Faktencheck: Bildet das Bataillon Asow Kindersoldaten aus?

Angeblich werden ukrainische Kinder durch das als ultrarechts geltende Asow-Bataillon nach dem Vorbild des „IS“ an der Waffe zu Kindersoldaten ausgebildet. Verschiedene Fotos in den sozialen Netzwerken sollen dies belegen.

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Autor: Susanne Breuer

Faktencheck: Bildet das Bataillon Asow Kindersoldaten aus?
Faktencheck: Bildet das Bataillon Asow Kindersoldaten aus?

Das Regiment Asow

Das Regiment Asow, so der offizielle Name, ist eine sowohl in der Ukraine als auch im Ausland sehr umstrittene paramilitärische Freiwilligeneinheit, die unmittelbar dem Innenministerium unterstellt ist. Sie wurde von nationalistischen Politikern gegründet, viele Angehörige vertreten teilweise offen rechtsextremistische Positionen und verwenden die entsprechenden Symbole. Außerdem werden gute Beziehungen zu den deutschen rechtsextremen Organisationen III. Weg und Identitäre Bewegung gepflegt.
 2014 zählte das Regiment Asow etwa 850 Soldaten. 2017 gingen Beobachter von einer Truppenstärke von mehr als 2500 Söldnern aus (HIER). Mittlerweile gibt es eine eigene Bürgerwehr und eine Partei. Zurzeit ist das Regiment eine der wichtigsten Kampfeinheiten bei der Verteidigung der Stadt Mariupol und trainiert Freiwillige für den  Kampfeinsatz (HIER).

Kindersoldaten: Fotos mit Kindern an der Waffe

Es sind Posts bzw. Bilder wie diese, die derzeit breit geteilt werden und suggerieren, dass in der aktuellen Krise sehr junge Kinder bewaffnet und offenbar auf Kampfeinsätze vorbereitet werden sollen. Kindersoldaten! (HIER)

Nazi-Narrativ

Das Regiment Asow wird in diesen Posts „als eine Gruppe von Nazis“ beschrieben. Rechtsextremistischen Züge von Teilen dieser Einheit lassen sich in der Tat nicht von der Hand weisen. Die Existenz dieser Freiwilligeneinheit, die auch von früheren ukrainischen Regierungen finanziert wurde, wird unter anderem von der russischen Regierung genutzt, um die das Narrativ des Angriffs als letztem Mittel zur Entnazifizierung der Ukraine zu begründen. Diese Posts befeuern dieses Narrativ auf eine sehr emotionale Art und Weise.
 Fakt ist aber auch, dass die Einheit in der Ukraine selbst sehr umstritten ist. Mehr zur Begründung der „Entnazifizierung“ HIER.

Ganz offensichtlich gibt es also Rechtsextreme in militärischen Einheiten der Ukraine, wenngleich die Mitglieder des Regiments Asow Veteranen sind. Wie hoch dieser Anteil von Rechtsextremen, beziehungsweise Neonazis im ukrainischen Militär ist, ist nicht feststellbar. Ihn als Legitimation eines Einmarschs zu sehen, entspricht einem vom Kreml verbreiteten Narrativ. Die weltweit überwiegende Meinung sagt jedoch, dass dieser militärische Einmarsch durch nichts zu rechtfertigen ist.

Ein sehr lesenswertes Interview über die Hintergründe der Asow-Bewegung gab der Journalist Michael Colborne den Belltower News (HIER).

Die Fotos

Verschiedene Faktenchecker, wie z.B. die österreichische Nachrichtenagentur APA sind dem Thema bereits nachgegangen und haben sich die Fotos einmal genauer angeschaut. Dabei hat sich gezeigt, dass sie allesamt NICHT aktuell sind und zum Teil deutlichst vor dem Ukraine-Krieg entstanden sind (HIER)

Paramilitärisches Ferienlager

Die APA hat recherchiert, dass die vor allem auf Facebook derzeit verbreiteten Fotos  alt sind und nichts mit dem aktuellen Einmarsch Russlands in die Ukraine zu tun haben. Die Fotos würden ein paramilitärisches Ferienlager zeigen, welches von der „Asow“-Gruppe organisiert wurde und sich an Kinder und Jugendliche richtete.

Woher stammen die Fotos?

Hier die APA-Recherche (HIER) zu den Bildern. Insgesamt enthält der inkriminierte Post 9 Bilder. Auf allen sind Kinder abgebildet, die militärisch gekleidet sind, mit Waffen oder Waffenattrappen hantieren und patriotisch posieren. Einige Kinder tragen Überwürfe, auf denen in „Азовець” („Asowez”) steht. Auch ist eine gespiegelte Version der neonazistischen Symbols der „Wolfsangel“ zu sehen, einem“Idea of the Nation“-Symbol, das z.B. in Deutschland verboten ist (HIER).

Keines der Fotos ist aktuell oder steht in Zusammenhang mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022.

  1. Das erste Bild stammt von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) (HIER) und wurde am 8. Juli 2017 außerhalb von Kiew in einem „paramilitärischen Camp für Kinder” aufgenommen.
  2. Der Ursprung des zweiten Fotos ist unklar, es taucht aber bereits in einem russischen Artikel von August 2015 (HIER) auf.
  3. Das dritte Bild ist auch von der AP (HIER) und stammt von 14. Juli 2017.
  4. Das vierte Bild muss zwischen den Jahren 2016 und 2017 entstanden sein, wie die Foto-Datenbank des Dokumentarfotografen Alex Masi (HIER) zeigt.
  5. Der Ursprung des fünften Bildes bleibt ebenfalls unklar, die Bildrückwärtssuche TinEye (HIER) datiert den frühesten Treffer aber auf August 2015.
  6. Das sechste Bild findet sich auf der Webseite der European Pressphoto Agency (EPA) (HIER) und entstand am 12. August 2015 am Stadtrand von Kiew. Der Bildbeschreibung zufolge ist das militärisch-patriotische Sommerlager „Asowez” zu sehen, das von dem freiwilligen Bataillon „Asow” für Kinder organisiert wurde, deren Eltern in der ostukrainischen Konfliktzone wohnen sowie für andere Kinder aus Kiew. Die Kinder würden dort über das Militär lernen, Selbstverteidigung und Überlebensfertigkeiten üben sowie Sport machen.
  7. Das siebente Foto wurde im April 2016 im Sozialen Netzwerk VK (HIER), das stark in Russland genutzt wird, gepostet. Die Userin (HIER) arbeitet eigenen Angaben zufolge für das Bataillon „Asow”. Wie sich deren VK-Seite (HIER) entnehmen lässt, soll den Kindern von Ausbildern des Bataillons u.a. beigebracht werden, mit Waffen umzugehen und Erste Hilfe zu leisten. Vorträge und Filmvorführungen zu historischen und patriotischen Themen sollen ihnen zudem die Bedeutung ihres Heimatlandes näher bringen.
  8. Das vorletzte Bild wurde am 14. August 2015 von einem Fotografen der französischen Nachrichtenagentur AFP gemacht und wird ebenfalls einem Sommercamp des „Asow”-Bataillons zugeschrieben. Es findet sich auch in einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (HIER).
  9. Das letzte Foto taucht bereits im März 2014 in der Bilder-Suchmaschine TinEye (HIER) auf. Es ist unklar, ob es im Zusammenhang mit den Sommercamps steht.

Ferienlager mit nationalistischen Zügen

Über die Sommerlager und das Bataillon „Asow” gibt es mehrere Medienberichte, etwa vom britischen Guardian (HIER), der Nachrichtenagentur Reuters (HIER), dem Sender Radio Free Europe/Radio Liberty (HIER) und dem Recherchekollektiv Bellingcat (HIERHIER). Einigen Berichten zufolge weisen Teile der Gruppierung, etwa der „Nationalkorps”, starke extremistische und nationalistische Züge auf. Davon ist auch in einem Bericht des US-Außenministeriums (HIER) aus dem Jahr 2019 sowie in einem Bericht der US-amerikanischen NGO Freedom House (HIER) von 2018 die Rede.

Nach Angaben von Bellingcat (HIER) erhielten mehrere ukrainische rechtsaußen-Gruppierungen, darunter der „Nationalkorps”, finanzielle Unterstützung von der Regierung für „national-patriotische Bildungsprojekte”. Inwieweit auch Geld davon in die paramilitärischen Sommercamps geflossen ist, lässt sich nicht sagen. Auch die Nachrichtenagentur AP (HIER) berichtete im Jahr 2018, dass das ukrainische Ministerium für Jugend und Sport „junge und patriotische Erziehung” finanziell unterstützte, darunter auch Jugendcamps.

Aus einem Video der „New York Times” (HIER) geht hervor, dass die Sommercamps im Jahr 2015 gegründet wurden, also ein Jahr nachdem Russland die Krim annektierte. Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinen Einmarsch im Februar 2022 mehrmals mit der „Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine” (HIER) erklärt. Wenngleich es in der Ukraine mehrere rechtsextreme Gruppierungen gibt, ist das Narrativ höchst umstritten. Medienberichten (HIER) zufolge formierte sich das „Asow”-Bataillon erst bei den Euromaidan-Protesten 2013 und 2014. Laut Experten (HIER) würde es das extremistische Bataillon ohne den Krieg nicht geben.

Vorbereitende Propaganda?

Die britische BBC (HIER) berichtete, dass es laut dem Technologieunternehmen Logically seit letztem November einen starken Anstieg von Social Media-Postings gibt, die die Ukraine mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringen. Es stellt sich daher die spekulative Frage, ob hier seitens Russlands möglicherweise vorbereitende Propaganda betrieben wurde, um den Angriffskrieg später begründen zu können.

Ein Grund für das aktuelle Interesse an „Asow” könnte die Tatsache sein, dass das Bataillon trotz der Charkiwer Provenienz führender Vertreter in der Stadt Mariupol am Asowschen Meer entstanden ist und die Gruppierung in der derzeit heftig umkämpften Stadt eine wichtige Rolle in der Verteidigung spielt.

Fazit

Keines der Fotos zeigt Kindersoldaten, die aktuell vom wegen rechtsextremer Züge umstrittenen Asow-Regiment zu Kindersoldaten ausgebildet werden, um gegen Russland zu kämpfen. Für alle Bilder konnte nachgewiesen werden, woher sie konkret stammen, bzw. dass sie deutlich vor diesem Krieg entstanden sind.

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