Nein, ein Schulbezirk in Texas verbannte nicht Anne Frank und die Bibel aus den Bibliotheken!

Es kursiert die Behauptung (und die entsprechende Aufregung darüber), dass ein Schulbezirk in Texas unter anderem das „Tagebuch der Anne Frank“ und die Bibel aus den Bibliotheken verbannte. Doch das ist stark übertrieben und teilweise falsch!

Autor: Ralf Nowotny

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Die Behauptung

Es kursiert die Behauptung, dass ein Schulbezirk in Texas unter anderem das „Tagebuch der Anne Frank“ und die Bibel aus den Bibliotheken verbannte

Unser Fazit

Es handelt sich (noch) nicht um eine Verbannung der Bücher, sondern um eine erneute Überprüfung aufgrund neuer Richtlinien des Schulbezirks, die nicht länger als 30 Tage dauert. Danach erst wird bekannt sein, welche Bücher wirklich verbannt werden und welche wieder in den Bibliotheken stehen werden.

Vor drei Jahren wurden an einer katholischen Schule in den USA alle Harry Potter-Bücher verbannt, da sie angeblich echte Zaubersprüche enthalten (wir berichteten). Nun sollen in einem Schulbezirk in Texas eine ganze Reihe Bücher verbannt worden sein, unter anderem das „Tagebuch der Anne Frank“ und sogar die Bibel.
Doch es handelt sich nicht einmal um das geschriebene Tagebuch, sondern um eine Comicversion, die expliziter ist, und auch werden die Bücher nicht verbannt, sondern aufgrund von Anträgen überprüft und stehen in diesem Zeitraum von bis zu 30 Tagen nicht in den Regalen.

Die Behauptung

Aufgrund mehrerer Artikel, die in den Überschriften von einer Verbannung des Anne Frank-Buchs und einer „Säuberungsaktion“ schrieben, ist die Aufregung auf Twitter groß, und die Behauptung wird ohne weitere Quellenangaben ungefragt geglaubt und sich aufgeregt:

Welche Bücher angeblich verbannt wurden

Am 16. August, einen Tag vor Schulbeginn, schickte Jennifer Price, die Direktorin für Lehrpläne und Unterricht des Keller Independent School Districts, eine E-Mail an die Schulleiter des Bezirks:

„Im Anhang finden Sie eine Liste aller Bücher, die im letzten Jahr angefochten wurden. Bis zum Ende des heutigen Tages müssen alle Bücher aus der Bibliothek und den Klassenzimmern entfernt werden. Sobald das erledigt ist, schicken Sie mir bitte eine Bestätigung per E-Mail. Wir müssen sicherstellen, dass diese Maßnahme bis zum Ende des Tages durchgeführt wird. Ich entschuldige mich für die späte Anfrage.“

Quelle Twitter

Der kurze Text alleine klingt schon recht beunruhigend, da daraus auch nicht hervorgeht, worum es überhaupt geht, zudem wirkt die Eile, dass dies bis zum Ende des Tages durchgeführt werden müsse, merkwürdig, da es sich ja schließlich nur um Bücher und keine Bomben handelt.

Insgesamt handelt es sich um über 40 Bücher, die temporär in dem Schulbezirk nicht in den Bibliotheken zu finden sind. Sie wurden 2021 von einzelnen Eltern und Gemeindemitgliedern bemängelt, verblieben aber zum größten Teil in den Bibliotheken.

Darunter finden sich nicht nur eine Comicversion des Anne Frank-Buchs, sondern auch die Bibel und mehrere LGBTQ-freundliche Bücher wie „Gender Queer“ von Maia Kobabe, „So You’re Being Publicly Shamed“ von Jon Ronson und Klassiker wie „The Bluest Eye“ von Toni Morrison.

Insbesondere die LGBTQ-freundlichen Bücher würden übrigens bereits 2021 aus den Bibliotheken verbannt, was im teilweise sehr streng religiösen Bundesstaat Texas nicht sonderlich verwunderlich ist.

Warum die Bücher neu überprüft (aber noch nicht verbannt!) werden

In der Liste der über 40 Bücher (siehe HIER), die in dem Schulbezirk 2021 von Eltern und Gemeindemitgliedern (also von einzelnen Personen!) kritisiert wurden, stehen auch die erfolgten Maßnahmen dabei – so wurden manche Bücher sofort entfernt, andere verblieben in den Bibliotheken.

Bei der Bibel wurden 2021 vorerst alle Versionen in den Bibliotheken belassen, auch die graphische Adaption des Anne Frank-Tagebuchs von Ari Folman und David Polonsky verblieb in den Regalen, bis sie jetzt erst zwecks neuerer Überprüfung verschwand.

Bei der Überprüfung der Bücher geht es um sexuell expliziten Inhalt.
Bereits am 9. Dezember 2021 berichtete „The Dallas Morning News“ darüber, dass staatliche Behörden untersuchen, ob der nordtexanische Schulbezirk „sexuell eindeutige“ Bücher in der Schule habe. Dies geschah kurz nachdem Gouverneur Greg Abbott sagte, dass die Behörden mehr tun müssen, um „Pornos von den Schülern fernzuhalten“.

Gegenüber „Newsweek“ erklärte ein Sprecher des Schulbezirks, dass die Bibel von einem Elternteil wegen „unangemessener Inhalte, einschließlich sexueller Inhalte, Gewalt einschließlich Vergewaltigung, Mord, Menschenopfer, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Diskriminierung und anderer unangemessener Inhalte“ angefochten wurde.

Bei einem Comic über das „Tagebuch der Anne Frank“ werden sich einige vielleicht fragen, wo dort sexuell explizite Inhalte sein sollen, allerdings nur, wenn sie die Version kennen, die auch üblicherweise oft in Schulen gelesen wird. In der kompletten Gesamtausgabe, die in dem Comic zeichnerisch wiedergegeben wird, befinden sich auch mehrere Passagen, in denen Anne über ihre lesbischen Fantasien mit ihrer Freundin Jacque, ihren Körper und ihre Beziehung zu Peter van Pels schrieb – was dann anscheinend von einigen Menschen als Pornografie gewertet wird.

Fassen wir zusammen

  • Im Jahr 2021 wurden über 40 Bücher, die sich in den Schulbibliotheken des Bezirks in Texas befinden, im Rahmen des formellen Beschwerdeverfahrens von einigen Eltern und Gemeindemitgliedern angefochten
  • Ende 2021 forderte Gouverneur Greg Abbott die Behörden dazu auf, „Pornos von Schülern fernzuhalten
  • Mit Beginn des neuen Schuljahrs 2022 führte deshalb der Schulbezirk in Texas neue Richtlinien ein
  • Aufgrund dieser neuen Richtlinien werden nun alle in 2021 angefochtenen Bücher neu beurteilt
  • Deshalb werden diese Bücher nun für einen Zeitraum von bis zu 30 Tagen aus den Bibliotheken entfernt
  • Es geht nicht um die Buchversion des Anne Frank-Tagebuchs, sondern um eine Comicversion

Es ist also zum jetzigen Zeitpunkt absolut unklar, ob die Comicversion des Anne Frank-Tagebuchs oder die Bibel tatsächlich nicht mehr in den Bibliotheken erscheinen – insbesondere was die Bibel betrifft, ist es im gottesfürchtigen Texas sehr unwahrscheinlich, dass sie nicht mehr erhältlich sein wird.

Von einer Verbannung der Bücher kann also derzeit noch gar nicht geredet werden – und wenn doch, werden wir dies im September erfahren und ggf. darüber berichten.

Artikelbild: pixabay, pngwing
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