in der Form, dass durch die Überwachungsmaßnahmen für die Kommunistische Partei übernommen werden. Was jedoch zu den meisten Beschwerden führt, ist, dass der Status oft aus unerklärlichen Gründen von grün auf rot wechselt, was zu einer Zwangsquarantäne von 14 Tagen führen kann.

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Ähnliche Maßnahmen in anderen Ländern

In Israel hat das Kabinett ebenfalls die Überwachung via Geotracking von Coronavirus-Infizierten und auch – Verdachtsfällen beschlossen. Auch Bewegungen von Nutzern, die sich in der Nähe aufgehalten haben, sollen getrackt werden. Eine Massenüberwachung ist somit die Folge.
Das Justiziministerium wollte die Maßnahmen erst durch das Parlament bringen, jedoch wurde dieses dann aber umgangen.

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Italien und Belgien diskutiert über ähnliche Maßnahmen. Südkoreas Regierung zieht neben Smartphone-Tracking auch noch Daten aus Kreditkartentransaktionen von Infizierten und Überwachungskamera-Aufnahmen zu ihrem Datenpool hinzu.

Quelle: Der Standard
Artikelbild: Shutterstock / Von SFIO CRACHO

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)