„Nächster Lockdown am 30. August!“ – Was ist da dran?

Autor: Ralf Nowotny

"Nächster Lockdown am 30. August!" - Was ist da dran?
"Nächster Lockdown am 30. August!" - Was ist da dran?

Ursprünglich von einem einzigen Video ausgehend wird die Behauptung gestreut, es gäbe bald einen „neuen Lockdown“.

Jenes Video besteht aus einem Interview mit einem Mann, der behauptet, durch eine „besondere Verbindung“ exklusive Informationen zu haben: Es solle am 30. August bundesweit „einen zweiten Lockdown“ geben.

Behauptung über einen zweiten Lockdown, Quelle: YouTube
Behauptung über einen zweiten Lockdown, Quelle: YouTube

Die Informationen sollen von einem Gemeinderatsmitglied aus Osthessen stammen, der Mann in dem Interview habe Mitte Juli mit dem Gemeinderatsmitglied gesprochen, der „nicht länger schweigen wolle“.

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Was das Gemeinderatsmitglied behauptet

Während dem nichtöffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung am 20. Juni wurde der Bürgermeister darauf angesprochen, ob es einen neuen Lockdown geben werde. Der Bürgermeister erwiderte daraufhin, dass ein Termin schon feststehe: Es sei am oder um den 30. August.

Der Bürgermeister habe dies frei vorgetragen, besäße aber ein Schreiben „von höchster Stelle“, in dem er darüber informiert wurde, das ganze sei schon länger geplant.

Die Schlussfolgerungen des Videos

Die Interviewpartner kommen beide zu dem Schluss, dass die eigentlichen Zahlen der Corona-Infizierten gar keine Rolle spielen würden, sondern ein Lockdown „aus anderen Motiven heraus“ gesehen solle.

Jeder solle nun bei seiner Gemeinde nachfragen ob das stimme. Wenn diese dann „verkniffen schauen“, könne man seine Schlüsse draus ziehen.

Der Interviewpartner

Am stärksten verbreitet sind Kurzversionen des Interviews, diese dauern 13:55 Minuten, und man erfährt nicht, wer der Interviewpartner eigentlich ist.

Im Originalvideo, welches 21:53 Minuten lang ist und wir oben verlinkten, stellt sich der Mann auch vor: Es handelt sich um Thomas Bayer, einem Aktivisten der „Querdenken“-Bewegung, unter denen sich nicht nur Kritiker der Corona-Maßnahmen, sondern auch Extremisten, von Rechten bis zu Reichsbürgern, finden.

„Denkt doch mal logisch!“

Diesen Satz lasen wir unzählige Male – wir sind die „Schlafschafe“, doch wenn man logisch und rational nachdenke und hinterfrage, könne man zu keinem anderen Schluss kommen, dass alles bereits geplant sei.

Nun gut. Dann wollen wir mal auf den Rat hören und logisch denken – mal schauen, zu welchem Schluss wir kommen.

Die Gemeinderatssitzung

Laut Thomas Bayer fand diese am 20. Juni statt, was er mehrmals wiederholte. Der 20. Juni war ein Samstag. Am Wochenende finden solche Sitzungen nicht statt.

Die Anzahl der Mitwisser

Der Bürgermeister einer Gemeinde in Osthessen wusste darüber also Bescheid, da das Schreiben „von höchster Stelle “ kam. Logische Schlussfolgerung: Es ist davon auszugehen, dass alle Gemeinden Deutschlands darüber informiert wurden.

Deutschland hat 11.014 Gemeinden (Stand: 31.12.2018). Wir haben also rund 11.000 Bürgermeister, die nicht nur alle schwiegen, sondern von denen augenscheinlich nur einer dies mit seinen Gemeinderäten kommunizierte.

Zu diesen 11.000 kommen aber natürlich noch sämtliche verantwortlichen Politiker aller Parteien auf Landes- und Bundesebene, die darüber Bescheid wissen müssen – auch die Politiker, die sich gerne gegen die Corona-Maßnahmen aussprechen.

Dazu auch noch eine Unzahl von behördlichen Mitarbeitern, die mit jenem Schreiben zu tun haben, vom Entwurf über Versand bis zur Zustellung oder Einordnung – und alle schwiegen.

Wer weiß, wie schwierig es ist, ein Geheimnis schon unter einer Handvoll Freunde zu bewahren, kann sich vielleicht vorstellen, wie absolut unmöglich dies bei mehreren Tausend Personen funktionieren soll.

Der bundesweite Lockdown

Mal vollkommen davon abgesehen, dass es in Deutschland nie einen echten Lockdown (bei dem alles stillsteht, kein Geschäft und kein Unternehmen arbeitet) gab, sondern einen Shutdown (bei dem „nur“ die Wirtschaft zum großen Teil still steht):

Ein bundesweiter Lockdown würde auch überhaupt gar keinen Sinn ergeben, da die Zahlen in den jeweiligen Bundesländern viel zu verschieden sind. Die Länder würden sich also mit Sicherheit nicht auf einheitliche Maßnahmen einigen, das taten sie schon die ganze Zeit nicht.

Logisch genug gedacht?

Was sagen diverse Stellen zu der Behauptung?

T-Online befragte David Rauber, Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebunds. Dieser sagte:

„Wenn es ein solches Schreiben an die 422 Städte und Gemeinden in Hessen geben würde, würde ich das kennen.“

Ein Sprecher des Hessischen Innenminsteriums äußerte sich so:

„Das gibt es nicht, und zu glauben, so was ließe sich geheim halten, ist großer Nonsens. Ein Schreiben von solcher Tragweite würde bereits schon durch Mitarbeiter in unserem Ministerium innerhalb von Stunden an die Öffentlichkeit sickern.“

Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt äußert sich folgendermaßen auf eine Anfrage:

„Bei der von Ihnen genannten „bekanntermaßen Planung, Ende August einen zweiten Lockdown für 3 bis 6 Monate durchzuführen“ handelt es sich um gezielt gestreute Falschinformationen. Insbesondere in Krisenzeiten bergen solche Gerüchte die Gefahr, Menschen weiter zu verunsichern oder sogar in eine Radikalisierung zu treiben. Wir können Ihnen versichern, dass der Stadt Frankfurt am Main keine Anordnung o.ä. von der Bundesregierung zu einem Lockdown Ende August vorliegt.“

Und hier die Antwort der Stadt Bochum auf eine Anfrage:

„Wir haben keine Kenntnis von einem geplanten Lockdown am 30.08.
Grundsätzlich hängt dies von der Inzidenzzahl der letzten sieben Tage
ab, d.h. wie viele Neuinfektionen es in den vergangenen sieben Tagen
gab. Wenn es mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner*innen
gibt, ist ein Lockdown eine mögliche Konsequenz. Dieser wird dann jedoch
vom Land für die bestimmte Stadt/Region angeordnet.“

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Fazit

Das Gerücht über einen „zweiten bundesweiten Lockdown“ stammt aus einer eher zweifelhaften Quelle und lässt sich auch rein logisch absolut nicht begründen.

Weitere Quelle: ARD Faktenfinder
Artikelbild: Shutterstock / Von Winner Creative

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