Das singende Mädchen vor dem Reichstag: Diskussion um den Liedtext

In einem kurzen Video sieht man ein Mädchen auf Ukrainisch vor dem Reichstag singen. Doch was sie singt, sorgt für Diskussionen: Geht es gegen russische Soldaten oder gegen Russen allgemein?

Ein Moment Ihrer Zeit für die Wahrheit.

In einer Welt voller Fehlinformationen und Fake News ist es unser Auftrag bei Mimikama.org, Ihnen zuverlässige und geprüfte Informationen zu liefern. Tag für Tag arbeiten wir daran, die Flut an Desinformation einzudämmen und Aufklärung zu betreiben. Doch dieser Einsatz für die Wahrheit benötigt nicht nur Hingabe, sondern auch Ressourcen. Heute wenden wir uns an Sie: Wenn Sie die Arbeit schätzen, die wir leisten, und glauben, dass eine gut informierte Gesellschaft für die Demokratie essentiell ist, bitten wir Sie, über eine kleine Unterstützung nachzudenken. Schon mit wenigen Euro können Sie einen Unterschied machen.

Stellen Sie sich vor, jeder, der diese Zeilen liest, würde sich mit einem kleinen Beitrag beteiligen – gemeinsam könnten wir unsere Unabhängigkeit sichern und weiterhin gegen Fehlinformationen ankämpfen.

So kannst Du unterstützen:

PayPal: Für schnelle und einfache Online-Zahlungen.
Steady oder Patreon: für regelmäßige Unterstützung.

Autor: Ralf Nowotny

Die Behauptung

Vor dem Reichstag soll ein Mädchen davon singen, dass alle Russen vernichtet werden sollen.

Unser Fazit

Sie verwendet nicht das ukrainische Wort für Russen, sondern singt von „Russnia“, was eher ein abwertender Begriff für die russischen Soldaten ist, aber auch als spöttischer Begriff für alle Russen verwendet werden kann.

Keine Frage: Außer einigen wenigen Leuten (die aber umso lauter sind) hierzulande, sind sich alle darin einig, dass Russland einen illegitimen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Auch keine Überraschung: Den Ukrainern gefällt dies nicht sonderlich, sodass sie natürlich ihr Missfallen zum Ausdruck bringen. In dem Zusammenhang kursiert ein kurzes Video, in dem ein Mädchen zu sehen ist, welches vor dem Reichstag ein Lied singt.
Doch singt sie nun in der letzten Zeile von russischen Soldaten oder von allen Russen?

Das verbreitete Video

In dem kurzen Video sieht man ein Mädchen, umhüllt mit einer ukrainischen Flagge, die letzten Zeilen eines Liedes mit ukrainischem Text zu der Melodie des Partisanen-Liedes „Bella Ciao“ singen.

Screenshot des verbreiteten Videos
Screenshot des verbreiteten Videos

In den letzten Zeilen des Liedes wird einhellig gesagt, dass das Mädchen davon singe, es würde „bald keine Russen mehr geben“ und dann „Frieden auf der ganzen Welt“ sein wird – für einschlägige Kreise ein eindeutiger Beweis, dass Ukrainer in Wirklichkeit Faschisten seien, die Russland auslöschen möchten (ohne dabei zu bedenken, dass derzeit Russland dabei ist, die Ukraine auslöschen zu wollen).

Ein Blick auf die Textzeilen

Die von dem Mädchen gesungene, ukrainische Coverversion von „Bella Ciao“ ist auch auf YouTube, inklusive deutschen Untertiteln, zu finden:

In den letzten Textzeilen singt sie aber nicht direkt von Russen, sondern von „Russnia“, welches in den Untertiteln auch extra mit einem Stern markiert wurde, da sich in der Beschreibung des Videos dazu eine Anmerkung findet.

In dem Lied geht es um "Russnia"
In dem Lied geht es um „Russnia“

Die kompletten letzten Zeilen lauten übersetzt:
Und unser Volk hier, die Ukrainer
Die ganze Welt gegen Russnia* vereint hat schon
Und bald wird’s keinen Russnia* mehr geben
Doch wird es Frieden auf der Welt

In der Beschreibung des Videos heißt es:

„Russnia“ ist ukrainischer Slang für aggressive, fremdenfeindliche Russen, die von der Kreml-Propaganda des russischen imperialen Nazismus beeinflusst sind

Die Kollegen von Correctiv haben das Lied einer Übersetzerin gegeben, die die Zeilen begutachtete. Sie bestätigte die Aussage in der Beschreibung des Videos: Das Wort „Russnia“ sei eine umgangssprachliche Bezeichnung für russischen Soldaten und sei „seit dem Kriegsanfang oft zu hören“. In seltenen Fällen bezeichne es jedoch pauschal alle Russinnen und Russen.

Mit Blick auf verschiedene Seiten können wir herleiten, dass das Wort „Russnia“ (русня) eine Ableitung von „Russen“ (русские) ist und als beleidigendes Wort genutzt wird. 2014 tauchte das Wort gehäuft auf, viele Ukrainer bezeichneten mit „Russnia“ russische Bürger, die die Annexion der Krim unterstützen und russische Politiker, die sich gegen die Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken aussprachen und für die Wiedererrichtung des großrussischen Reiches (Rusnya) eintraten.

Russenhass oder Hass auf russische Soldaten?

Wie ihr merkt, lässt sich das so also eindeutig nicht sagen. In dem Lied geht es komplett um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, insofern ergibt es Sinn, dass mit „Russnia“ speziell die angreifenden Soldaten gemeint sind. Auch in der Vergangenheit wurden damit eher Russen bezeichnet, die sich für ein Großrussland in den alten Grenzen aussprachen.

Jedoch kann es auch anders übersetzt werden, nämlich spöttisch gegen alle Russen gerichtet. Und da liegt es nun im Auge des Betrachters: Wir können als „Außenstehende“ noch einen relativ objektiven Blick auf die Situation werfen, wir können noch sagen, dass ja nicht alle Russen so sind, dass sie „gehirngewaschen“ werden, dass man die Schuld Putin und seinen Generälen geben sollte, jedoch nicht ganz Russland.

Doch wie sieht es aus Sicht der Ukrainer aus? Sie haben nun wirklich nicht die Ruhe, darüber zu philosophieren, ob nur Putin und seine Generäle und Soldaten oder alle Russen böse sind, wenn ihnen gleichzeitig die Raketen um die Ohren fliegen. Vielleicht auch aus diesem Grund ist der Text zweideutig: Es kann mit „Russnia“ die Soldaten gemeint sein, aber mit anderer Interpretation auch alle Russen.

Doch wäre es dann schon Faschismus? Darf man es wirklich Faschismus nennen, wenn ein angegriffenes Volk sauer auf das angreifende Land und seine Bewohner ist und diese mit einem Schimpfwort belegt? Dürfte sich jemand, der mich verprügelt, beleidigt fühlen, wenn ich ihn ein Ar…loch nenne und dann behaupten, ich sei ein Rüpel, weil ich ihn so nenne?

Der Liedtext ist ganz sicher nicht sehr politisch korrekt. Doch das ist ein Angriffskrieg gegen ein kleines Nachbarland auch nicht. Und Wörter töten nicht. Raketen schon.

Unterstützen 🤍

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!

Mit Deiner Unterstützung via PayPal, Banküberweisung, Steady oder Patreon ermöglichst Du es uns, Falschmeldungen zu entlarven und klare Fakten zu präsentieren. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied. Vielen Dank für Deine Hilfe! ❤️

Mimikama-Webshop

Unser Ziel bei Mimikama ist einfach: Wir kämpfen mit Humor und Scharfsinn gegen Desinformation und Verschwörungstheorien.

Abonniere unseren WhatsApp-Kanal per Link- oder QR-Scan! Aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine aktuelle News-Übersicht sowie spannende Faktenchecks.

Link: Mimikamas WhatsApp-Kanal

Mimikama WhatsApp-Kanal

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Kämpfe mit uns für ein echtes, faktenbasiertes Internet! Besorgt über Falschmeldungen? Unterstütze Mimikama und hilf uns, Qualität und Vertrauen im digitalen Raum zu fördern. Dein Beitrag, egal in welcher Höhe, hilft uns, weiterhin für eine wahrheitsgetreue Online-Welt zu arbeiten. Unterstütze jetzt und mach einen echten Unterschied! Werde auch Du ein jetzt ein Botschafter von Mimikama

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.