Verbot von E-Autos auf norwegischen Fähren?

Ein Jahr nach dem Brand des Frachters „Felicity Ace“ vor den Azoren, u.a. mit Luxus-Elektroautos geladen, zieht eine norwegische Reederei Konsequenzen.

Autor: Walter Feichtinger

Die Behauptung

Verbot von Elektroautos auf norwegischen Schiffen

Unser Fazit

Die norwegische Reederei Havila Kystruten transportiert auf ihren zwei Kreuzfahrtschiffen, die zwischen Bergen und Kirkenes verkehren, keine Elektro-, Hybrid und Wasserstoffautos mehr. Bei Elektrofahrrädern und -rollern müssen die Akkus ausgebaut und extra aufbewahrt werden.

Vor etwa einem Jahr sank der Autofrachter „Felicity Ace“ nach einem Brand vor den Azoren. Tausende Luxuskarossen, die für den amerikanischen Markt bestimmt waren, wurden dabei zerstört. Die Ursache für das Unglück konnte bisher nicht restlos geklärt werden. Eine Vermutung ist, dass der Brand von Lithium-Ionen-Batterien der E-Autos ausging und nicht gelöscht werden konnte. Nun zieht die erste Reederei Konsequenzen aus dem Unglück, die Nachrichten dazu sind aber meist etwas ungenau.

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Aktuell nur zwei Kreuzfahrtschiffe betroffen

Es handelt sich um die norwegische Reederei Havila Kystruten, die auf der Strecke zwischen Bergen und Kirkenes die zwei Kreuzfahrtschiffe Capella und Castor betreibt, zwei weitere kommen bald hinzu. Ein Fährbetrieb für Autos ist ohnehin nur zwischen den beiden Endpunkten möglich, die Laderampe ist bei den 32 Häfen dazwischen zu steil, wenn die Gezeiten ungünstig sind. Bei kleineren Fahrzeugen, wie Fahrrädern und Rollern, ist man etwas flexibler. Diese können bei jedem Halt an oder von Bord gebracht und auch in der eigenen Kabine abgestellt werden. Das gilt allerdings nur, wenn sie keine Elektro-Varianten sind.

Kann ich einen Elektroroller mit auf die Reise nehmen?
Sie können einen Elektroroller mitbringen, aber das Aufladen an Bord ist leider verboten. Die Batterien oder Elektroroller mit integrierter Batterie müssen an einem dafür vorgesehenen Ort aufbewahrt werden. Elektroroller ohne Batterie können in der Kabine aufbewahrt werden.   

Von der FAQ-Seite von Havila.

Diese Vorschriften gelten analog auch für Elektrofahrräder, bei Autos ist man noch strenger:

Kann ich ein Auto mitnehmen?
Wir nehmen Autos nur auf der gesamten Strecke Kirkenes-Bergen oder Bergen-Kirkenes mit, nicht in einzelnen Häfen. Das Auto darf maximal 5,2 m lang, 2,25 m breit und 2,1 m hoch sein. Wenn Sie ein Auto mitnehmen möchten, müssen Sie es im Voraus buchen. Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos sind an Bord verboten.

Verbot ist „reine Sicherheitsüberlegung“

Havila Kystruten hatte bei der Beraterfirma Proactima eine Riskoanalyse beauftragt. Diese kam zum Ergebnis, dass aktuell „nur Brände, die in konventionellen Fahrzeugen entstehen, von der Besatzung bekämpft werden können“. Das Verbot von anderen Antriebsformen ist laut Geschäftsführer Bent Martini eine „reine Sicherheitsüberlegung“.

Ein möglicher Brand in Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffautos erfordert externe Rettungsmaßnahmen und kann die Menschen an Bord und die Schiffe gefährden. Wir nehmen das Thema Sicherheit sehr ernst und sind natürlich unter keinen Umständen bereit, dieses Risiko einzugehen.

Havila CEO Bent Martini zu TradeWinds

Man arbeite bei Havila Kystruten bereits an Lösungen, die das Risiko des Transports dieser Art von Fahrzeugen in Zukunft minimieren könnten. Auch wenn es keine explizite Vereinbarung mit dem Verkehrsministerium gäbe, erwarten die Gemeinden entlang der Küstenrouten doch, dass Schiffe beim Transport von privaten Kraftfahrzeugen zwischen den Häfen helfen sollten. Das Problem mit der zu steilen Laderampe wird dem aber weiterhin im Wege stehen.

Die Schiffe von Havila sind mit großen Batteriepaketen ausgestattet, welche die Reisen umweltfreundlicher machen sollen. Diese sind allerdings in eigenen „feuerfesten Räumen mit speziellen Brandschutzsystemen untergebracht“, so Martini. Die Fahrzeuge im Frachtraum lassen sich so nicht schützen, Brände von E-Autos sind ein riesiges Problem im Fahrzeugtransport.

E-Auto-Frachter Felicity Ace brennt
Die brennende Felicity Ace, Bild: Glomex

Die International Maritime Organisation (IMO) reagierte nach dem Brand der Felicity Ace mit weltweit schärferen Brandschutzvorschriften, wie NTV schreibt. Alle neuen Frachter sollen demnach mit Wärmemeldern und Videoüberwachung ausgestattet werden, bei alten sollen diese Systeme nachgerüstet werden. Auch gesonderte Stellplätze für E-Autos auf den Ladedecks gehören zu den neuen Sicherheitsmaßnahmen, erklärte Christian Bubenzer, Experte der Dienststelle Schiffssicherheit des Deutschen Feuerwehrverband, der Tagesschau. Der „International Maritime Code for Dangerous Goods“ (IMDG-Code) schreibt zudem „spezielle Sicherheitsvorgaben und Prüfstandards für Lithiumbatterien“ vor.

Konsequenzen für den norwegischen Fährbetrieb

Bisher hat noch keine weitere Reederei ähnliche Schritte wie Havila Kystruten angekündigt. Für den Fährbetrieb nach Norwegen gibt es also noch keine Einschränkungen und auch entlang der norwegischen Küste bieten sich genug Alternativen für Besitzer von E-Autos. Der Hauptkonkurrent Hurtigruten, möchte weiterhin alle Arten von Autos an Bord ihrer Schiffe befördern, schreibt der Norwegische Rundfunk (NRK). Man habe eigenen Risikobewertungen in Bezug auf die Beförderung von Elektro- und Hybridfahrzeugen vorgenommen und sei nicht zu demselben Schluss gekommen sind wie der Konkurrent.

Wir transportieren seit 40 Jahren Autos zwischen allen Häfen, und es funktioniert bestens. Wir haben nicht die Absicht, dies zu unterlassen.

Martin Henriksen, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei Hurtigruten

Der Schritt von Havila ist auf jeden Fall ein symbolträchtiger. Norwegen nennt sich auf der Tourismusseite visitnorway.de selbst „Welthauptstadt der Elektroautos“, im November 2022 waren 8 von 10 Neuzulassungen Elektroautos. Ab 2025 sollen in Norwegen gar keine Verbrenner mehr zugelassen werden, Hyundai verkauft jetzt schon keine mehr in diesem Land. Zwischen den Orten der zerklüfteten, norwegische Küste sind Fähren oft der einfachere und günstigere Weg. Was der Vorstoß von Havila für die E-Mobilität bedeuten wird, wird die Zukunft zeigen.

Update vom 26.01.2023:
Aus der Mimikama-Community gab es einige nützliche Hinweise auf Berichte in norwegischen Medien, diese wurden in den Text eingearbeitet. Die Schiffe von Havila Kystruten haben, was den Autotransport betrifft, wohl einen „schweren Konstruktionsfehler“: Die Laderampe ist für meisten Häfen, die angelaufen werden, bei ungünstigen Gezeiten in einem unpassenden Winkel. Das Be- und Entladen von PKWs ist damit nur an den beiden Endhäfen sicher möglich.

Inzwischen gibt es auch Nachrichten von einer anderen norwegischen Reederei, die den Transport von E-Autos einschränkt. Die Reederei Höegh transportiert z.B. nur noch fabrikneue und keine gebrauchten Exemplare mehr. Einen Zusammenhang zwischen dem Brand auf der Felicity Ace und dem Verbot von Elektroautos auf den Schiffen der Havila Kystruten, stellen übrigens in Norwegen kaum Medienseiten her, wie eine Operatorensuche mit Bing gezeigt hat.

Fazit: Das Verbot von Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos betrifft aktuell nur zwei norwegische Kreuzfahrtschiffe der Reederei Havila Kystruten auf der Strecke Bergen-Kirkenes. Die Mitnahme von E-Fahrrädern und Rollern ist weiterhin möglich. Bei anderen Fähranbietern gibt es noch keine Einschränkungen.

Mimikama-Bewertung: FEHLENDER-KONTEXT

In Wyoming, USA wackelt übrigens der Verkauf von E-Autos. Erst letzte Woche brachte dort eine Gruppe republikanischer Politiker einen Gesetzentwurf ein, den Verkauf neuer Elektroautos ab 2035 auslaufen zu lassen. Wir berichteten.


Quellen: Havila Voyages, TradeWinds, NRK, tagesschau.de, FAZ, visitnorway.de, norwayprotravel.de, directferries.at, cruisetricks.de, golem.de, energyload.eu
Bilder: Havila Kystruten (Titelbild), Glomex

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