Über das Flüchtlingslager auf Lesbos wird viel diskutiert, doch die Wenigsten wissen, worüber sie überhaupt reden.

Manchmal kommt es einem so vor, als ob sich viele Menschen unter dem Lager auf Lesbos ein mehr oder weniger gemütliches Zeltlager vorstellen.
Der diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger Markus Golla war vor Ort und berichtet über die dort herrschenden Zustände.

Vor wenigen Wochen verschärfte sich die Situation auf der griechischen Insel Lesbos. Das Flüchtlingslager Camp Moria, ursprünglich war es als Registrierungsstelle gedacht, brannte innerhalb einer Nacht nahezu komplett ab.

 

Von den 13.000 Personen, viele lebten im Camp bereits seit vielen Jahren, waren von heute auf morgen obdachlos. 4000 Kinder und fast 1500 Menschen mit Behinderungen mussten die ersten Tage in der Wildnis verbringen. Dies generierte für alle eine unkontrollierbare Situation. 80.000 BewohnerInnen und 13.000 Flüchtlinge im Ausnahmezustand.

Schnell wurde ein neues Lager (Kara Tepe) gebaut und die Flüchtlinge mit allen Mitteln motiviert ins neue Lager zu kommen. „Motiviert“ bedeutete, dass „Verteilen von Essen“ unter Strafe stand. Die meisten Personen kamen freiwillig, viele folgten wenige Tage später, um endlich Nahrung zu bekommen.

Doch das neue Camp steht noch am Anfang. Es wurden Zelte (nahezu ausschließlich von UNHCR) errichtet und Dixie WCs errichtet. Doch die meisten Unterkünfte haben keinen richtigen Boden, Betten gibt es gar nicht und die einzige Duschmöglichkeit ist, ein Bad im Meer zu nehmen.

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Durch die geringe Anzahl der Dixies begannen die meisten Menschen in Plastikflaschen zu urinieren, damit die WCs nicht übergehen. Ähnlich sieht es bei der Nahrungsausgabe aus. Wasser und Lebensmittel sind stark rationiert. Spricht man mit den Menschen, erzählen viele Mütter und Kinder, dass es im alten Camp viel geregelter war. Es gab Container für die Kinder und Menschen mit Behinderung und damit eine Überlebenschance im Winter.

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Erhält jemand einen positiven Asylbescheid muss er/sie umgehend das Lager verlassen. Es gibt dann weder Essen, Trinken, noch eine Unterkunft. Zusätzlich entsteht ein Spießrutenlauf bei Ämtern, den man ohne griechische Unterstützung kaum meistern kann. Die Spur dieser Personen verliert sich oft am Festland. In ein anderes Land weiterziehen dürfen diese Menschen aber nicht. Hier stellt sich die Frage, was das geringere Übel ist: ein Leben in einem Camp mit diesen Bedingungen oder ein Leben auf den griechischen Straßen ohne Essen und Schlafplatz.

Die gesamte Situation ist vielleicht in warmen Monaten gerade noch aushaltbar, doch die Wintermonate auf Lesbos sind kalt und sobald der erste Schnee kommt, könnte sich die Situation schnell ändern. Wie es dann für diese Menschen weitergeht, ist kaum vorstellbar.

Die Fläche des neuen Camps wurde bereits für 5 Jahre gepachtet, ein Ende des Lagers ist also nicht in Sicht.

Welches Ergebnis der kalte Winter und Covid19 bringen wird, mag sich ein normal denkender Mensch mit Empathie gar nicht ausdenken.

Artikel, Bilder und Video:
Markus Golla, Studiengangsleiter „GuK“ IMC FH Krems, Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall), Kommunikationstrainer & Incentives-Experte, Lehrer für Gesundheit- und Krankenpflege (Studium Umit/Wien)

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Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)