Kaliumiodid-Hysterie: Vorsicht!

Autor: Andre Wolf

Die Angst vor einem Atomschlag Russlands treibt viele Menschen in die Apotheken. Ihr Vorhaben: Kaliumiodid kaufen. Doch wir warnen.

Putin hat nun also nach Medienangaben seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Diese Mitteilung versetzt viele Menschen in Angst. Eine Angst, die von Putin natürlich gezielt aufgebaut wird. Viele der Verängstigten treibt also die Furcht vor den Folgen einer möglichen radioaktiven Strahlung in die Apotheken, in denen sie Kaliumiodid kaufen wollen. Diese Tabletten bieten Schutz vor der Einlagerung von radioaktivem Jod in die Schilddrüse. Am Ende verringern somit das Krebsrisiko.
Mittlerweile gibt es auch Medienberichte, die von erhöhter Nachfrage und Engpässen bei den käuflich erwerbbaren Mitteln für Erwachsene bis 40 Jahre gibt (vergleiche). Die Frage ist jedoch, wie sinnvoll die Beschaffung dieser Medikamente ist und welche Gefahren sich bei einer Fehleinnahme ergeben.

Kaliumiodid-Tabletten: Wirkung

Was passiert denn eigentlich bei der Einnahme der Kaliumiodid-Tabletten? Das österreichische Sozialministerium beschreibt, dass das stabile Iod der Kaliumiodid-Tabletten die Schilddrüse vorübergehend mit Iod (Iod-Blockade) sättigt. Das eingeatmete radioaktive Iod wird daher von der Schilddrüse nicht mehr aufgenommen, sondern vom Körper rasch wieder ausgeschieden.
Auf der Informationsseite des Sozialministerums erfahren wir also, dass auf diese Weise hohe Strahlendosen für die Schilddrüse vermieden und damit das Auftreten von strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs praktisch auf null gesenkt werden könne. Voraussetzung für die volle Wirksamkeit der Tabletten ist jedoch, dass sie vor Eintreffen der radioaktiven Luftmassen eingenommen werden.
Ergo: Die rechtzeitige Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten bietet einen sehr wirksamen Schutz vor strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs. Und hier ist der Zeitpunkt wichtig, denn die Wirksamkeit der Kaliumiodid-Tabletten ist am größten, wenn die Einnahme kurz vor Eintreffen der radioaktiven Luftmassen erfolgt. Bei einer verspäteten Einnahme sinkt die Wirksamkeit, bei zu später Einnahme sind die Kaliumiodid-Tabletten nach Angaben des Sozialministeriums praktisch wirkungslos.

Also Kaliumiodid-Tabletten kaufen und nehmen? Nein!

Vorsicht! Blindes Handeln führt zu Problemen. Große Mengen Jod sind auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Wer also einfach Tabletten kauft und sie auch nach eigenem Ermessen konsumiert, setzt sich entsprechenden Nebenwirkungen aus.
Eine Einnahme ist nur nach ausdrücklicher Aufforderung empfohlen. Diese Aufforderung erfolgt durch die Katastrophenschutzbehörden und niemand anderem (also auch keinem YouTube, TikTok oder Telegram-Kanal irgendwelcher Angstmacher). Sollte dieser Fall eintreten, dann ist auch bereits die einmalige Einnahme ausreichend. Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz gibt dazu an, dass weitere Tabletten nur eingenommen werden sollten, wenn die Katastrophenschutzbehörde dies empfiehlt.
Merke: Diese Tabletten sind also keine Art Schutzschild, die vor einer radioaktiven Strahlung generell schützen.

Wenn du über 40 Jahre alt bist …

Solltest du 40 Jahre und älter sein, wird dir generell von einer Einnahme von Jodtabletten zur Schilddrüsenblockade abgeraten. Hier überwiegen die Risiken von Nebenwirkungen gegenüber dem Nutzen der Kaliumiodid-Tabletten.
Es handelt sich also um eine reine Angstmache, die dazu führt, dass erwachsene Menschen über 40/45 Jahren sich in der aktuellen Situation mit Kaliumiodid-Tabletten privat versorgen wollen.
Die Versorgung für die übrigen Teile der Bevölkerung ist sowohl in Deutschland, als auch in Österreich behördlich gesichert. Je nach Bundesland gibt es in Deutschland im Ernstfall unterschiedliche Ausgabestellen. In Österreich ist eine Bevorratung in Schulen gewährleistet, die wichtigsten Zielgruppen (unter 18-Jährige, Schwangere und Stillende) können die Tabletten kostenlos in Apotheken beziehen.

Kaliumiodid in der aktuellen Situation?

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beobachtet derzeit die Situation in der Ukraine. Nach aktuellen Angaben (27.02.2022) liegen keine belegbaren Hinweise vor, dass radioaktive Stoffe in erhöhtem Maße ausgetreten sind. Nach Einschätzung des BfS wären mögliche Konsequenzen in allen beobachteten Fällen vor allem lokaler Natur.
Zudem wird darauf verwiesen, dass eine Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten nur in den am stärksten betroffenen Gebieten erforderlich sei. In Ernstfällen werden von Strahlenschutzbehörden andere Maßnahmen empfohlen oder angeordnet (z.B. Aufenthaltsbeschränkungen im Freien, Vermarktungsverbote für kontaminierte Lebensmittel).
Bitte daher NICHT von irgendwelchen Kettenbriefen oder Stille-Post-Meldungen verunsichern und zu falschem Verhalten verleiten lassen.

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