Seit dem 27. November 2017 beschreiben verschiedene Medien das „Phänomen K.o. Challenge”, auch auf Facebook gibt es dazu Statusmeldungen.

Volkssport: Rentner verprügeln. Unter Jugendlichen würde eine „K.o. Challenge” grassieren, so schreiben es Medien, e gibt laut Hamburger Morgenpost zwei Videos dazu. Man erfährt in der Hamburger Morgenpost, dass in diesen beiden Videos Jugendliche Senioren nach dem Weg fragen und sie daraufhin unvermittelt schlagen. Diese Überfälle wurden gefilmt und via Snapchat versendet, später von Dritten abgefilmt und auf weiteren Portalen verteilt (unter anderem auch YouTube und Facebook).
Wir haben ein Video auf Facebook sehen können und es bestätigt inhaltlich den schlichtweg verabscheuungswürdigen K.o.-Schlag. Das zweite Video haben wir noch nicht sichten können.
Schaut man sich alle anderen Medienberichte zu dem Thema an, so beziehen diese sich bis dato auf den Artikel der Hamburger Morgenpost, dieser dürfte auch den Begriff „K.o. Challenge“ geprägt haben. Neben der Medienberichterstattung gibt es auch die „Facebookberichterstattung”, die es wieder mal nicht ganz so genau mit der Wahrheit nimmt und sich lieber auf Emotionen stützt:
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Inhaltlich wird hier wiedergegeben, was auch die Hamburger Morgenpost beschreibt:

BITTE TEILEN!!!
Der neue „Volkssport“ in Deutschland – schlagt die alten deutsche Säcke –
Jugendliche halten einen Rentner an, fragen ihn nach dem Weg. Plötzlich holt einer von ihnen aus und schlägt dem alten Mann ins Gesicht, der daraufhin umkippt wie ein gefällter Baum… Derzeit kursieren furchtbare Videos im Netz. „K.o.-Challenge“ – so nennt sich dieses widerliche Phänomen.
Wie lange wollen wir das noch ohne geringste Gegenwehr zulassen?

Das Problem liegt jedoch in der optischen Umsetzung, denn dieses Foto zeigt keinen der beiden betroffenen Senioren.

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Zürich, 2009

Das Bild zeigt Hans W. aus Zürich. Dieser wurde im Jahr 2009 von einem Unbekannten geschlagen und verlor in der Folge das Augenlicht (vergleiche). Dieses Foto hat weder etwas mit einer mutmaßlichen Challenge zu tun, noch ist es aktuell. Vermutlich wurde für diese Statusmeldung aus Mangel an authentischer Bebilderung einfach ein Bild genutzt, welches symbolhaft gelten soll, ohne als Symbolbild gekennzeichnet zu sein.

Medienkritik

Ebenso erstaunlich ist mal wieder die berichterstattende Kreativität: Wie kommt man zu der Annahme, dass es sich um eine Challenge handeln würde? Schauen wir uns klassische Social Media Challenges an, so haben diese wiederkehrende Elemente:

  • Es gibt eine mehr oder weniger stark definierte Aufgabenstellung in Form einer Herausforderung (-> Challenge).
  • Diese Aufgabenstellung muss durch den Herausgeforderten bewältigt werden.
  • Nach erfolgreicher Bewältigung wird der Herausgeforderte selbst zum Herausforderer und nominiert mindestens eine weitere Person.
  • Eine Challenge soll nach Möglichkeit viral gehen und so viele Teilnehmer wie möglich haben.
Die Frage ist also, welche dieser klassischen Merkmale auf die beiden Prügelvideos, welche laut Medienbericht ursprünglich auf Snapchat zu sehen waren, wirklich zutreffen? Gerade Snapchat mit seinen kurzlebigen Inhalten taugt eher weniger dazu, eine Viralität der Inhalte aufzubauen. Wir haben das entsprechende Video dazu auch auf Facebook zu Gesicht bekommen und sehen darin keine Elemente, die für eine virale Challenge sprechen. In dem Video werden keine weiteren Personen mehr oder weniger direkt dazu animiert, diese Tat nachzuahmen.

In unseren Augen dürfte daher an dieser Stelle der Begriff „Challenge” eher irreführend angewendet worden sein und als Beschreibung für die beiden widerwärtigen Angriffe ebenso wenig passend sein, wie die Untermalung mit einem Bild aus dem Jahr 2009.

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)