Vor 15 Jahren sagte ein Gericht, dass ein Reichsausweis nicht illegal ist. Das, liebe Reichsbürger, bedeutet aber nicht, dass er auch gültig ist!

Alters-Check: Wer von euch hatte einen YPS-Agentenausweis? Wie cool war es doch, den bei jeder Gelegenheit anderen vor die Nase zu halten! „Lasst mich durch, ich bin YPS-Geheimagent!“, riefen wir voller Ernst und selbstbewusst.
Würdet ihr das heute auch noch machen? Nein, sicherlich nicht. Aber Reichsbürger machen das heute noch, wenn sie stolz ihren Reichsausweis zeigen – der ihrer Meinung nach gerichtlich bestätigt gültig sein soll.

Auf Telegram wird ein Text verbreitet, in dem behauptet wird, dass ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2006 die Gültigkeit von Reichsausweisen bestätigt und damit indirekt zugeben würde, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere.

So beginnt der Text:

Das LG Göttingen hat sich beim OLG Braunschweig rückversichert und von dort laut Staatsanwaltschaft Göttingen den Bescheid erhalten, dass das OLG BS das Urteil 4 Ws 98/06 des OLG Stuttgart vom 25.04.2006 für Herrn Haug unterstützt und akzeptiert! – Damit können wir/Ihr unse(eu)re tatsächliche Staatsangehörigkeit „Deutsches Reich“ durch Ersatzausweise nachweisen, weil die BRdvD nur gefälschte Personalausweise zum Wahlbetrug ausgibt.“

2015 wurde die Behauptung von „Volksbetrug.net“ verbreitet, doch wurde wohl sogar dieser Seite die Behauptung zu unsinnig. Der Artikel ist nicht mehr vorhanden (siehe HIER), aber noch durch die Wayback Machine einsehbar (siehe HIER).

Ein Blick auf das Urteil

Konkret wird in dem Text ein Urteil des OLG Stuttgart mit der Nummer 4 Ws 98/06 vom 25.04.2006 benannt. Glücklicherweise findet man solche Beschlüsse online, also schauen wir uns das doch einfach mal an (siehe HIER)!

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Gleich zu Beginn wird in dem Beschluss klargestellt, dass diverse in Reichsbürgerkreisen kursierende Bezeichnungen diverser Ämter keine öffentlichen Ämter darstellen:

1. Die „Ämter“ eines „Reichspräsidenten“, eines „Präsidenten der Nationalversammlung“ oder „Präsidenten des Deutschen Reiches“ stellen keine öffentlichen Ämter iSd § 132 1. Altern. StGB dar.

Es geht aber noch weiter, und das ist der Punkt, von dem Reichsbürger glauben, dass es Reichausausweise legitimiere:

2. Nach § 132 2. Altern. StGB macht sich nicht schuldig, wer im Namen des „Deutschen Reiches“ Personalausweise oder Führerscheine herstellt, die in keiner Weise den Anschein amtlicher Dokumente erwecken.

Einfach ausgedrückt: Es ist nicht verboten, Reichsausweise zu erstellen, solange sie nicht wie echte, amtliche Dokumente wirken.

Konkret ging es in der Verhandlung nämlich um den Betreiber einer Reichsbürgerseite, der sich selbst Amtsbezeichnungen gab (siehe Punkt 1 oben) und Ausweise erstellte. Seine Ausweise unterschieden sich jedoch so stark von echten Ausweisen, dass sie nicht mit echten Personalausweisen verwechselt werden konnten, weswegen er deswegen auch nicht bestraft wurde.

Nein, dadurch werden Reichsausweise nicht legitim!

Ein Reichsausweis ist also eigentlich nichts anderes als ein alternativer YPS-Agentenausweis: Es ist nicht verboten, einen solchen Ausweis zu erstellen, solange keine Verwechslungsgefahr mit echten Ausweisen besteht – aber er ist trotzdem nichts weiter als ein Fantasiedokument!

Fazit

Ob YPS-Agentenausweis oder Reichsausweis – das Gericht stellte lediglich klar, dass es sich um ein Fantasiedokument handelt, dessen Herstellung als Solches nicht strafbar ist, aber gültig ist es deshalb noch lange nicht.

Sämtliche anderen Schlussfolgerungen des Textes (Anerkennung des Deutschen Reiches und der „Reichsdeutschen“) sind somit hinfällig. Ein Reichsausweis stellt genauso wenig ein Beweis für das Deutsche Reich dar, wie ein YPS-Agentenausweis auch keine Legitimierung ist, Tatorte zu betreten und Schlösser zu knacken.

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Artikelbild: BMI.BUND
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