QAnon gibt wieder Vollgas und verknüpft Themen wie Evergreen, Pizzagate und die Adrenochrom-Legende. Was ist da los?

Schon wieder wird ein neuer QAnon Mythos auf Social Media und im Netz verbreitet. Erneut geht es um Kinder, die angeblich von Eliten gefangen gehalten wurden. Diese Kinder sollen sich auf dem Schiff befunden haben, dass den Suezkanal blockiert hat. Laut der QAnon-Erzählung wurde das Schiff bewusst im Rahmen einer militärischen Aktion gestoppt, da sich dort über 1000 Kinder in den Containern befunden haben sollen. Diese wurden angeblich befreit.

Es ist ja nicht neu, dass die QAnon-Erzählungen von verschleppten und gefangen gehaltenen Kindern erzählen. Damit verknüpft war 2016 bereits der Pizzagate-Mythos. Das ist eine Erzählung, bei der angeblich aus einer Pizzeria in Washington heraus ein Kinderpornoring agierte. Bis heute hält sich in QAnon-Kreisen die Überzeugung, dass Hillary Clinton darin verwickelt sei.

Sehr ähnlich verhält es sich auch mit der sogenannten Adrenochrom Legende. Nochmals kurz: angeblich halten „die Eliten“ Kinder in unterirdischen Höhlen gefangen. Dort wird ihnen auf grausame rituelle Weise ein Hormon entnommen, das sogenannte Adrenochrom. Dieses Hormon soll eine Art Jungbrunnen sein, mit dem sich die Eliten für immer jung halten. In den Erzählungen werden meist linksliberale Politiker, Künstler oder Juden als Eliten interpretiert und mit einem nicht näher beschriebenem Satanismus (=das unsäglich Böse) in Verbindung gebracht.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich bei QAnon-Erzählungen häufig um antisemitische und rechtsradikale Mythen handelt. Donald Trump galt beispielsweise bis dato als Heilsbringer der Szene.

Wir haben bereits in vergangenen Artikeln verdeutlicht, dass es sich hierbei um uralte Ritualmordlegenden handelt (siehe hier), die in neuem Gewand auftauchen. Und nun verknüpfen sich diese Legenden. Das bedeutet, wir können auch eine Art Mechanismus erkennen, der innerhalb der QAnon-Erzählungen genutzt wird.

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Anlassbezogene Themen: Evergreen!

Wir stellen fest, dass die Erzählungen anlassbezogen Themen aufgreifen. Es handelt sich um Themen aus der täglichen Weltgeschichte. In diesem Fall ist es das Schiff, welches den Suezkanal blockierte. Hier wird im Nachhinein die Situation neu interpretiert.

Um es zu verdeutlichen: Über einen realen Vorfall wird ein bestehendes Verschwörungsmuster gelegt. Dadurch wird ein neues Bild auf eine Situation geworfen. Diese wird dann so interpretiert, dass sie in das Universum der eigenen Verschwörungserzählungen passt.

Und das ist auch jetzt geschehen. Das bedeutet, dass die bereits bestehende Geschichte über die gefangenen Kinder hier weitererzählt wird. Sie wird schlichtweg um ein Kapitel erweitert und somit anlassbezogen in die Realität projiziert.

Und wie funktioniert ein Faktencheck dazu?

Es ist natürlich kaum möglich, an dieser Stelle wirklich einen Faktencheck zu machen. Wir haben es hier mit Narrativen zu tun, also mit sinnstiftenden Erzählungen. Diese Narrative selbst beweisen sich nicht. Es ist aber schwer einen Gegenbeweis zu einer nicht bewiesenen Geschichte anzutreten.

Es ist jedoch möglich, die Vorgehensweise zu erklären. Und genau darum geht es in diesem Artikel. Wir können und müssen also damit rechnen, dass auch in Zukunft weiterhin Themen aus der Weltgeschichte anlassbezogen benutzt und die Verschwörungserzählungen dort hineininterpretiert werden.

Dennoch gibt es zu genau dieser anlassbezogenen Geschichte einen Faktencheck. Die Faktenprüfer von AFP haben diese Geschichte ebenfalls genauer angeschaut. Was hat AFP gemacht? Sie haben den klassischen Faktencheck gemacht und alle beteiligten Personen angeschrieben.

Beispielsweise die Betreiberfirma des Schiffes, die natürlich jegliche illegalen Aktivitäten bestritten hat. Dort lautet es, dass Social Media Posts, die solche Aktivitäten unterstellen, nichts Weiteres als völlig unbegründete Verschwörungserzählungen sind.

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AFP hat ebenso mit Polaris besprochen. Polaris ist eine in den USA ansässige Organisation zur Bekämpfung des Menschenhandels. Diese Organisation hat eben so ausgesagt, dass es keinerlei glaubwürdige Berichte gibt, die das Schiff und einen illegalen Kinderhandel betreffen.

Die Frage ist natürlich, ob all diese Statements und Stellungnahmen reichen. Denn am Ende wird die Verschwörungserzählung über Evergreen an sich diese Statements wieder einbauen und ins Gegenteil verdrehen. Das bedeutet, die Dementi werden wiederum zu Täter-Aussagen gedeutet. Sie werden quasi zum Bestandteil der Verschwörung gemacht. Das ist auch kein neuer Mechanismus, sondern lässt sich schon super in der sogenannten Bielefeld-Verschwörung erkennen. Darin heißt es, dass all jene, die behaupten dass Bielefeld existiert, bereits gehirngewaschen sein.

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Was das für uns bedeutet

Grundsätzlich müssen wir anhand dieses Musters erkennen, dass ein reiner Faktencheck zur Widerlegung von Verschwörungserzählungen nicht reicht. Die Erzählungen bauen Emotionen auf, sie erreichen die Menschen über ihre Gefühle. Die Emotionsschnittstelle in diesem Fall sind gefangene Kinder, denen ein Leid angetan wird. Und das geschieht in der QAnon-Evergreen-Erzählung ebenfalls wieder.

Dieses Muster findet sich sehr häufig in Verschwörungserzählungen und reicht (wie bereits erwähnt) bis auf uralte Ritualmordlegenden zurück. Das Ziel dabei ist, dem Feindbild das größtmögliche Übel vorzuwerfen. Und dieses besteht zumeist darin, dass der Feind Kinder quälen würde. Auf welche Art und Weise auch immer.

Genau das geschieht in dieser Geschichte auch wieder. Das Motiv der Kinder wird aufgegriffen und es wird behauptet, dass diese Kinder in den Containern des Schiffs gefangen gewesen sein sollen. Gleichzeitig werden alte Geschichten wieder verknüpft, um das gesamte Erzähluniversum aufrechtzuerhalten und sogar weiterzuentwickeln. Daher kommen Hillary Clinton, Pizzagate, Anklänge an die Adrenochrom-Legende und natürlich die gefangenen Kinder wieder vor.

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