„Ich lasse mich nicht impfen, die Impfstoffe haben ja nur eine Notfallzulassung“ – ein immer wieder auftauchendes Argument. Doch das ist nicht richtig!

„Notfallzulassung“ ist ein sogenanntes Totschlagargument in vielen Diskussionen – die meisten Menschen können nicht dagegen argumentieren, da es in der Tat schon seltsam ist, dass die Impfstoffe so schnell fertig sind und man ja auch in der Presse immer wieder den Begriff las.
Doch was gerne übersehen wird: In Europa gibt es gar keine Notfallzulassungen!

Die bedingte Marktzulassung – mehr als nur Wortklauberei

Ende letzten Jahres schauten viele neidisch in Richtung USA und Großbritannien, als dort schon geimpft wurde, während wir noch warten mussten. Gerne wurde dann auch gemeckert, dass dies typisch EU wäre: immer zu langsam. Doch Langsamkeit war gar nicht der Grund, sondern Gründlichkeit!

Denn tatsächlich gab es in den USA und Großbritannien eine echte Notfallzulassung für die Impfstoffe, in der EU jedoch nicht. Der Grund ist recht einfach: Notfallzulassungen sind in der EU kaum geregelt. Man hätte auf die Schnelle neue Gesetze dafür schaffen müssen, weswegen man auf das zurückgriff, was tatsächlich auch geregelt ist: die bedingte EU-Marktzulassung. Und diese unterscheidet sich stark von einer Notfallzulassung.

Wie unterscheiden sich Notfallzulassung und bedingte Marktzulassung?

Die Notfallzulassung:

Dabei handelt es sich um eine vorübergehende Verwendung eines Arzneimittels unter bestimmten Bedingungen, sofern eine Notsituation vorliegt. In der EU gibt es für Medikamente keine gut geregelten Notfallzulassungen, diese werden aber beispielsweise für Pflanzenschutzmittel erteilt (siehe HIER), allerdings für maximal 120 Tage.

Zwar wären Notfallzulassungen für Medikamente in der EU auch möglich (also eine Zulassung, obwohl noch teilweise wichtige Forschungsergebnisse fehlen), doch müssten die Länder dann selbst entscheiden, welche Punkte für eine Notfallzulassung erfüllt sein müssen und selbst auch die volle Haftung übernehmen.

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Auch werden bei einer Notfallzulassung mehrere Punkte weniger streng beobachtet, wie beispielsweise der Herstellungsprozess, die Zertifizierung der herstellenden Labore und der Umfang der klinischen Daten.

Die bedingte EU-Marktzulassung

Von den Anforderungen her muss eine bedingte Marktzulassung alle Punkte erfüllen, die auch eine ordentliche Marktzulassung mit sich bringt. Allerdings liegen weniger Daten vor. Diese müssen „on the roll“, also ständig nachgeliefert werden.

Durch die Auswertung der ständig neu auftauchenden Daten erklärt sich auch das Hin und Her, was viele Menschen verunsichert: Mal wird beispielsweise der Impfstoff von AstraZeneca zurückgezogen, dann wieder erlaubt, mal ist der eine Impfstoff, dann wieder der andere besser.

Die Punkte, welcher bei einer bedingten Marktzulassung beachtet werden müssen, sind auch sehr viel umfangreicher. Zusätzlich zur Wirksamkeit und Sicherheit müssen auch folgende Punkte erklärt und ständig überwacht werden:

  • die Gruppe der Personen, denen der Impfstoff zu verabreichen ist;
  • die pharmazeutische Qualität und Reinheit des Impfstoffs;
  • die Herstellung und Kontrolle von Chargen;
  • die Einhaltung der internationalen Anforderungen für Laboruntersuchungen und die Durchführung klinischer Prüfungen;
  • die Arten von Immunreaktionen;
  • die Nebenwirkungen z. B. bei älteren Menschen oder Schwangeren;
  • die Etikettierung und Packungsbeilage;
  • die Art und Weise, wie Risiken gehandhabt und überwacht werden, sobald der Impfstoff zugelassen ist.

Es wird auch noch längere Zeit bei einer bedingten Marktzulassung bleiben, also der Möglichkeit, einen Impfstoff sofort wieder zurückziehen zu können, da durch die Schnelligkeit der Entwicklung noch einige Punkte ungeklärt sind.

Beispielsweise sind folgende Fragen noch nicht vollständig geklärt:

  • Sind Geimpfte weiterhin infektiös, und wenn ja: Wie lange?
  • Verhindern Impfungen auch symptomlose Infektionen?
  • Wie lange hält der Impfschutz an?
  • Stoppen Impfungen auch starke oder vielleicht nur milde Infektionen?
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Warum ging die Entwicklung der Impfstoffe überhaupt so schnell?

Ebenfalls ein Kritikpunkt, der oft in Diskussionen auftaucht. Tatsächlich dauert die Entwicklung von Impfstoffen normalerweise bis zu 15 Jahre, wie kann es also sein, dass die Impfstoffe in nur wenigen Monaten fertig waren?

Dies verwundert zwar auf den ersten Blick, bei genauerem Hinschauen ist dies jedoch einfach zu erklären, da vieles bei der Entwicklung der COVID-19 Impfstoffe anders lief als üblich:

  • Statt nur weniger Labore arbeiteten sehr viele Labore weltweit an der Entwicklung, die sich teilweise auch gegenseitig über die Ergebnisse austauschten
  • Da SARS-CoV-2 den SARS- und MERS-Viren ähnelt, konnten die Wissenschaftler auf Erfahrungswerte mit diesen Viren zurückgreifen
  • Die Entwicklung der Impfstoffe wurde weltweit stark gefördert, von den USA beispielsweise mit 8,4 Milliarden Euro, von Deutschland mit 750 Millionen Euro
  • Die üblichen Testphasen bei der Entwicklung der Impfstoffe liefen teilweise parallel ab und wurden miteinander kombiniert
  • Es musste nicht lange nach den für eine klinische Studie nötigen ca. 10.000 Probanden gesucht werden: Viele Menschen meldeten sich aufgrund der Ausbreitung des Virus freiwillig
  • Die Hersteller lieferten der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA ständig und ohne bürokratische Umwege die neuesten Daten und Forschungsergebnisse, sodass die Impfstoffkandidaten parallel geprüft wurden, ohne dabei auf Sorgfalt zu verzichten

Zusammenfassung

Das Argument „Die Impfstoffe haben ja nur eine Notfallzulassung“ greift nicht, da es in der EU gar keine gut geregelte Notfallzulassung für Medikamente gibt und die Länder freiwillig auf eine mögliche Notfallzulassung, bei der sie selbst hätten haften müssten, verzichteten.

Stattdessen haben die Impfstoffe eine bedingte EU-Marktzulassung bekommen. Die zu erfüllenden Punkte sind dieselben, wie bei einer geregelten Marktzulassung. Jedoch liegen weniger Daten vor, die aber ständig nachgereicht werden. Ein Impfstoff kann zudem jederzeit zurückgezogen werden.

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Artikelbild: Von rawf8 / Shutterstock.com
Quellen: TK, SWR, Europäische Kommission, Ärzteblatt, RND
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