False Balance: Warum Einzelmeinungen in der Öffentlichkeit zu viel Raum bekommen können.
Autor: Andre Wolf
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Speziell in der Coronapandemie haben wir bemerkt, dass Einzelmeinungen oder extreme (und) konträre Ansichten einen sehr großen Platz in der Öffentlichkeit und der Berichterstattung bekommen. Woran das liegt, erklärt das False Balance System.
Hinweis!
Dieser Artikel wurde am 28. Juni 2021 erstveröffentlicht. Aufgrund seiner Aktualität und auch dem darin beschriebenen Problem weisen wir erneut (8.9.2021) auf diese Thematik hin. Sprich: Welche Rolle spielen Medien im False Balance System und wie wird dieses System durch tendenziöse Darstellungen speziell in alternativen Medien radikalisiert?
In dem False Balance (oder False Balancing) System geht es um die falsche Ausbalancierung von Inhalten und deren Darstellung in Medien, speziell aber auch deren sehr selektive und tendenziöse Darstellungen in alternativen Medien und Netzwerken. Denn letzteres stellt eine Radikalisierung des False Balance Systems dar.
False Balance, was bedeutet das denn nun? Dieses System der medialen Verzerrung ist nicht neu und auch nicht von uns erfunden (vergleiche). Gehen wir die Sache zunächst ganz abstrakt an. Nehmen wir an, zu einem bestimmten Thema gibt es eine absolut übereinstimmende Ansicht. Einen sogenannten Konsens. Konsens bedeutet, dass sich im Grunde genommen nahezu alle Beteiligten (vor allem Menschen mit entsprechender Expertise) zu diesem Thema einig sind. Eine andere Ansicht oder gar konträre Meinung gibt es nur bei sehr wenigen oder einzelnen Personen. Diese Personen mit konträrer Ansicht müssen auch keine Fachkenntnisse aufweisen.
Und nun nehmen wir im zweiten Schritt einfach einmal an, dass dieses Thema eine gesellschaftliche Relevanz hat. Zum einen berichten Medien darüber, aber auch auf Social Media wird dieses Thema diskutiert. Dementsprechend können wir bei so einem Thema auch davon ausgehen, dass verschiedene Medien darüber berichten. Dabei kommt es auch zu einer sogenannten „ausgewogenen“ Berichterstattung, die sich darum bemüht, keine Ansichten unter den Tisch fallen lassen zu wollen.
Das ist einerseits natürlich eine ehrenvolle Ansicht, doch ist das auch ein Drahtseilakt. Denn in dem Moment, in dem ich der Ansicht bin, gleichwertig zu informieren, laufe ich in Gefahr, den Einzelmeinungen überproportional viel Raum zu geben. Dadurch wirken sie als „viel“ und „gleichbedeutend“.
Es kann also sein, dass ein absoluter Konsens zu einem Thema in der Mediendarstellung an Bedeutung verliert und die Einzelmeinungen an Bedeutung gewinnen. Der Grund liegt in einer unmoderierten oder unkritischen Darstellung verschiedener vermeintlich legitimer Optionen. Das Problem liegt nun in ihrer Wirkung nach außen. Von außen her betrachtet wirken entsprechend beide Darstellung als gleichwertig und somit auch als gleichwertig legitim.
Ebenso fatal, jedoch häufig geschehen: die Einzelmeinungen werden teilweise in Gesprächsrunden im TV oder auf Podien so besetzt, dass auch dem allgemeinen (und absolut überwältigenden Konsens) immer eine Gegenstimme zugerechnet wird. Diese Plätze werden personell in gleicher Anzahl belegt.
Das jedoch spiegelt nicht die Realität wider und verstärkt nur die Einzelposition. Eine korrekte Darstellung wäre beispielsweise, dass in einer Talkrunde die 9-fache Menge an Positionen für den Konsens gegenüber der Einzelmeinung besetzt wird.
Das geschieht in der Regel jedoch nicht, denn in Talkshows oder auf Podien werden Standpunkte zumeist 1 zu 1 oder maximal 2 zu 1 besetzt. Meist jeweils mit zwei radikaleren und zwei sanfteren und nachdenklichen Positionen. Statt den Konsens zahlenmäßig korrekt darzustellen, wird da lieber auf Krawall und Unterhaltung gesetzt. Somit kann der eigentliche Konsens sogar eine Extrempositionen in der Standpunktbesetzung bekommen, was so nicht richtig ist.
Das radikalisierte False Balance System
In sogenannten alternativen Medien und Netzwerken kann dieser Effekt sogar noch radikalisiert werden. Hier kommt nun die tendenziöse Darstellung und das Framing ins Spiel, sowie auch das berühmte Cherry Picking (zu deutsch: Rosinenpicken).
Das bedeutet, dass Einzelmeinungen auf Meinungswebseiten und Blogs als vollwertig dargestellt werden und der allgemeine Konsens in der Berichterstattung einfach ausgelassen oder manipulativ dargestellt wird. Die Außenwirkung ist an dieser Stelle fatal, denn für die Betrachter wirkt es so, als sei die Einzelmeinung omnipräsent in der Realität.
Das False Balance System haben wir speziell in der Coronapandemie in der sogenannten zweiten Eskalationsstufe bemerkt. Hier wurden Einzelmeinungen von einzelnen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern überproportional häufig in alternativen Netzwerken dargestellt. Dadurch konnte nach außen hin der Eindruck entstehen, dass deren Aussagen gleichwertig sind und auch in der Wissenschaft als gleichwertig anerkannt sind (hier unser entsprechender Artikel). Das ist jedoch nicht der Fall.
Gleichzeitig wird um die Einzelansichten der Bedeutungsrahmen so gelegt, dass der allgemeine und gesicherte Konsens negativ oder kaum dargestellt wird. Am Ende bleibt lediglich die Einzelmeinung als legitime Darstellung übrig, was auch die Auswirkung nach außen bestimmt.
Das False Balance System als Kommunikationsstrategie.
Auch auf Social Media kommt dieses System zum Tragen. Das passiert immer dann, wenn ganze Gruppen die Kommentarspalten zu einem bestimmten Thema stürmen. Hierbei soll ebenfalls eine manipulative Außenwirkung erschaffen werden.
Diese Gruppen sorgen durch ihr vermeintlich mehrheitliches Auftreten dafür, dass sie eine Deutungshoheit für Ihre Meinung bekommen. Diese Deutungshoheit muss nicht der Realität entsprechen, sondern existiert in diesem Moment nur virtuell.
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Dennoch wirkt die Außendarstellung so, als ob es die legitime und mehrheitliche Meinung sei. An dieser Stelle ist das False Balance System eine bewusst eingesetzte Kommunikationsstrategie zur Manipulation der außenstehenden Leserinnen und Leser.
Eine falsch ausbalancierte Darstellung in Medien und Netzwerken kann also am Ende manipulativ sein. Dementsprechend ist es wichtig, Standpunkte auch kritisch zu hinterfragen oder auch auf die Ausgangssituation zu schauen: Welche Standpunkte entsprechen dem Konsens und sind nachvollziehbar, belegt und akzeptiert. Und welche Darstellung ist nur eine Einzelmeinung.
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