Faktencheck: Kauft Selenskyj die berüchtigte Villa Bogensee?

Vorabzusammenfassung des Faktenchecks zum angeblichen Kauf der Villa Bogensee durch Selenskyj:

• Es wurde behauptet, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die historische Villa Bogensee, einst im Besitz von Joseph Goebbels, gekauft hat.
• Diese Behauptung wurde durch ein YouTube-Video verbreitet, in dem sich eine Person als ehemalige Mitarbeiterin der Berliner Immobilienmanagement GmbH ausgibt.
• Nach Überprüfung stellte sich heraus, dass diese Geschichte falsch ist und Teil einer russisch gesteuerten Desinformationskampagne darstellt, um Selenskyj zu diskreditieren.
• Der im Video gezeigte Kaufvertrag ist gefälscht und enthält zahlreiche Fehler und Ungereimtheiten.

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Aktuell machen im Internet solche und ähnliche Aussagen die Runde, zu der wir in den vergangenen Stunden sehr viele Anfragen erhielten! Lars Wienand, bekannt durch seine hervorragenden und gründlichen Recherchen, hat dieses Thema bereits aufgenommen und ebenfalls darüber berichtet.

„Absurdes Jahresende: Selenskyj kauft Goebbels-Villa um 8 Millionen Euro – Antifa dreht am Rad. Die Firma ‚Film Heritage Inc.‘ (Zelenskys Firma mit Sitz in Belize) erwarb kürzlich die berüchtigte Villa Bogensee, die ursprünglich Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels gehörte, für 8 Millionen Euro. Die Bogensee-Villa war Inspirationsort und Liebesnest für Joseph Goebbels. Die Antifa kann es kaum glauben, denn die Ukraine hat ohnehin mit soviel Nazi-Vorwürfen zu kämpfen und nun das!“

Die Fakten und die Herkunft der Falschmeldung über den Kauf der Villa Bogensee

Der Ursprung der Behauptung lässt sich auf ein YouTube-Video zurückführen, das von einer Person mit dem Namen Sabine Mels“ hochgeladen wurde, die ein weißes T-Shirt mit Antifa-Aufdruck trägt, das Antifa-Symbol in der rechten oberen Ecke des Videos zeigt und angibt, von der „Antifaschistischen Aktion“ zu sein. In dem Video behauptet die Person, eine ehemalige Mitarbeiterin der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) zu sein. Diese Behauptung wirft jedoch ernsthafte Fragen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Person auf. Zum einen gibt es keine unabhängige Bestätigung ihrer angeblichen früheren Beschäftigung bei der BIM.

Zum anderen wirken das Video und die darin präsentierten Inhalte eher inszeniert als authentisch, was Zweifel an der Authentizität der Person und ihrer Aussagen aufkommen lässt. Zudem sind auch die weiteren Inhalte des YouTube-Kanals und die Art und Weise, wie die Informationen präsentiert werden, fragwürdig, was darauf schließen lässt, dass es sich möglicherweise um einen gezielten Versuch handelt, Desinformation zu verbreiten.

Inhalt des gefälschten Kaufvertrags:

Der im Video gezeigte Kaufvertrag, der den Verkauf der Villa Goebbels an Wolodymyr Selenskyj dokumentieren soll, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Fälschung. Das Dokument wurde an zahlreichen Stellen unkenntlich gemacht, wobei der Kaufpreis von 8,2 Millionen Euro deutlich sichtbar bleibt.

Offenbar fungierte eine anonyme Person, deren Name und Personalausweisnummer geschwärzt sind, als Käufer im Namen der in Belize registrierten Firma Film Heritage Inc. (Registrierungsnummer 000001989 seit 2. Februar 2016). Diese Firma wurde laut OCCRP von Selenskyj, der vor seiner politischen Karriere im Fernsehen bekannt war, zusammen mit Partnern aus der Filmbranche gegründet. Seit 2019 gehört sie seiner Frau und wurde von der Antikorruptionsbehörde geprüft, ohne dass Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden. Der angebliche Kaufvertrag soll bei einem Notartermin am 11. Oktober 2023 abgeschlossen worden sein, was sich jedoch als Teil der Falschmeldung herausstellte.

Lars Wienand / t-Online hat am 30.12.2023 auf X der Nutzerin „Sabine Mels“ folgende Fragen gestellt, die bis dato (31.12.2023 / 13:20 Uhr) unbeantwortet blieben:

Sind Sie die Frau in dem Video?
Wo lebt die Frau in dem Video wirklich?
Wer hat Sie beauftragt?
Wissen Sie, wer den “Kaufvertrag” gefälscht hat?
Warum haben Sie fast nur Follower aus dem asiatischen Raum?
Warum nutzen Sie für den Account das Foto einer anderen Person?

Sind Sie die Frau in dem Video?
Wo lebt die Frau in dem Video wirklich?
Wer hat Sie beauftragt?
Wissen Sie, wer den “Kaufvertrag” gefälscht hat?
Warum haben Sie fast nur Follower aus dem asiatischen Raum?
Warum nutzen Sie für den Account das Foto einer anderen Person?

— Lars Wienand (@LarsWienand) December 30, 2023

Der im Zusammenhang mit dem behaupteten Verkauf der Goebbels-Villa an Wolodymyr Selenskyj vorgelegte Kaufvertrag wurde als Fälschung entlarvt.

Dr. Friederike Schulenburg, die im Vertrag als beurkundende Notarin genannt wird, bestätigte gegenüber Lars Wienand (t-online), dass sie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in dieser Funktion tätig ist. Als erfahrene Juristin, bekannt für ihre Arbeit als Anwältin des früheren DDR-Unterhändlers Wolfgang Vogel, identifizierte sie mehrere Ungereimtheiten im Vertrag, die auf eine Fälschung hindeuten.

Schulenburg, die jetzt über 80 Jahre alt ist, betonte, dass ihre berufliche Tätigkeit als Notarin gemäß der Bundesnotarordnung bereits mit 70 Jahren endete. Sie wies darauf hin, dass der Vertrag stümperhaft zusammengestellt war und kritisierte insbesondere die unübliche Überschrift „Kaufvertrag“, die fehlenden Siegel und Unterschriften sowie die inkorrekte formale Gestaltung des Dokuments. Zusätzlich bemängelte sie die sinnlose Schwärzung und das Fehlen eines Hinweises auf eine beglaubigte Abschrift. All diese Faktoren bestätigen, dass der Vertrag nicht authentisch ist.

Internationale Verbreitung der Falschmeldung:

Die Falschmeldung, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Villa von Joseph Goebbels gekauft habe, verbreitete sich global und zeigt die gefährliche Dynamik von Desinformation. Ursprünglich auf YouTube durch eine zweifelhafte Quelle veröffentlicht, gewann die Geschichte schnell an Traktion in verschiedenen Sprachen und Medienkanälen, darunter auch in arabischen und indischen Medien. Die breite und schnelle Verbreitung unterstreicht die Macht von sozialen Medien und digitalen Plattformen bei der Verbreitung von Desinformation.

Die Situation eskalierte, als russische Medien und offizielle Stellen die Falschmeldung aufgriffen. Diese Entwicklung verlieh der Geschichte eine irreführende Legitimität und führte zu ihrer weiteren Verbreitung. Die Einbindung russischer Quellen in die Verbreitung der Falschmeldung fügt sich in ein größeres Muster der politischen Desinformation ein, das darauf abzielt, die Glaubwürdigkeit politischer Gegner zu untergraben.

Die globale Reichweite dieser Falschmeldung zeigt deutlich, wie schnell und weitreichend Desinformation über Grenzen hinweg verbreitet werden kann. Sie unterstreicht auch die Wichtigkeit einer gründlichen Überprüfung und kritischen Betrachtung von Informationen, besonders in politisch sensiblen Zeiten. Diese Episode dient als Mahnung, wie wichtig es ist, Quellen zu hinterfragen und Informationen kritisch zu bewerten, um sich vor der Verbreitung und dem Einfluss gefährlicher Fehlinformationen zu schützen.

Hintergrund der Villa und Reaktionen vor Ort:

Die Villa am Bogensee, einst im Besitz von Joseph Goebbels, ist ein historisch bedeutsames Bauwerk mit einer vielschichtigen Geschichte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang des Nationalsozialismus wurde das Anwesen für verschiedene Zwecke genutzt, unter anderem als Bildungsstätte in der DDR. Heute steht die Villa leer und ihre zukünftige Nutzung ist Gegenstand von Diskussionen und Planungen.

Als Reaktion auf die Falschmeldung über den angeblichen Verkauf der Villa an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, äußerten sich lokale Behörden und die Gemeinde Wandlitz, in der die Villa liegt, deutlich. Sie wiesen die Behauptungen entschieden zurück und betonten, dass ein solcher Verkauf nicht nur unrealistisch, sondern auch nicht im Einklang mit den aktuellen Plänen und Absichten für das Gelände steht.

Diese Stellungnahmen aus der Region unterstreichen die Bedeutung von lokalem Wissen und Kontext bei der Bewertung von Nachrichten und Gerüchten, insbesondere bei sensiblen historischen Stätten wie der Villa Goebbels. Sie zeigen, wie wichtig es ist, Informationen aus verlässlichen, lokalen Quellen zu beziehen und zu überprüfen, um Falsch- und Fehlinformationen wirksam zu begegnen. Diese Folge beleuchtet die Rolle der lokalen Behörden und Gemeinden bei der Erhaltung des Geschichtsbewusstseins und bei der Bewältigung der Herausforderungen der modernen Informationsverbreitung.

Weitere falsche Behauptungen über Selenskyj:

Die Lüge über den Kauf der Goebbels-Villa ist nur Teil einer größeren Desinformationskampagne, die darauf abzielt, das Image des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu beschädigen. Im Rahmen dieser Kampagne wurden Selenskyj und seine Familie wiederholt beschuldigt, Luxusimmobilien in verschiedenen Teilen der Welt erworben zu haben. Diese Behauptungen, die sich als falsch herausgestellt haben, scheinen gezielt darauf ausgerichtet zu sein, Selenskyjs Glaubwürdigkeit und Integrität in Frage zu stellen. Solche erfundenen Geschichten über angebliche Immobilienkäufe sollen offenbar die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen und Zweifel an der moralischen Integrität des ukrainischen Präsidenten wecken.

Ziel der Desinformationskampagne:

Die Verbreitung dieser und ähnlicher Falschmeldungen ist Teil einer umfassenderen Desinformationsstrategie, die darauf abzielt, die ukrainische Führung zu diskreditieren. Indem Selenskyj und andere hochrangige ukrainische Beamte fälschlicherweise als korrupt und sogar als Sympathisanten des Nationalsozialismus dargestellt werden, versucht diese Kampagne, die Legitimität der ukrainischen Regierung zu untergraben. Diese Art der Propaganda fügt sich in das seit Beginn des Konflikts in der Ukraine von russischer Seite verbreitete Narrativ ein, die Ukraine werde von „Nazis“ regiert. Damit soll das militärische Vorgehen Russlands gegen die Ukraine gerechtfertigt und die internationale Unterstützung für die ukrainische Seite geschwächt werden.

Fazit: Die Geschichte über den angeblichen Kauf der Goebbels-Villa durch Selenskyj ist eine gezielte Falschinformation, um den ukrainischen Präsidenten zu diffamieren und das russische Narrativ eines Krieges gegen die „Nazis“ in der Ukraine zu untermauern. Es gibt keine stichhaltigen Beweise für diese Behauptungen.

Quelle: Lars Wienand / t-online

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