Die Behauptung

Eine Liste mit „19 Punkten zur Versklavung der Völker“ wird Karl Marx zugeschrieben und in Sozialen Medien verbreitet.

Unser Fazit

Dass diese Liste von Marx stammt, lässt sich nicht belegen. Eher dient das antisemitische Pamphlet „Die Protokolle der Weisen von Zion“ als Vorlage.

Die Liste, die hier Karl Marx zugeschrieben wird, enthält verschiedenste Empfehlungen wie beispielsweise „Die Familien zerstören“, „Das Volk gegen die „Reichen“ aufwiegeln“ oder auch „Ungebildete regieren lassen“, was sogar hervorgehoben wird.

Screenshot Facebook-Beitrag Liste von Karl Marx
Screenshot Facebook-Beitrag

Angeblich sei diese Liste im Britischen Museum London archiviert und unter der Katalognummer 3926 zu finden.

Katalog-Nr. 3926

Eine Suche im Archiv des Brititschen Museums London nach eben dieser Katalog-Nummer ergibt keine Treffer. Sucht man nach der Katalog-Nummer in Kombination mit dem Suchbegriff „Marx“ erhält man ebenfalls keine Ergebnisse. – Fehlanzeige.

Die Faktenchecker von AFP haben direkt im Britischen Museum nach der Katalognummer und der Liste gefragt und erhielten am 14. April 2022 von der Pressestelle die Antwort: „Unser Archivteam hat keine Aufzeichnungen darüber.“
Schriftliche Sammlungen des Museums werden bekannterweise in der British Library aufbewahrt, so haben die Kollegen von AFP ergänzend auch noch hier gesucht. Mit demselben Ergebnis, keine solche Liste zu finden. Bei direkter Nachfrage teilte eine Sprecherin der British Library der AFP mit, dass eine solche Liste nicht zu finden sei.
Zu diesem Schluss gelangten auch die Faktenchecker der dpa.

Die Protokolle der Weisen von Zion

Wilfried Nippel, Geschichtsprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin, weist auf ein anderes Dokument hin, das als Quellenangabe die Katalog-Nummer 3926 und das Britische Museum anführt:

„Behauptungen, dass es einen Originaltext für die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ im British Museum gebe, hat es übrigens auch in den 1920er-Jahren gegeben. Möglicherweise ist dieser Text über die ‘jüdische Weltverschwörung‘ das Vorbild, aber das ist ein Text von ein paar Dutzend Seiten, nicht nur eine Liste.“

Wolfgang Nippel
MIMIKAMA
Screenshot Google Books

Bei diesen Schriften handelt es sich um ein antisemitisches Pamphlet. Das Wien Museum schreibt hierüber:

„Vor hundert Jahren verbreiteten sich die „Protokolle der Weisen von Zion“ – von Russland ausgehend – rasant in der westlichen Welt. Dass das „Dokument“ einer „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung“ authentisch sei, bezweifelte sogar Goebbels. Dennoch befeuerte es wie keine andere Schrift den modernen Antisemitismus – bis heute.“

Wien Museum

Auch hier führt die Suche nach der angeführten Quelle des Originals – British Museum Library, No. 3926 – zu keinem Ergebnis, unabhängig davon, ob man die Suche auf Englisch oder Russisch ausführt.

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Francesco Di Palma, Mitarbeiter am Institut für Geschichts- und Kulturwissenschaft an der Freien Universität Berlin, erläutert in einem Vortrag 2020 die Inhalte jener „Protokolle“. Diese kommen den Punkten der Liste, die aktuell Karl Marx zugeschrieben wird, sehr nahe.

Gibt die Liste Marx´ Einstellung wieder?

Laut Experten sind die Punkte in der Liste nicht Karl Marx zuzuordnen. Er setzte sich für die Arbeiterbewegung ein, in der Liste sind dem entgegen jedoch Empfehlungen enthalten wie „Vermögenschluckende Monopole schaffen“, „Löhne ohne Vorteil für die Arbeiter zu erhöhen“ oder auch „Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverhältnisse vergiften“.

Michael Quante, Philosophie-Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, erklärt auf Anfrage der AFP:

„Der Text passt inhaltlich nicht zur Position von Karl Marx. Aus Sicht der für die kritische Ausgabe von Marx und Engels verantwortlichen Editoren und Herausgeber handelt es sich nicht um einen Text, der Karl Marx zugeordnet werden kann.“

Michael Quante

Was noch auffällt, sind sprachliche Inhalte in Bezug auf Impfungen oder auch die Formulierung „Arbeitnehmer / Arbeitgeber“, die nicht aus der Zeit von Karl Marx stammen.
Uffa Jensen, stellvertretender Leiter am Zentrum für Antisemitismusforschung, teilte seine Meinung dazu AFP mit:

„Das Ding ist klar ein aktuelles Produkt, dass sich halt in den klassischen Texten wie den Protokollen bedient. Die Formulierung ‘Arbeitgeber‘ und ‘-nehmer‘, noch mehr aber der Verweis auf die Impfung lassen kaum Zweifel, dass der/die Verfassende im antisemitischen deutschsprachigen Internet der Gegenwart zu vermuten ist. Das hat nie im Leben was mit Marx zu tun.“

Uffa Jensen

Fazit

Dass die Liste mit „19 Punkten, die Karl Marx zur Versklavung der Völker empfiehlt“ tatsächlich der Feder des Philosophen entsprungen ist, kann nicht belegt werden. Auch wird sie nicht unter der angeführten Katalognummer im Britischen Museum aufbewahrt.

Als Quelle für diese Liste kommt das antisemitische Buch „Die Protokolle der Weisen von Zion“ in Frage. Doch auch dieses hat nichts mit Karl Marx zu tun.

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Quelle: AFP, dpa, Wien Museum

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