„Der Lockdown macht mich krank!“ [Einleitung]

Autor: Andre Wolf

Symbolbild „Der Lockdown macht mich krank" , Artikelbild Shutterstock / von Olga Fetisenkova
„Der Lockdown macht mich krank!“ [Einleitung]
Symbolbild „Der Lockdown macht mich krank" , Artikelbild Shutterstock / von Olga Fetisenkova

Lockdown und die Psyche: Ein echter Tunichtgut?! Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir ein Lockdown gefällt. Sicherlich tut er das nicht. Und so dürfte es vielen Menschen gehen.

Dennoch sind wir weiterhin mitten in den Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus. Dazu gehören auch Einschränkungen im öffentlichen Leben. Ob uns das passt oder nicht, seit schon bald einem Jahr. Eines dieser immer wiederkehrenden Mittel trägt den Namen Lockdown. Ein Begriff, der mittlerweile viele Menschen triggert und viel Ablehnung auslöst.

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Wir haben auch viele Mediziner, Virologen und auch Mathematiker in den letzten Monaten gehört und gelesen, die uns allen erklärt haben, wie sinnvoll physische Einschränkungen und geschlossene Geschäfte sind. „Bleibt zu Hause!“, heißt es immer wieder.

Besonders spannend habe ich es immer empfunden, wenn Mathematiker den R-Wert erklärt haben. Nach rund einem Jahr wissen wir alle, was eine Inzidenzzahl ist und was die jeweilige Höhe für uns bedeutet.

Zahlen, die über unseren Alltag und über die Möglichkeiten in unserem Alltag entscheiden. Allein bei dem Gedanken daran schlägt es mir auf den Magen. Und nicht allein mir. Ich verstehe es nur allzu sehr, wenn Menschen ihren Frust kundtun ___STEADY_PAYWALL___ (was nicht bedeutet, dass ich Gewalt, Extremismus und Verschwörungsmythen gutheiße). Die Frage dahinter ist ja, ob so ein Lockdown am Ende überhaupt noch einen Sinn hat? Schauen wir daher zunächst, was ein Lockdown bedeutet und welche Ziele er erreichen soll.

Lockdown: Was ist das?

Gleich zu Beginn sei gesagt, dass der Begriff leider immer wieder falsch verwendet wird, denn einen richtigen Lockdown hatten wir hierzulande überhaupt nicht.

Für die Eiligen:
Lockdown ist eigentlich ein Begriff, der nur bei Gefahrensituationen, beispielsweise bei Naturkatastrophen oder Anschlägen verwendet wird. Dabei werden ganze Bezirke mit Zwangsmaßnahmen “abgeschlossen“, sodass man sich nicht mehr frei bewegen kann. Dies geschah beispielsweise im Frühjahr 2020 in China – wer auf offener Straße angetroffen wurde, durfte mit einer Gefängnisstrafe rechnen!

Wir hingegen haben einen Shutdown, ein “Herunterfahren“ des öffentlichen Lebens, allerdings dürfen wir uns immer noch für die lebensnotwendigen Dinge wie einkaufen und Arbeit frei bewegen; wir werden nicht in den Wohnungen mit Zwangsmaßnahmen eingesperrt.

Bleiben wir jedoch der Einfachheit halber, um nicht vollends zu verwirren, hier bei dem Begriff “Lockdown“ (großzügig gesehen ist es ja ein “Teil-Lockdown“), denn als Nächstes steht die Frage offen, ob diese überhaupt etwas bringen.

Studien darüber gibt es mittlerweile in Hülle und Fülle, und wir könnten euch jetzt unter einem Berg von Zahlen und Werten begraben, doch wir wollen euch nicht unnötig quälen.
Deswegen lassen wir ein wenig die Mathematik sprechen (keine Sorge, jetzt kommen keine Zahlen!), und zwar auf grafische Art und Weise!

Die Washington Post (siehe HIER) hat zum besseren Verständnis der Auswirkungen eines Lockdowns mehrere grafische, interaktive Beispiele gebracht, an denen man selbst sehen kann, wie sich verschiedene Maßnahmen auf die Verbreitung eines Virus auswirken.

Zu diesem Zweck nahmen sie eine fiktive Krankheit namens Simulitis, welche sich noch schneller als Covid-19 verbreitet (sonst würde die Simulation noch ein ganzes Stück länger dauert). Bei Simulitis steckt jede kranke Person eine gesunde Person an, wieder gesundete Personen können nicht mehr erkranken.

Simulation 1: Keine Maßnahmen

In einer fiktiven Stadt mit 200 Einwohnern erkrankt eine Person, die Krankheit verbreitet sich so lange, bis sie jeder mal hatte und wieder gesundete.

Keine Maßnahmen, Quelle: Washington Post
Keine Maßnahmen, Quelle: Washington Post

Dies wäre dann eine “Durchseuchung“, welche bei Covid-19 allerdings nicht sehr wünschenswert ist, da das Virus auch tödlich sein kann und immer mehr Gesundete über bleibende Schäden klagen (“Long Covid“).

Simulation 2: Obligatorische Quarantäne mit langsamer Öffnung

Hierbei kommen alle kranken Personen in Quarantäne, die langsam wieder gelockert wird.

Quarantäne, dann langsame Öffnung, Quelle: Washington Post
Quarantäne, dann langsame Öffnung, Quelle: Washington Post

Die Quarantäne hielt die Kurve erst flacher, doch sobald (frühzeitig) gelockert wird, zeigt sich, dass einige in Quarantäne immer noch ansteckend sind, die Kurve steigt wieder.

Simulation 3: Soziale Distanzierung von 75 Prozent

Hierbei halten sich 75 Prozent der Bevölkerung an die Ratschläge, sich mit möglichst wenig Leuten zu treffen, 25 Prozent jedoch treffen sich weiterhin mit anderen Leuten.

75 Prozent halten sich an Maßnahmen, Quelle: Washington Post
75 Prozent halten sich an Maßnahmen, Quelle: Washington Post

Hier steigt die Kurve zwar auch an, jedoch weitaus flacher, weniger Leute infizieren sich im gleichen Zeitraum. Das ist schon besser, da in der Zeit auch viele Leute geimpft werden können und dann wahrscheinlich keinen mehr anstecken können, ohne vorher zu erkranken.

Simulation 4: Umfangreiche soziale Distanzierung

Hierbei bewegt sich nur eine von acht Personen, also 12,5 Prozent, die Hälfte der Personen aus Simulation 3.

87,5 Prozent halten sich an die Maßnahmen, Quelle: Washington Post
87,5 Prozent halten sich an die Maßnahmen, Quelle: Washington Post

Eine Halbierung der frei herumlaufenden Personen bewirkte auch eine Halbierung der Kurve, nur noch halb so viele Personen erkrankten im gleichen Zeitraum; eine Impfung gesunder Personen würde die Kurve sogar noch flacher halten.

Wie schon oben geschrieben, handelt es sich um eine starke Vereinfachung, die man nicht als Prognose sehen sollte, sondern als mathematisches Beispiel.
Dieses zeigt jedoch sehr gut, dass die Maßnahmen eine bessere Wirkung haben als eine (kurzzeitige) strenge Quarantäne – sofern sich auch wirklich daran gehalten wird.

Und nun die Frage: Warum “eiern” bei uns die Werte so? Warum wird es voraussichtlich zu einem dritten Lockdown kommen? Was machen wir verkehrt?

Eine Freundin erzählte mir, dass der Kamin des Nachbarn brannte. Die Feuerwehr war schnell zur Stelle, fuhr die Leiter aus und löschte den Brand. Doch kaum, dass die Flammen erloschen und die Feuerwehr die Leiter einfuhr, flammte das Feuer wieder auf, die Feuerwehr kletterte also wieder aufs Dach.
Dieses Schauspiel wiederholte sich dreimal, die Freundin amüsierte sich köstlich über das Hin und Her.

Ich fand diese Geschichte sehr interessant, da sie im Prinzip exakt das zeigt, was wir falsch machen: Wir fahren die Leiter zu schnell ein, obwohl der Kamin noch schwelt.

Kaum dass es aussieht, als ob die Flammen erloschen sind (Covid-19 sich nicht mehr so stark ausbreitet), öffnen wir die Schulen. Dann machen wir wieder alles dicht – bis es wieder ein wenig besser erscheint und wir wieder ein Stück weit öffnen.

Und in der Zwischenzeit versammeln sich Menschen in der warmen Frühlingssonne und tun so, als ob die Pandemie ja schon irgendwie vorbei ist.

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Haben wir also die Ziele der Lockdowns erreicht?

Ja, hätten wir – wenn die Maßnahmen konsequent durchgezogen worden wären und nicht gleich locker gelassen wird, wenn sich auch nur die kleinste Verbesserung zeigt – denn so eiern wir tatsächlich von Lockdown zu Lockdown, was für die Psyche vieler Menschen nicht das Allerbeste ist.

Fehlende Perspektiven, Unsicherheiten und immer wieder Rückfälle aufgrund schlechter Werte. Die zahlenbasierte Abhängigkeit unseres Lebens, unserer Bewegungsfreiheit und unserer Kontakte hat Auswirkungen. Diese Abhängigkeit wirkt sich nicht allein auf (erhoffte) sinkende Inzidenzzahlen aus, sondern auch auf die Psyche der Menschen. Wird das jedoch genug berücksichtigt? Das wollen wir genauer anschauen.

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Symbolbild „Der Lockdown macht mich krank“ , Artikelbild Shutterstock / von Olga Fetisenkova


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war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
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