Niedrigschwellige Gesprächsangebote zur Sexualität gehören in die hausärztliche Praxis, und interkulturelle Kompetenzen im Gesundheitswesen müssen gestärkt werden. Das sind Ergebnisse der GeSiD-Studie, die Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zusammen mit dem Sozialforschungsinstitut KANTAR und mit Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durchgeführt haben. Insgesamt haben die Forschenden basierend auf den Befragungen in den vergangenen Jahren fast 20 Publikationen veröffentlicht, weitere Publikationen sind geplant. Heute (Freitag, 17. Juni) werden die Ergebnisse auf einer Fachkonferenz im UKE abschließend vorgestellt.

Erstmals repräsentative Daten zur Sexualität der Deutschen

Studienleiter Prof. Dr. Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE:

„Ziel der GeSiD-Studie war es, erstmalig repräsentative Daten zum sexuellen Verhalten, zu sexuellen Beziehungen und zu den Einstellungen zur Sexualität in der Allgemeinbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Unsere Ergebnisse können dazu beitragen, Präventions- und Aufklärungskampagnen zu unterstützen, Angebote und Informationsmaterialien zur Familienplanung zu verbessern und politische Entscheidungsträger:innen mit relevanten Informationen zu versorgen – und damit, kurz gesagt, die sexuelle Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Dies ist auch deshalb entscheidend, weil sexuelle Gesundheit wichtig für das allgemeine Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit ist“.

Studien-Design

Für die Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“ (GeSiD) wurden zwischen Oktober 2018 und September 2019 insgesamt 4955 Erwachsene im Alter von 18 bis 75 Jahren umfassend zu sexualbezogenen Themen befragt. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 46,3 Jahren. Mit den Themenbereichen sexuelles Verhalten, Einstellungen zur Sexualität, Liebe und Partnerschaft, sexuelle Lust und Zufriedenheit, Schwangerschaft, sexuelle Funktionsstörungen, sexuell übertragbare Infektionen (STI) und Erfahrungen mit sexueller Gewalt deckte der GeSiD-Fragebogen ein breites Spektrum sexualitätsbezogener Fragestellungen ab. Anders als in fast allen anderen europäischen Ländern und Nordamerika fehlten entsprechende Daten für Deutschland bislang.

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Ergebnis 1: Wissen über sexuell übertragbaren Infektionen (STI)

Die GeSiD-Studie hat gezeigt, dass das Wissen zu sexuell übertragbaren Infektionen – abgesehen von HIV – bei heterosexuellen Erwachsenen noch unzureichend ist. Auf die offene Frage, welche STI bekannt ist, nannten 71,1 Prozent der Befragten HIV/AIDS an erster Stelle, gefolgt von Gonorrhö/Tripper (38,6 Prozent) und Syphilis (31,9 Prozent). Andere STI wie Chlamydien, Genitalwarzen und Trichomoniasis wurden wesentlich seltener benannt (11,7 Prozent/4,4 Prozent/0,4 Prozent).

„Notwendig wären hier gerade auch Angebote für Gruppen, die noch zu wenig berücksichtigt werden, wie beispielsweise ältere Menschen oder Personen mit Migrationshintergrund“.

Studienleiter Prof. Dr. Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE

Ergebnis 2: Gesundheit und Sexualität

Der allgemeine Gesundheitszustand von Menschen ist eng verbunden mit ihrer sexuellen Aktivität und sexuellen Zufriedenheit. Beschreiben Befragte den eigenen Gesundheitszustand als „mittelmäßig“ oder „schlecht“, so reduziert sich die Wahrscheinlichkeit von sexueller Aktivität in den letzten vier Wochen gegenüber Befragten mit einem „sehr guten“ Gesundheitszustand bei Männern von 79,1 Prozent auf 59 Prozent beziehungsweise 30,1 Prozent und bei Frauen von 72,5 Prozent auf 48 Prozent beziehungsweise 32,4 Prozent.

„Niedrigschwellige Gesprächsangebote zur Sexualität gehören folglich in die hausärztliche Praxis und sollten in Aus- und Fortbildung von Mediziner:innen berücksichtigt werden“.

Studienleiter Prof. Dr. Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE

Ergebnis 3: Interkulturelle Kompetenzen im Gesundheitswesen

Migrant:innen der ersten Generation nutzen laut der Studie deutlich seltener Leistungen im Bereich sexueller Gesundheit als Nicht-Migrant:innen. So waren Frauen mit Migrationshintergrund seltener gegen HPV geimpft, hatten seltener einen Test auf Chlamydien gemacht und seltener Gesundheitsleistungen in Zusammenhang mit Kontrazeptiva erhalten.

„Die Ausbildung im Gesundheitswesen sollte daher auch auf die Förderung interkultureller Kompetenzen und, damit einhergehend, den Abbau von Barrieren zur Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen fokussiert werden. Außerdem werden gezielte und niedrigschwellige sexualbezogene Gesundheitsleistungen für Menschen mit Migrationshintergrund benötigt“.

Studienleiter Prof. Dr. Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE

Quelle: DeutschesGesundheitsPortal

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