Thema “Schüler verweigert Moscheebesuch: 300 € Bußgeld”

Autor: Andre Wolf

Aufgrund der vielen Anfragen greifen wir nun dieses Thema auf, obschon zu sagen ist: nein, bei dem Rechtsstreit handelt es sich um keinen Fake. Es gibt lediglich eine gewisse Anzahl verschiedener Berichterstattungen, welche teilweise tiefgründiger, andere boulevardesk oberflächlicher sind.

Wir halten uns bei der Wiedergabe zu dem Thema neben der bekannten Quelle des Anwaltes auch an dem recht faktischen Artikel der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (SHZ)[1], da dieser sowohl recht detailliert auf den Ursprung des Streits eingeht, aber auch beleuchtet, wer alles an dem Streit beteiligt ist, was für das Gesamtbild nicht unerheblich ist. In den Grundzügen ist die Berichterstattung zu diesem Thema bisher hier einig: ein Siebtklässler war im Juni 2016 einem Schulausflug aus weltanschaulichen Gründen ferngeblieben. Die Eltern gaben an, keiner Glaubensgemeinschaft anzugehören und sahen daher in dem Besuch der Moschee eine„religiöse Indoktrination“. Sie gaben an, dass ihr Kind ebenfalls konfessionslos sei und das auch bleiben solle..

Ursprung

Die SHZ erklärt hier in dem Artikel mit dem Titel “Schüler fehlt in der Moschee – Strafe”:

Die Eltern eines Siebtklässlers am Gymnasium Kronwerk in Rendsburg verweigerten die Teilnahme ihres Sohnes an einer Gebetshaus-Besichtigung. Sie gaben ideologische Gründe an. Jetzt bittet der Schulträger sie zur Kasse.

Diese Aussage ist schon einmal wichtig zur Differenzierung, da man durchaus die Frage in den Raum werfen kann, was der Antrieb des Fernbleibens gewesen ist. Es ist nun daraufhin so gekommen, wie es gekommen ist: im Juni 2016 blieb der Schüler dem Besuch der Moschee fern. Das ist ein Fakt und darauf beruht nun die ganze Geschichte. Daraufhin wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und den Eltern jeweils ein Bußgeld von 150 € auferlegt. Grund: Fernbleiben vom Unterricht. Nach Angaben der SHZ bestätigte ein Sprecher des Kreises Dithmarschen diesen Vorgang. So wird Björn Jörgensen wiedergegeben:

„Es ist richtig, dass Bußgelder in Höhe von jeweils 150 Euro gegen Mutter und Vater erhoben worden sind“

Der Darstellung des Anwaltes der Familie handelt es sich bei dem Besuch der Moschee jedoch nicht um einen Beitrag zum Unterricht. Der Anwalt Heumann aus Düsseldorf argumentiert [2], dass es sich bei dem Besuch der Moschee im Zuge des Erdkundeunterrichtes um keinen zwingenden kontextuellen Inhalt gehandelt habe:

Wie erschließt sich einem 13-jährigen Kind das Thema „Der Orient – Machtfaktoren Wasser und Erdöl“ durch den Besuch einer Moschee in einer norddeutschen Kleinstadt, zumal der Islam im „Orient“ genauso uneinheitlich (Sunniten, Schiiten und Ibaditen) etabliert ist wie die christlichen Kirchen (lateinisch, orthodox), Glaubensgemeinschaften und Sekten in aller Welt?

Im Großen und Ganzen legt die Verteidigerschrift nun dar, warum der Junge gar nicht hätte verpflichtend an dem Besuch der Moschee teilnehmen müssen und somit das Bußgeld nicht zu zahlen ist.

Der aktuelle Stand

Die Fronten sind derzeit verhärtet: die Eltern haben Einspruch gegen den Bescheid eingelegt und der Fall liegt nun bei der Staatsanwaltschaft in Itzehoe. Ob es zu einem Prozess vor dem Amtsgericht kommen wird, wird dort entschieden.

Ebenso gibt es gemäß SHZ auch bereits eine Aussage des Landrates des Kreises Rendsburg-Eckernförde, Dr. Rolf-Oliver Schwemer:

„So wie mir der Fall geschildert wurde, hätte die Angelegenheit möglicherweise auch anders geklärt werden können“

Weitere Aussagen gibt es so weit nicht, der Sprecher des Kreises Dithmarschen gab an, dass er zu einem laufenden Verfahren keine weiteren Angaben machen darf.

Blick auf Anwalt und Familie

Die SHZ wirft zudem noch einen Blick auf den Anwalt: bei Alexander Heumann handelt es sich um keinen Unbekannten. Heumann ist in dem Bereich von DÜGIDA (siehe Video), sowie nach Aussagen der SHZ auch im Bereich der Bürgerbewegung “Pax Europa” zu finden. In der Verteidigungsschrift des Anwaltes ist auch ein sog. Großzitat des Bundesgeschäftsführers von Pax Europa (Thomas Böhm) zu finden.

Die SHZ gibt an, dass sich Familie und Anwalt über Pax Europa kennengelernt haben. So lautet es in der SHZ:

Ihr gehöre er an, über diesen Weg habe er die Eltern des 13-Jährigen kennengelernt. Der rechtskonservative Verein „Pax Europa“ will über eine von ihm behauptete „schleichende Islamisierung Europas“ aufklären.

Abschließende Einschätzung

Und wieder ein Fall, welcher die Nationen spaltet. Unserer Auffassung nach zudem völlig überflüssig, da diese Diskussion vermeidbar gewesen wäre. Im Grunde ist recht deutlich, dass die Konfrontation nun gewollt ist. Nach aktuellem Wissenstand stellen sich die Fragen: warum haben die beiden Positionen keinen Konsens gefunden? War den Lehrern bekannt, dass es sich bei den Eltern des Schülers um Menschen handelt, die den Islam, ja nach eigenen Aussagen generell Religionen ablehnen? Wenn ja, warum ist dann die Schule nicht darauf eingegangen? Welche Gespräche haben im Vorfeld stattgefunden? War die Lösung eines Ersatzunterrichtes in anderen Klassen angedacht? Haben überhaupt Gespräche zwischen Schule und Eltern im Vorfeld stattgefunden? Diese Fragen sind bisher noch offen, sollten jedoch dringend geklärt werden, wenn man ein komplettes Bild zu der Situation haben möchte.

Es ist natürlich durchaus nachvollziehbar, wenn jemand keine konfessionellen Gebäude betreten möchte. Zudem ist es aktuell auch ein Stück Zeitgeist, dass pädagogische Inhalte mit Schnittpunkten zum Islam derzeit sehr laut und vor allem in den sozialen Netzwerken stark kritisiert werden. Das sollte nicht nur Pädagogen bewusst sein, dass sollte durchaus jedem bewusst sein. Selbst vor dem Verfassen von Artikeln wie diesem ist es mir als Autor bewusst, dass dieser a) eine Diskussion auslöst und b) nicht überall auf Zustimmung stößt. Daher mache ich es einmal deutlich:

Ich kritisiere BEIDE Seiten. Ganz klar.  Das müssen sich an dieser Stelle alle Beteiligten gefallen lassen. Wie soeben angeführt, so war es doch anzunehmen, dass der Besuch einer Moschee im Jahr 2016 durch eine deutsche Schulklasse Empörung hervorrufen kann. Da reicht es am Ende, wenn ein einziger Elternteil dieses nicht wünscht. Dank Netzwerke gehen diese Meldungen steil und werden zu einer Walze.

So hier geschehen. Ebenso nervt es, wenn nun diese Geschichte so dermaßen hochgespielt wird, als fände eine Indoktrinierung in den Schulen statt. Auch das nervt den Betrachter. Irgendwie klingt das ganze gerade konstruiert gewollt.

Persönlich denke ich …

Aus den Diskussionen der vielen letzten Monate lese ich immer wieder, dass die Schulen einfach stärker säkularisiert werden sollen, um diese Ausschweife gar nicht erst entstehen zu lassen. Es geht immer wieder breitflächig um die Angst, dass die Kinder dem Islam zu nahe kommen. Gestern war es noch ein Gebet, welches zweisprachig vorgetragen wurde (“Muslimische Inhalte eines ökumenischen Schuljahresanfangsgottesdiensts” [3]), heute geht es um den Besuch einer Moschee im Zuge der Erdkundeunterrichts. Immer wieder geht es dabei um “Zwänge” oder schleichende Islamisierung als Argument.

Ich glaube bald, wenn man diese Unterrichtseinheiten freiwillig anbietet, würden dennoch viele Schüler daran teilnehmen. Ich bin mir fast sicher, dass in Rendsburg auch fast alle freiwillig teilgenommen hätten, alle eben bis auf einen. Und den Teilnehmern sozialer Netzwerke wäre ein weiteres Theater erspart geblieben. Noch mehr nervt es mich, dass durch die ständigen schwarz/weiß, bzw. gut/böse Darstellungen täglich aufs Neue polarisiert wird.

Jemand schwänzt die Schule, das ist nicht zum ersten Mal auf der Welt passiert, doch wurde ein Fall nie so extrem medial aufgearbeitet. Und warum? Weil Eltern mit ihrem Anwalt aus einem Moscheebesuch ein Politikum machen. Ob zurecht oder zu unrecht, dass muss man für sich entscheiden. Zudem schlägt eine große österreichische Boulevardzeitung mit hinein, ohne nach Hintergründen zu fragen.  All das wird abermals zu einer Zerreißprobe in sozialen Netzwerken. Ein Mittelweg in diesem Fall wäre toll gewesen, ein Konsens durch beide Seiten hätte auch die Hoffnung gegeben, dass am Schluss eben nicht immer alles radikal gespalten enden muss. So sitze ich wieder kopfschüttelnd hier.

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