Ausgelöst durch die Unruhen im Chemnitz ist auch ein Dokument von 2015 wieder aufgetaucht: ein Antrag, den „Demo-Sold“ für Berufsdemonstranten zu erhöhen.

So sieht das Dokument aus:

Screenshot Facebook
Screenshot Facebook

Zu sehen ist ein Antrag für den Bundeskongress, welcher am 27.-29.11.2015 stattfand. Der Titel lautet „Demo-Sold erhöhen – Demokratie stärken

In dem Dokument steht (in Auszügen):

„Die Jusos unterstützen die Arbeit der „Gewerkschaft der antifaschistischen Berufsdemonstranten“. [Sie] fordern eine Erhöhung des „Demo-Sold“ auf 45 Euro pro Stunde, um auch weiterhin eine permanente Bereitstellung von 48 Bussen mit willigen Berufsdemonstranten tu garantieren.“

Zudem wurde das Dokument an Antifa e.V., Antifa Reisen GmbH, Antifa Catering GmbH, Antifaministerium, Antifa Geldausgabe Halle (Saale), Gewerkschaft antifaschistischer Berufsdemonstranten und dem Juso-Bundeskongress weitergeleitet.

Ist das Dokument echt?

Wenn die Frage lautet, ob dieses Dokument als Solches tatsächlich existiert, dann Ja, es ist tatsächlich echt! Wenn es aber um den Inhalt des Dokumentes geht: Nein, es ist nicht echt.

Verwirrt mich nicht! Was ist denn da nun dran?

Also der Reihe nach: Ja, dieses Dokument existiert wirklich, es ist sogar noch im Internet-Archiv abrufbar. Dabei handelt es sich um einen Antrag aus dem Antragsbuch der Jungsozialisten aus dem Jahr 2015. Auf Seite 91 ist jener Antrag zu finden:

Screenshot mimikama.org
Screenshot mimikama.org

Aha! Nun ist alles klar! Oder?

Nicht so ganz, denn es steckt eine kleine Geschichte hinter diesem skurrilen Antrag der Jusos (welcher übrigens nicht angenommen wurde).

Es begann im Februar 2015…

…als die Jusos der SPD auf eine verrückte Idee kamen. Seit Ende 2014 wurde oft von „der Antifa“ und der „Antifa e.V.“ gemunkelt, als ob dies eine organisierte Vereinigung wäre, ähnlich einer Partei, und nicht etwa die Bezeichnung für eine politische Einstellung.

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Um den Gerüchten, dass es tatsächlich die Antifa gäbe, noch ein wenig Würze zu geben, beschlossen sie, im Februar 2015 an einem Infostand der SPD Halle (Saale), ein Schild anzubringen: „Antifa Geldausgabe„.
Auch wir berichteten 2015 darüber, da wir viele Anfragen bekamen, ob es sich um einen Fake handelt.

Screenshot mimikama.org
Screenshot mimikama.org

Kurz gesagt: Die Jusos haben getrollt. Das Schild diente der Irreführung und der Provokation, gerichtet an jene Leute, die immer wieder behaupten, es gäbe eine „Antifa e.V.“, die vom Staat Geld bekommen würde, um gegen „patriotische Bürger“ zu demonstrieren.

Das Gerücht nimmt Fahrt auf

Im August 2015 verhärtete sich das Gerücht soweit, dass sogar der AfD-Abgeordnete Jörg Henke eine kleine Anfrage stellte, wie hoch die Landesregierung Thüringen Fahrten zu Gegendemonstrationen bezuschusst. Und tatsächlich: Busfahrten von entsprechenden Vereinen werden von dem „Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“ bezuschusst.
Allerdings gelten die angegeben Summen nur für die Busfahrten, einzelne Teilnehmer werden nicht ausgezahlt. Und ein weiterer Wermutstropfen für die, die da schon fast einen Beweis für bezahlte Demonstranten sahen: eine „Antifa e.V.“ wurde auch nicht aufgeführt.

Nun dachten sich einige Mitglieder der Facebook-Gruppe „Vorwärts“, welche zu den Jusos und der SPD gehört, dass man die „Antifa e.V.“-Trollerei noch ein wenig weiter treiben könne:
Ein Antrag muss her!

Und so wurde flugs ein scherzhafter Antrag ins Antragsbuch mit aufgenommen, der so skurril und so unwahrscheinlich klingen solle, dass eigentlich jeder merken müsse, dass dies nicht ernst gemeint sein kann. Aber wie ein Nutzer der Facebook-Gruppe meinte: „Wer an Neuschwabenland glaubt, der glaubt auch das.“

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Und so war es dann auch

Die AfD griff das Thema sofort auf und schrieb auf Facebook von „bezahlter linker Randale“. Die Jusos Magdeburg fertigte Screenshots der Aufregung und posteten sie auf ihrer Facebookseite. Bild-Chefreporter Kai Diekmann meldete sich ebenfalls und fragte nach dem Demo-Sold. Und das Magazin „Compact“ regte sich natürlich auch darüber auf… und musste zähneknirschend ihren Artikel korrigieren. Dafür brauchte „Compact“ dann aber „zuverlässige Quellen“, denn beißende Satire ist nicht für Jeden einfach zu erkennen.

Fazit

Der Antrag findet sich tatsächlich im Antragsbuch der Jusos von 2015. Es handelt sich aber um einen Scherzantrag, der bewusst zur Provokation in das Programm aufgenommen wurde.
Es genügt schon ein wenig Suchen, um herauszufinden, dass es weder eine Antifa e.V., noch eine Antifa Reisen GmbH oder eine Antifa Catering GmbH gibt, geschweige denn eine Antifa Geldausgabe Halle (Saale), der deutlichste Hinweis, dass die Jusos diesen Antrag nicht ernst meinten.

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)