Irpin unter Beschuss – BBC-Reporter inszeniert seinen Beitrag?

Ein BBC-Reporter soll in einem Beitrag eine akute Gefahr nur gestellt haben – diesen Eindruck sollen zumindest einige Standfotos erwecken. In dem Originalvideo sieht es jedoch anders aus.

Autor: Mimikama

Wir brauchen deine Hilfe – Unterstütze uns!
In einer Welt, die zunehmend von Fehlinformationen und Fake News überflutet wird, setzen wir bei Mimikama uns jeden Tag dafür ein, dir verlässliche und geprüfte Informationen zu bieten. Unser Engagement im Kampf gegen Desinformation bedeutet, dass wir ständig aufklären und informieren müssen, was natürlich auch Kosten verursacht.

Deine Unterstützung ist jetzt wichtiger denn je.
Wenn du den Wert unserer Arbeit erkennst und die Bedeutung einer gut informierten Gesellschaft für die Demokratie schätzt, bitten wir dich, über eine finanzielle Unterstützung nachzudenken.

Schon kleine Beiträge können einen großen Unterschied machen und helfen uns, unsere Unabhängigkeit zu bewahren und unsere Mission fortzusetzen.
So kannst du helfen!
PayPal: Für schnelle und einfache Online-Zahlungen.
Steady: für regelmäßige Unterstützung.

Die Behauptung

Ein BBC-Reporter soll in einem Beitrag eine akute Gefahr nur gestellt haben – diesen Eindruck sollen zumindest einige Standfotos erwecken.

Unser Fazit

Nein, der BBC-Bericht von Jeremy Bowen aus Irpin war nicht gestellt. Die Bewohner der Stadt flohen zu dem Zeitpunkt vor russischem Beschuss, der auch im Originalvideo zu hören ist. Eine Frau, die im Hintergrund des Beitrags zu sehen ist, duckt sich ebenfalls kurz. Dieser Ausschnitt wurde in den online geteilten Beiträgen nicht verwendet.

Schon seit Ende Februar tobt der Krieg in der Ukraine und bereits wenige Wochen nach Beginn der Bombardierungen, attackierten die russischen Truppen auch die ukrainische Stadt Irpin, nahe der Hauptstadt Kiew. Der BBC-Reporter Jeremy Bowen berichtete in der BBC-Nachrichtensendung Live aus der Stadt, inmitten zahlreicher Schüsse. In den sozialen Netzwerken gibt es momentan mehrere Diskussionen und Beiträge darüber, ob Bowen gewisse Szenen aus seinem Beitrag nur inszeniert habe.

Die Bilder seien angeblich inszeniert
Die Bilder seien angeblich inszeniert

BBC-Reporter Bowen berichtet aus Irpin

In den sozialen Medien verbreiten sich momentan viele Bilder und Screenshots, entnommen aus einem Videobericht des britischen Fernsehsenders BBC. In Letzterem informiert der Reporter Jeremy Bowen über die aktuelle Lage der unter Beschuss stehenden Stadt Irpin.

Bowen trägt Helm und Schutzweste mit der Aufschrift „Press“ (dt. Presse) und liegt – in die Kamera schauend – mit seinem Mikrofon in der Hand auf dem Boden. Im Hintergrund sieht man eine Frau mit einer mittelgroßen Tasche in der Hand, die sich zu fragen scheint, was gerade passiert. Deshalb stellt sich die Frage, ob keine unmittelbare Gefahr bestand, sodass man sich hätte auf den Boden legen müssen.

Die Behauptung

„Ein BBC-Reporter berichtet heldenhaft „aus dem Schützengraben“, während eine fassungslose Frau aus einem nahe gelegenen „Graben“ nicht versteht, was da vor sich geht“, so heißt es unter einem Facebook-Beitrag, der einen Screenshot aus dem Bericht enthält.

Weitere User im Netz berichten von einer übertriebenen Darstellung der Situation; in einigen Fällen wird gar von einer Täuschung gesprochen. Auch gescherzt wird über die Situation im Videobeitrag: Manche sprechen von einer „schauspielerischen Darbietung“, andere NutzerInnen „glauben“ die Frau käme gerade vom Markt mit ihren vollen Einkaufstüten, während sich der Reporter vor Beschuss schütze.

Die Fakten

Im Laufe des Fernsehberichtes der BBC, in dem Jeremy Bowen über die aktuelle Lage in Irpin Bericht erstattet, sind immer wieder Einschläge zu hören. Außerdem sieht man zahlreiche Flüchtlinge, die ihre Habseligkeiten (Koffer, Taschen, Kuscheltiere aber auch echte Hunde und Welpen) tragen und jeden Versuch unternehmen, in Richtung Kiew zu entkommen.

Auch eine junge Familie, die den Nachforschungen zufolge noch in Irpin starb, war im Video zu sehen. Wie viele andere Menschen, waren sie auf dem Weg über eine Brücke, die nach Kiew führte. Zum Schutz vor Luftangriffen kauerten viele Zivilisten auch neben bzw. unter der Brücke.

Die Brücke im Hintergrund
Die Brücke im Hintergrund, Quelle: New York Times

Diese Brücke ist schon von vielen Fotoaufnahmen bekannt und im Hintergrund des Reporters zu sehen. Auch dieser erwähnt, dass viele Zivilisten anwesend seien. Er befand sich in einer Szene am Rand der Stadt.

Bowen in Irpin, die zerstörte Brücke im Hintergrund
Bowen in Irpin, die zerstörte Brücke im Hintergrund

Foto ohne Kontext – Szene wirkt gefahrlos

Die Frau im Hintergrund des Videos ging während der Berichterstattung ebenfalls in Deckung, anders als in vielen Screenshots zu sehen. Das liegt daran, dass sie am Ende der Szene in Bowes Richtung blickt und schließlich aufsteht. In diesem Moment wurden die Fotoausschnitte aus den sozialen Medien angefertigt, wonach die ganze Szene harmloser aussieht, so die dpa im factchecking. Anschließend dreht sich die Frau mit den Taschen weg. Sie scheint wie die anderen in sich gekauerten Personen auf der Flucht aus Irpin gewesen zu sein.

Demnach kann man sagen, dass dem Foto der Kontext des gesamten Fernsehberichtes fehlt. Es ist nur ein Bildausschnitt, in dem die ganze Situation anders wirkt als in dem Video. Dort ist ja eben auch zu sehen, wie die Frau und andere Personen ebenfalls in Deckung gingen. Die Gefahr, um auf dem Boden zu liegen, war also durchaus gegeben.

In einem Twitter-Post äußert sich der Reporter selbst zu den Anschuldigungen: „Beleidigt mich, wenn ihr wollt. Beleidigt nicht Tausende von Zivilisten, die über die Irpin-Brücke nach Kiew vor dem russischen Beschuss und den Kriegsverbrechen flüchten“, so Jeremy Bowen. Die Behauptung, er würde bei dem Einsatz etwas vortäuschen sei somit falsch.

Fazit

Nein, der BBC-Bericht von Jeremy Bowen aus Irpin war nicht gestellt. Die Bewohner der Stadt flohen zu dem Zeitpunkt vor russischem Beschuss, der auch im Originalvideo zu hören ist. Eine Frau, die im Hintergrund des Beitrags zu sehen ist, duckt sich ebenfalls kurz. Dieser Ausschnitt wurde in den online geteilten Beiträgen nicht verwendet.

Autor: Nick L.

Quellen:

AFP, dpa
Unterstützen 🤍

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!

Mit Deiner Unterstützung via PayPal, Banküberweisung, Steady oder Patreon ermöglichst Du es uns, Falschmeldungen zu entlarven und klare Fakten zu präsentieren. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied. Vielen Dank für Deine Hilfe! ❤️

Mimikama-Webshop

Unser Ziel bei Mimikama ist einfach: Wir kämpfen mit Humor und Scharfsinn gegen Desinformation und Verschwörungstheorien.

Abonniere unseren WhatsApp-Kanal per Link- oder QR-Scan! Aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine aktuelle News-Übersicht sowie spannende Faktenchecks.

Link: Mimikamas WhatsApp-Kanal

Mimikama WhatsApp-Kanal

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Kämpfe mit uns für ein echtes, faktenbasiertes Internet! Besorgt über Falschmeldungen? Unterstütze Mimikama und hilf uns, Qualität und Vertrauen im digitalen Raum zu fördern. Dein Beitrag, egal in welcher Höhe, hilft uns, weiterhin für eine wahrheitsgetreue Online-Welt zu arbeiten. Unterstütze jetzt und mach einen echten Unterschied! Werde auch Du ein jetzt ein Botschafter von Mimikama

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.