Das „Zombie-Virus“ aus der Arktis ist für Menschen nicht gefährlich!

Seit drei Tagen rauscht es stark im digitalen Blätterwald, und sehr viel Clickbait findet sich darunter: Ein „Zombie-Virus“ aus der Arktis wurde reaktiviert und soll für Menschen potenziell gefährlich sein. Doch die Viren sind nur gefährlich, falls ihr eine bestimmte Amöbenart seid!

Autor: Ralf Nowotny

Wir brauchen deine Hilfe – Unterstütze uns!
In einer Welt, die zunehmend von Fehlinformationen und Fake News überflutet wird, setzen wir bei Mimikama uns jeden Tag dafür ein, dir verlässliche und geprüfte Informationen zu bieten. Unser Engagement im Kampf gegen Desinformation bedeutet, dass wir ständig aufklären und informieren müssen, was natürlich auch Kosten verursacht.

Deine Unterstützung ist jetzt wichtiger denn je.
Wenn du den Wert unserer Arbeit erkennst und die Bedeutung einer gut informierten Gesellschaft für die Demokratie schätzt, bitten wir dich, über eine finanzielle Unterstützung nachzudenken.

Schon kleine Beiträge können einen großen Unterschied machen und helfen uns, unsere Unabhängigkeit zu bewahren und unsere Mission fortzusetzen.
So kannst du helfen!
PayPal: Für schnelle und einfache Online-Zahlungen.
Steady: für regelmäßige Unterstützung.

Die Behauptung

Seit einigen Tagen berichten diversen Medien über einen „Zombie-Virus“, der in der Arktis entdeckt wurde und auf Social Media zu den wildesten Spekulationen führt.

Unser Fazit

Die entdeckten und reaktivierten Viren befallen nur eine bestimmte Art von Amöben, rein biologisch können sie menschliche Zellen überhaupt nicht angreifen.

Die Meldung eignet sich natürlich hervorragend für Memes, Panikmache und Befürchtungen: Ein Team europäischer Wissenschaftler hat ein 48.500 Jahre altes Virus aus dem sibirischen Permafrostboden wiederbelebt. Da kann man ja in Überschriften schonmal fragen, ob uns die nächste Pandemie droht, oder?
Nein – Es sei denn, ihr seid eine bestimmte Amöbenart, denn für Menschen kann das Virus gar nicht gefährlich werden!

Die Panik-Schlagzeilen

„Zombie-Virus“ alleine klingt ja schon toll, da dabei jeder an irgendwelche Horrorfilme denkt, an Viren, die einen „zombifizieren“ können, dabei geht es nicht um einen Virus, der einem zum Zombie macht, sondern um Viren, die „wiederbelebt“ wurden – wobei das auch wiederum falsch ist, da Viren keine Lebewesen sind, weswegen das Schlagwort „Zombie-Virus“ bereits in die Irre führt.

MIMIKAMA
Einige Schlagzeilen zum „Zombie-Virus“, Quellen: t3n, RTL, Express, Volksstimme

Eine der Medien („Kadaver in der Arktis“) schaffte es sogar, den Fundort der Viren (ja, es wurden nicht nur ein, sondern 13 bisher unbekannte Viren gefunden) mit einem Fund von 2015 zu verwechseln, der allerdings auch nicht in einem Kadaver war, sondern nur ein Kadaver als möglichen Fundort für Viren angab.

Und da viele anscheinend wirklich nur das Wort „Zombie-Virus“ lesen, wird der Fund auch wortwörtlich genommen:

Welche Viren entdeckt wurden

Die aktuelle Studie, welche HIER einsehbar ist, wurde durchgeführt, um ein besseres Verständnis der von diesen sogenannten „Zombie-Viren“ ausgehenden Risiken zu gewinnen. Dabei ist zu beachten, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt noch um einen Pre-Print handelt, die Studie also noch nicht von anderen Fachleuten auf ihre Korrektheit überprüft wurde.

Zwar wird der Begriff „Zombie-Virus“ auch in der Studie verwendet, dies allerdings bewusst mit Anführungszeichen, denn da Viren keine Lebewesen sind, können sie auch nicht wieder „zum Leben erweckt“, wohl aber reaktiviert werden – was mit den gefundenen Viren gelang.

Die 13 neu entdeckten Viren wurden aus 7 verschiedenen alten sibirischen Permafrostproben isoliert, davon 1 aus dem Fluss Lena und 1 aus dem Kryosol von Kamtschatka. Es handelt sich dabei um Pandoraviren, Cedratviren, Megaviren und Pacmanviren (ja, die heißen wirklich so!) sowie ein neuer Pithovirus-Stamm.

Für Forscher sind diese Viren furchtbar interessant, da sie ungewöhnlich groß sind. Nehmen wir als Beispiel die Pandoraviren: Sie sind einen halben Mikrometer breit sowie einen Mikrometer lang, wodurch sie sogar unter einem Lichtmikroskop sichtbar sind. Zudem besitzen sie ein Genom, welches Bakterien ähnlich ist, weshalb lange unklar war, ob es sich um Bakterien oder Viren handelt.

Können diese Viren dem Menschen gefährlich werden?

Wer einen Blick in die Studie geworfen hat, kann sich die Antwort schon denken, denn all diese Viren haben eines gemeinsam: Sie befallen Acanthamoeba spp., oder einfach ausgedrückt: Amöben.

In der Evolution liegen zwischen Amöben und menschlichen Zellen rund 1 Milliarde Jahre, bildlich gesprochen sind Menschen also eher mit einem Schwamm verwandt als mit einer Amöbe. Rein biologisch ist es also nicht möglich, dass diese Viren für den Menschen gefährlich werden.

Warum werden sie untersucht, wenn sie nicht gefährlich werden können?

Auch wenn es manche Leute nicht wahrhaben wollen: Wir erleben gerade einen menschengemachten Klimawandel, welcher dazu führt, dass die Permafrostböden der Arktis langsam abtauen und damit auch Viren, Bakterien und Einzeller auftauchen können, die den Dauerfrost überlebt haben und sich weitervermehren könnten.

Da durch die Studie eventuell bewiesen wurde, dass Amöbenviren in Permafrostböden überleben können, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass irgendwann auch Viren auftauen und sich vermehren, die für den Menschen gefährlich sein könnten.

Derzeit ist die Gefahr noch nicht besonders groß, da weniger als 5 Millionen Menschen in der unmittelbaren Nähe des arktischen Permafrosts leben (was aber auch schon eine hohe Zahl ist), doch da die schmelzenden Böden auch neue Möglichkeiten bieten, beispielsweise an Rohstoffe zu kommen, werden dort auch mehr Menschen und mehr Infrastruktur entstehen – und mehr Chancen für potenziell gefährliche Viren, Menschen zu infizieren.

Fazit

Es ist also unsinnig, sich jetzt Sorgen um einen „Zombie-Virus“ zu machen, der einen nicht zombifiziert oder überhaupt infizieren kann. Wenn ihr aber Acanthamoeba spp. seid und dies gerade lest: Sorry, ihr müsst aufpassen.

Die Gefahr liegt aber eher in einer möglichen Zukunft, in der Viren auftauen, die auch Menschen gefährlich werden könnten, kombiniert mit einer wachsenden Infrastruktur und somit auch mehr Menschen in den Gebieten, in denen jetzt noch Permafrost herrscht.

Artikelbild: bioRxiv
Auch interessant: Ein digitales Kunstwerk bestehend aus einem Rentier bzw. Reh mit orange leuchtendem Geweih hat viele NutzerInnen sozialer Medien dazu verleitet, es für ein echtes Foto zu halten.
Faktencheck: Zeigt dieses Foto ein echtes Rentier mit leuchtendem Geweih?
Unterstützen 🤍

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!

Mit Deiner Unterstützung via PayPal, Banküberweisung, Steady oder Patreon ermöglichst Du es uns, Falschmeldungen zu entlarven und klare Fakten zu präsentieren. Jeder Beitrag, groß oder klein, macht einen Unterschied. Vielen Dank für Deine Hilfe! ❤️

Mimikama-Webshop

Unser Ziel bei Mimikama ist einfach: Wir kämpfen mit Humor und Scharfsinn gegen Desinformation und Verschwörungstheorien.

Abonniere unseren WhatsApp-Kanal per Link- oder QR-Scan! Aktiviere die kleine 🔔 und erhalte eine aktuelle News-Übersicht sowie spannende Faktenchecks.

Link: Mimikamas WhatsApp-Kanal

Mimikama WhatsApp-Kanal

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Kämpfe mit uns für ein echtes, faktenbasiertes Internet! Besorgt über Falschmeldungen? Unterstütze Mimikama und hilf uns, Qualität und Vertrauen im digitalen Raum zu fördern. Dein Beitrag, egal in welcher Höhe, hilft uns, weiterhin für eine wahrheitsgetreue Online-Welt zu arbeiten. Unterstütze jetzt und mach einen echten Unterschied! Werde auch Du ein jetzt ein Botschafter von Mimikama

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.