Münchener Kliniken lehnen russische Patienten ab?

Autor: Annika Hommer

Im Netz ist das Foto eines Briefes aufgetaucht, in dem sich die drei Chefärzte einer Münchener Privatklinik angeblich sehr deutlich dagegen aussprechen, in Zukunft russische und weißrussische Patienten zu behandeln. Auch eine andere Münchener Klinik äußert sich angeblich ähnlich.


Im Faktencheck: Lehnen Münchener Kliniken russische Patienten ab?


IATROS-Klinik

Das Erste zur Diskussion stehende Papier ist in der Kopfzeile mit IATROS-Klinik in München überschrieben, enthält den Brieftext und drei offenbar handschriftliche Unterschriften der drei Chefärzte und Klinikeigentümer. Gerichtet ist das Schreiben an die lieben Kolleginnen und Kollegen. Die Art der Verteilung des Schreibens bleibt unklar. Ist es lediglich händisch in Postfächer verteilt worden oder gefaxt?
In jedem Fall wird sehr eindeutig Position bezogen im Ukraine-Krieg. Der russische Überfall auf die Ukraine wird aufs Schärfste verurteilt. Die Behandlung von russischen und weißrussischen Patienten wird grundsätzlich abgelehnt, geplante Behandlungen seien abzusagen, angesetzte OPs nicht durchzuführen, selbst am OP-Tag sollten diese noch vom OP-Plan genommen werden.
Wie dieses Schreiben den Weg ins Netz gefunden hat, ist unklar. Fakt, es hat dort einigermaßen für Unruhe gesorgt und ist natürlich auch von diversen verschwörungserzählenden Seiten begeistert aufgenommen worden.
MIMIKAMA
Die drei Chefärzte der inkriminierten IATROS-Klinik, allesamt Fachärzte für Anästhesie, haben mittlerweile reagiert und eine Stellungnahme auf ihrer Homepage veröffentlicht (HIER).
MIMIKAMAWir lernen zwei Dinge. Das Schreiben mit dem kategorischen Behandlungsverbot für russische und weißrussische Patienten ist tatsächlich so verfasst und veröffentlicht worden. Und zweitens hat die Klinik verstanden, dass spontaner, nicht durchdachter Aktionismus nicht klug ist, auch wenn er aus den besten Motiven heraus geschieht.
Die Klinik hat angekündigt, in Zukunft keinerlei Unterschiede in der Behandlung ihrer Patienten zu machen und alle Nationalitäten zu behandeln. Und hat als persönliche Sanktion 10.000 € an Ärzte ohne Grenzen überwiesen.

Münchener LMU

Aus München wird auch ein zweiter, ähnlich gelagerter Fall öffentlich.
Hier hat die Direktorin der Klinik für Humangenetik am Klinikum der Universität München, Ortrud Steinlein, der Geschäftsführerin einer auf Medizintourismus spezialisierten Agentur eine sehr erboste Mail geschrieben. Auch hier der Tenor, dass als Konsequenz für den von dem russischen Präsidenten Putin ausgelösten Angriffskrieg auf die Ukraine keine russischen Patienten mehr behandelt werden sollen. Als Begründung führt sie an, eine Behandlung lehne sie „aufgrund der schweren Völkerrechtsverletzung durch den offenbar geistig gestörten Autokraten Putin ab sofort grundsätzlich ab“. Hier wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ukrainische Patienten „natürlich herzlich willkommen“ seien.


Die Adressatin dieser Nachricht, Irina Ioudina, ist die Geschäftsführerin des Münchener Unternehmens Medical Munich, das sich auf Dienstleistungen rund um die medizinische Behandlung von russischsprachigen Patienten in Deutschland spezialisiert hat. Und das ist die Besonderheit in diesem Fall. Die Klinikdirektorin hat sich in ihrer Nachricht nicht gegen die Aufnahme russischer Patienten im Allgemeinen gewandt, sondern lediglich gegen jene, die aus dem Ausland zur Behandlung, Untersuchung und Rehabilitation an die Klinik kommen.
Das Bekanntwerden der Nachricht hat viele Menschen sehr empört. Die Russlandfeindlichkeit hat im Zuge des Krieges deutlich zugenommen und stellt für russischstämmige Menschen eine besondere Belastung dar.
Sehr schnell wurde auch diese offenbar im emotionalen Furor versandte Nachricht von der Klinikleitung wieder eingefangen. T-Online meldet, die Ärztin habe sich mittlerweile entschuldigt und die Klinik die Darstellung korrigiert. Das sei „kein offizielles Statement“ gewesen, heiße es von der LMU auf Anfrage und die Ärztin habe „in einer sehr emotionalen Situation ihre persönliche Meinung mitgeteilt“ (HIER).
Die LMU schreibt auf ihrer Homepage (HIER):

„Uns erreichen derzeit Anfragen, ob es korrekt sei, dass wir Patientinnen und Patienten aus kriegsführenden Ländern nicht mehr behandeln. Das ist nicht richtig. Das LMU Klinikum wird weiterhin alle Patientinnen und Patienten, die unsere Hilfe benötigen, behandeln, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, Religion, kultureller oder geschlechtlicher Orientierung. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gilt allen Menschen, die unter Kriegshandlungen leiden und Schaden nehmen.“

Im Falle von Medical Munich wird es aber dennoch bis auf Weiteres nicht zu Behandlungen von Russen durch die Vermittlung des Unternehmens kommen. Man habe allen Kunden abgesagt, da durch die Sanktionen die Einreise per Flug nicht mehr möglich sei und die zumeist selbstzahlenden Kunden auch kaum Möglichkeiten hätten, aufgrund der nicht mehr funktionierenden Kreditkarten ihre Rechnungen zu bezahlen (HIER).

Fazit

Beide Schreiben sind echt. In beiden Fällen wurde unüberlegt auf die russische Invasion reagiert. Und beide Kliniken haben im Nachgang des öffentlichen Shitstorms klargestellt, dass russische und weißrussische Patienten uneingeschränkt weiter behandelt würden.

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